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Vii'chow emllicli, uiu damit abzuscliliesseii, fand Platyknemie an Skeletten aas
alten (!rä,bei-n in der Troas, im Hanai Topé (59, p. 104) mid in transkaukasischen Gräberfeldern
(p. 107) sehr verbreitet, in welch' let^iteren Stämme, „welche offenbar einen holten
(ii'ad von Ciiltnr erreicht haben'", begraben lagen.
Es sagt daher Virehow (55, p. 119): „In der Hauptsache ergiebt sich also, dass,
wenngleich die Platyknemie eine häuHge Eigeuthümliclikeit älterer und niederer Rassen
ist, man doch keineswegs ganz allgemein aussagen kann, es gehöre diese Form der Tibia
zu den constanten Eigentliiimlichkeiten niederer Easseuentwickhuig. und man könne von
vornherein erwarten, dass, wenn mau auf eme recht tiefstehende Rasse stosse, man auch
die Flatvl vuemie in ihrer hiichsten Ausbildung finden müsse.''
Wir möchten den Satz eher so formulieren, dass die europäische Tibia-Form mit
hohem Index, also mit relativ breitem Schafte, bei den anatomiscli am niedrigsten stehendeu
Stünnnen, wie Weddas, Andamanesen. Negritos und Buschleuten, nur sehen vorzukommen
scheint, dass dagegen Platyknemie nicht rmr für solche tiefe Entwicklungsstufen
charakteristisch ist, sondern sich auch mit höherem anatomischem Bau veiiiinden
kann. Im letzteren Falle mag es sich entweder um Erhaltung eines älteren anatomischen
Merkmals, bei sonst weiter vorgeschrittenem Bau des übrigen Körpers, handeln, oder es
kann die Platyknemie aufs neue erworben worden sein, nachdem nicht platykneme
Stadien schon vorangegangen waren. Wir erinnern daran, dass wir z. B. die Prognathie
höherer menschlicher Varietäten als einen solchen Neuerwerb angesehen haben.
Ausgehend von der Beobachtung, dass die kindlichen Skelette keine Platyknemie
zeigen, son<lern durch abgerundete Schienbeinschäfte sich auszeichnen, und dass
daher die Abflachung erst ein Ergebniss der späteren Entwicklung darstelh, neigt Virchow
(59. p. 107) zu der Meinung, dass blos eine frühe Ausbildung der Musculatur, zumal ein
ganz besonderer Gebrauch gewisser Muskeln genüge, derartige Veränderungen an den Knochen
hervorzubringen. Virchow sagt ferner, es sei nicht nachgewiesen, dass sich dieses Merkmal
erlilich fortpflanze, und erst in diesem Falle wäre es als ein eigentlicher Rassencharakter
zu betrachten.
Manouvrier (38, p. 540) kam zum Schlüsse, dass eine stärkere Entwicklung des
Musculus tibialis posticus das wirklich active Agens der Abflachmig des Schienbeins sei,
und dass diese starke Ausbildung dos Muskels wesentlich durch liäuflges Springen, Laufen
und Gehen, namentlich in gebirgigen Gegenden, unter Umständen auch mit durch Tragen
schwerer Lasten, hervorgerufen werde.
Wenn nun auch die Beobachtung, dass das männliche Geschlecht durch stärkere
Platyknemie vom weibüchen sich unterscheidet, der Ansicht, dass der Muskelgebrauch l¡edingend
auf die Form des Schienbeins einzuwirken vermöge, das Wort zu reden scheint,
so möchten wir uns doch damit nicht zufrieden geben, sondern glaul)en trotzdem, dass
die Tendenz, eine platykneme oder nicht platykneme Tibia zu bilden, aus vollkommen
imbekannter Ursache sich erblich überträgt, und dass die Gestalt des Schienbeins von der
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Lebensweise unabhängig ist; denn, wenn man die oben geschilderte Verbreitung der Platyknemie
im Auge behält, so sieht man, dass es Völker sehr verschiedener Culturstufe und
also auch sehr abweichender Lebensweise sind, denen sie eigen ist, und andererseits dürfte
sich wohl Niemand unterfangen, ihr Fehlen bei manchen afrikanischen Negern (Index
zweier Serien von Männern nach Manouvrier, 38, p. 494, 72.4 und 72.8) auf eine besonders
ruhende Lebensweise zurück zu führen.
Wir sehen daher in der Beschaffenheit des Schienbeins und in der Häufigkeit des
Vorkommens der einen odei- der anderen Form im Schoosse eines Stammes, einen ächten
Varietätsciiarakter und möchten ferner bemerken, dass in dem Umstände, dass die Kinder
noch keine Platyknoinie besitzen, sondern diese sich erst später entwickeh, nicht der mindeste
Beweis gegen eine erbliche Uebertragung derselben liegt; denn sonst wären zum P)eispiel
auch alle er,st mit der Pubertät auftretenden Umbildungen dos Körpers als von jedem
einzelnen Individuum neu erworben zu betrachten (vergleiche auch Manouvrier).
Es wäre gewiss nicht ohne Interesse, nachzusehen, ob nicht etwa beim Europäer
zwischen die rundliche Forin der kindlichen Tibia und die mehr gleichseitig dreieckige des
Erwachsenen ein platylmeines Zwischenstadium, welches den Zustand niederer Varietäten
wiederspiegeln würde, sich einschiebt.
Broca (4, p. 363) betrachtete die platykneme Tibiaform als charakteristisch für
flie grossen Affen; auch Turner (46, II, p. 99) sagt, bei den Anthropoiden herrsche ein
gewisser Grad von seitlicher Compression, während Virchow (55, p. 119) den höheren
Affen Platyknemie abspricht.
Nach den auf eine grosse Anzahl von Anthropoiden-Skeletten ausg,¡dehnten Untersuchungen
von Manouvrier (38, p. 541) zeigt nur der Drang constant eine nicht abgeplattete
Form des Schienbeins; auch das uns zur Verfügung stehende Exemplar wies
keine Spur von Platyknemie auf.
Bei den anderen Anthropoiden, dem Gorilla, dem Schimpanse und den Hylobates
Arten, ergab sich nach Manouvrier trotz grosser Schwaukungen ein mittlerer Index,
welcher eine abgeplattete Tibiaform anzeigt. Bei Vereinigung beider Geschlechter berechnen
wir aus den beiden Tabellen Manouvrier's (pp. 525 und 547) für 21 erwachsene
Gorillas einen Durchschnittsindex von 65.1, mit Schwaukungen von 58.6 bis 72.4, für
27 Schimpanse's ein Mittel von 64.4, mit einem Minimum von 48 und einem Maximum
von 81.8; endlich giebt Manouvrier für 10 Gibbons ein Mittel von 63.3 an.
Ein gewisser Grad seitlicher Abplattung der Tibia scheint also allen diesen Formen
eigen zu seht, und mau wird dies auch an dem Schienbein eines Gorilla, welchcs wir auf
Taf. LXXXII, in Fig. 177 a und b, in derselben Weise wie die danebenstehenden, menschlichen
abgebildet haben, namentlich im Seitenbilde, leicht erkennen. Unser Schimpanse
zeigte dagegen keine Platyknemie.
Manouvrier sagt als Resultat seiner Untersuchungen (p. 536), trotzdem er auf
gewisse Differonzon zwischen der menschlichen und der Anthropoiden-Platyknemie auf-
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