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Jlan wird wohl auch bei unseren Kindern ein ähnliches Singen von improvisierten
Worten nach gegebenen Tönen Avahrnehmen. Dem Tacte der Töne werden dann mögliclier
Weise die Worte einigermaassen angepasst. So könnte der ühythmus in der Poesie
entstanden sein durch Anpassung der Worte an einen gegebenen Gesang.
Auf die dargestellte Primitivmelodie ist ausser uns kein Autor aufmerksam geworden.
Von De Zoysa und Nevill sind, wie schon einmal erwähnt, mehrere sogenannte
W e d d a g e s ä n g e publiciert worden, welche beim Tanze und bei anderen Gelegenheiten
von den W'eddas gesungen werden. Bei der grossen Mehrzahl ist es indessen unwahrscheinlich,
dass sie eine Erfindung der Weddas selbst darstellen; vielmehi' stammen sie
offenbar von den Dorfsinghalesen und ihren Kattadias her. So konnnt es, dass die Weddas
oft nicht im Stande sind, den Sinn der von ihnen vorgetragenen Gesänge zu erklären.
Zu gutem Theil mögen sie alt-singhalesische Poesie darstellen, welche in verstümmelter
Form zu den Weddas hinab sickerte und von ihnen dauernd festgehalten ward, während
die alten Gesänge unter den Singhalesen durch neue verdrängt wurden. Dem Inhalte
nach ist die Herkunft der Gesäuge meist deshalb nicht zu beurtheilen, weil die Lebensweise
der singhalesischen Jäger oder Wanniyas mit derjenigen des Weddas in manchen
Punkten übereinstimmt, indem auch die Wanniyas Axt, Bogen und Pfeil gebrauchen un<l
dem Honig eifrig nachgehen. Dazu kommt noch der fatale Umstand, dass die Uebersetzung
vieler der überlieferten sogenannten Weddagesänge äusserst unsicher ist, wie aus
den häufigen Widersprüchen der Autoren hervorgeht; ja es kommt oft völliger Unsinn zu
Tage. Bevor wir in diesem Gebiete klarer sehen, müssten vor allem auch die singhalesischen
Gesänge gesammelt werden, was gewiss manchen Aufschluss über etwaige Herkunft
der von den Weddas gesungenen geben würde; ferner auch die tamilischen; denn
diese könnten dem Inhalte nach von den Culturweddas der Küste angenommen sein. Wir
glauben sonach, dass als ächte Weddagesänge sehr wenige übrig bleiben werden.
In den Improvisationen der Naturweddas, wie wir sie oben schilderten, erblicken
wir den Anfang der Poesie. Weini eirnge derselben von den Zuhörern wiederholt
werden sollten, würden sie zu bleibenden Gesängen sich ausbilden, und solche könnten
dann im Kreise der Weddas selbst zur Entstelumg kommen.
Einen Tanzgesang aus Wewatte notierte Deschamps; zwei Zeilen eines solchen aus
dem Nilgaladistrict und einen Beschwörungsgesang gegen den wilden Eber verdanken wir
Bailey, (6. pag. 801 und 304). Für uns wichtig sind folgende diesbezügliclie Bemerkungen
von Bailey (6. pag. 3ü3): „In ihren Beschwörangsgesängen werden oft Sonne uuil Mond
angerufen, obschon keines dieser Gestirne in ihrem täglichen Leben respectiert wird." Wir
liaben oben (Seite 508j darauf hingewiesen, dass Sonnen- und Mondver(^hruiig, wo si(^ sicli
bei den Weddas findet, tamilisch - singhalesischen Ursprungs ist. In einem von Baih^y
wiedergegebenen Gesang ist sogar Buddha angerufen. „Aber inu- schon die Bedeutung von
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diesem und von anderen Beschwörungsgesängen, ist den Weddas uid)ekaiiiit", fügt dieser
Autor hinzu. Ferner ist der von den Weddas gegen das Wildschwein gebrauchte Beschwörungsgesang
identisch mit einem ebensolchen, welche]i die Singhalesen gegen Zahnweh
in Anwendung bringen, wie gleichfalls Bailey nachweist. Weiter hat oft der Inhalt
der beim Tanze gesungenen Zeilen auf diesen letzteren selbst gar keinen erkennbaren
Bezug, woraus ebenfalls hervorgehen dürfte, das.s wir es in solchen Fällen mit singhalesischen,
von den Weddas ohne eigentliches Verständniss des Sinnes bei ihren Tänzen heigesungenen
Versen zu thmi haben. So saugen die Wewatteweddas bei ihrem oben (Seite
516) erwähnten Tanze zum Schutz gegeii wilde Thiere nach Deschamps rmter anderem
folgende Zeilen:
„Kelieliawel iiagilii
Pato pato gahageue welietima."
Richtig wäre wohl:
„Kelieliawel iieguiia,
Pata, pata gahageu wetuna."
Wörtlich übersetzt heisst das:
„Auf den Kelicliabaum stieg er,
Herab, herab vom Baume tiel er."
Was hat nun dies i^it dem geschilderten Tanze zu thunV Dazu kommt, dass Nevill
dieselben Zeilen bringt und sagt, sie stellten einen komischen Gesang dar; nur setzt
er statt Keheliawel das Wort Kukurukande oder Kukurugaha (76, tom. 2, pag. 125. Gesang
Nr. 8 und 9). Von einer leisen Abänderung diesei'Zeilen sagt Nevill: ..Dies ist der
lustigste Scherz, wenn er wohl gesungen wird und machte mich immer so herzlich lachen
wie die Weddas." Freilich fügt er hinzu: „Er wird abrupt gesungen, mit grossem Feuer und
simuliertem Wahnsinn," was dann besser stimmen würde zu den Umständen, unter welchen
der Vers von den Deschamp'schen Weddas vorgetragen winde. Die bei diesem Gesang
von den Weddas an den Tag gelegte Ernsthaftigkeit hielt Nevill jedenfalls mit Unreclit
für simuliert. Wahrscheinlich haben wir es in demselben mit dem Bruchstücke eines
lluniyarnzauberspruches zu thun, welcher den Weddas durch einen Kattadia zugekommen
war; denn de Silva sagt (105. pag. 69): Wenn ein Mann beim Erklettern eines Baumes
einen falschen Schritt macht und zu Boden fällt, infolgedessen er stirbt, so wird dies
einem Huniyamzauber zugeschrieben.
Bailey sagt gewiss mit Recht (6, pag. 304, Anmerkung): „Die Zaubergesänge
(charrns) werden durch Uebung wiederholt; die Weddas rühmen sich nicht, sie zu
verstehen und könnten auch nicht, wenn sie wollten. Es genügt ihnen, wie für die
meisten orientalischen Menschen, dass eine bestimmte Formel einer bestimmten Handlung
dienlich ist." (Siehe auch tlas oben von uns über den Pfeiltanz Gesagte, Seite 517).
Uebei- die Zaubersprüche der Singhalesen äussert sich de Silva (105, pag. 52)
folgendermaassen: „Die Zaubersprüche oder mantra sind meist Sanskrit. Tamil oder Sing-
S A R A S I N , Ceylon III. 69