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meist geringeren Clraden von Orthognathie (p. 91) oder sogar Prognathie Platz zu machen
Ein prognather Scliädel ist also vom Tj-pus des Neugel>orenen weiter entfernt als ein
orthognather und darnm, schliesst Hanke, anch in seiner Fornibildang höher.
Allein es ist nicht zu vergessen, dass die dem Erwachsenen gegenüber geringere
Prognathie des neugeborenen Schädels keine speciKsch menschliche Eigenschaft ist; sie
hndet sich vielmehr in ähnlicher Weise auch bei den Anthropoiden, wie ein Vergloicli
jugendlicher nnd erwachsener Schädel sofort lehrt, ja vermnthlich überhaupt bei allen
Säugetliieren. Auch hier müsste daher Ranke consequenter Weise die Prognathie des
Erwachsenen nicht als ein tiefes Merkmal ansehen, sondern als das zu erstrebende Endziel
der Entwicklang.
Die Orthognathie oder geringere Prognathie des Nengel)orenon, sowohl dem Foetus,
als dem Erwachseiren gegenüber, ist nach unserer Meinung eine rein caenogenetische Erscheinung,
bedingt durch das in keinem Verhältniss zum übrigen Körper stellende, uiimässige
Dominieren des (.Tehirnes in diesem Stadium; es kann daher diese Erscheinung
auch nicht als Ausgangspunkt für Speculationen dienen.
Die Orthognathie des erwachsenen Menschen lietrachten wir im Gegensatz zu
E a n k e als ein hohes Merkmal, weil sie am weitesten von der thierisclieu Gesichtsfonn
sich entfernt, und die Prognathie des Negers nicht als ein Endstadium menschlicher Entwicklung,
sondern als ein Wiederauftreten und erblich sich Fixieren einer anatomisch
tiefen Eigenschaft, nachdem bereits tlöheres erreicht gewesen war.
Wir gehen nun zur Beschreibung der einzelnen Theile des Gesichtsschädels über
und beginnen mit der Augenhöhle. Bei den ächten Weddas, den Mäniieiii sowohl, als
den Frauen, sind dieselben von auffallender Grösse, so dass sie bei der Kleinheit der
Schädel und der relativ geringen Höhe dos Gesichtes eine sehr dominierende Wirkung
ausüben, welche noch dadurch gesteigert wird, dass sie bei der geringen Interorbitalbreite
einander sehr genähert sind. Ihre Form ist in der Pegel rundlich oder wie ein Quadrat
oder hohes Kechteck, dessen Seiten stark gerundet in einander übergehen (vergleiche die
Schädel der Tafeln XLIX, L. LI, Fig. 98, LH, LIII, LIY und LV); seltener erscheint ihre
Form hochoval aufgerissen, wie lieim männlichen Schädel der Tafel XIA'IIL Kiedergedrückte
Augenhöhlen deuten unserer Ansicht nach stets auf Miscluing, während wir die grossen
und hohen Augenhöhlen für typisch weddaisch ansehen.
Üeber die von uns befolgte Messungsmethode der Augenhöhle haben wir olien
(p. 176) gesprochen, ebenso über die Eintheilung und Noinendatur des Orbitalindex, welcher
aus Augen-Ilühe und -Breite gewonnen wird, indem man letztere- lOO setzt.
Als mittleren Orbitalindex von 21 Männei'n erhielten wir 89.2, wonacli die Wedda-
Augenhöhlen an die imtere Grenze der von uns hypsophthalm oder hochäugig genannten
Gruppe zu stehen kommen. Für 10 Frauen betrug der Dui'chschnittsindex 89.4, also
um ein kleines mehr als bei den Männern.
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Von diesen 31 gemessenen Schädeln sind 9 männliche und ß weibliche, also die
lliilfte, hypsophthalm (89 und mehr), einzelne sogar in sehr ausgesprochener Weise, indem
der höchste von uns gefundene Index 102.6 betrug, rmd zwar befinden sich gerade
die ilirer Herkunft und ihrem sonstigen Bau nach reinsten Schädel fast alle in dieser
(Inippe. Als mesophthal m (83 — 88.9) erwiesen sich 10 Männer und 4 Frauen, als
p l a t o p h t h a lm (unter 83) nur 2 Männer.
Im allgemeinen wird man sagen können, dass Scliädel mit Orbitalindices unter
85 stark der Mischung verdächtig sind; wir haben dieses Verhältniss bei 3 Männei-n und
1 Frau gefunden. Feiner der 3 männlichen Schädel (XV) ist derselbe, welcher schon durcli
seine Mesognathie sich von den anderen abweichend verhalten hatte; durch die Coinbinatiou
dieser beiden Merkmale kann es als sicher gelten, dass er einem Singlialesen-Mischliiig
angehört hatte. Die beiden andern (XXI und XXII) sind stark inesocephale Küstentornipu;
der betrefi'ende weibliche Schädel (XXXII) ist unbekannter Herkunft.
Wenn man aus den beiden Dimensionen des Augenhöhleneingangs, der Höhe und
Breite, durch Multiplication die Fläche eines diesem Eingang umschriebenen Rechteckes
berechnet, so erhält man für die Männer ein Mittel von 1284, für die Frauen ein solches
von 1208 Quadratmillimeter. Wie oben (p. 177) schon gesagt, ist diese Fläche etwas
grösser als der Augenhöhleneingang selbst; aber trotzdem kann dieselbe bei verschiedenen
Varietäten verglichen werden.
Die Zahlen, welche wur für die Tamil-Männer und für die Singhalesen auf dieselbe
Weise oihalten haben, 1248 und 1198, bleiben hinter dem für die Wedda-Männer gefundenen
Maasse, 1284, merklich zurück, so dass die Augenhöhlen der Weddas nicht nur
relativ, sondern auch absolut sehr gross erscheinen.
Weiss (63, p. 30) giebt als Resultat von Messungen an 100 europäischen Schädeln
für die chamaeprosopen als Mittelwerth für den Flächeninhalt des Orbitaleingangs, wenn
derselbe als Rechteck anfgefasst wdrd, 1189 Quadratmilliineter an, ftu' die leptoprosopen
1289 und als Gesammtmittel 1253. Unter den 100 Schädeln von Weiss sind freilich
leider anch eine grosse Zahl von weiblichen und selbst einige jugendliche enthalten, wodurcli
das Mittel natürlich heruntergedrückt wird. Wenn wir indessen bei unseren Weddas
die Männer und Frauen vereinigen, so erhalten wir immer noch eine Mittelzahl von 1258,
welche die von Weiss für die Europäer beider Geschlechter gegebene (1253) um ein
kleines übertriftt. Broca (7, pp. 396 und 397) bringt freilich durchschnittlich eher höhere
Zahlen als Weiss; doch wenn man in Betracht zieht, wie sehr viel grösser der europäische
Schade! als derjenige der Weddas ist, so bleibt trotzdem die Thatsache, dass Diese sich
durch grosse Augenhöhlen auszeichnen, bestehen.
Bei (lern weiblichen Wodda-Schädel, welchen Vi rchow (57, Tai I) abbildet, treten
die iiiächtigen Augenhöhlen sehr klar vor; Virchow nennt sie (p. 46) sehr gross und im
ganzen von mehr rundlicher Form; ebenso bezeichnet er bei einem zweiten, defecten