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Als die wahrscheinlichste Wiege des Menschengeschlechtes tritt uns dagegen das
tropische Asien; Vorder- und Hinterindien und die angrenzenden Inseln, entgegen, das
Land, in welchem heute noch so reichliche Trümmer alter Menschenstämme vorhanden
sind. Von dort aus mag dann auch Afrika bevölkert worden sein, ähnlich Avie Avir es für
Australien wahrscheinlich zu machen gesucht haben. Die Auffindung des Anthropopitliecus
sivalensis in Indien mag elienfalls als eine weitere Stütze für diese Ansicht hier noch
einmal Erwähnung hnden.
Turne r sagt ma Schlusscapitel seiner für die Anthropologie so bedeutsam gewordenen
Arljeiten über die Schädel und Skelette der Challenger-Sammhing (23. IL p, 120):
„I do not find in the comparative study of the skeleton in the races of men, evidence
that any one race dominates in all its characters over all other races; or that any one
race, in all its characters, is lower than all other races."
Diese Behauptung ist richtig, indem bei keiner Varietät a l l e Merkmale in einem
Sinne zusammenstimmen, wie wir ja zum Beispiel auf die grössere, also weniger pithekoide
Beinlänge der Weddas und anderer niedriger Stämme, gegenüber dem Europäer, genugsam
hingewiesen haben.
Nicht minder richtig ist aber ein anderer Satz, welcher unbedingt auf den
Turner ' schen folgen sollte, und welcher sagt, dass auch die Anthropoiden nicht schematisch
in allen Merkmalen tiefer stehen als sämmtliche Menschen-Varietäten, sondern in einzelnen
Eigenschaften sich zwischen niedere menschliche Formen und die Europäer einschielien.
So zeichnet sich zum Beispiel der Gorilla durch einen relativ kürzeren Unterarm
als der männliche Andamanese (p. 280), durch eine weniger koilorache knöcherne Lendenwirbelsäule
als der männliche Australier (p. 264), durch eine stärkere Humenistorsion als
Wedda oder Neger (p. 283), durch eine grössere relative Fusswurzellänge und Breite als
einzelne Wedda-Individuen (pp. 300 und 301) aus. Gorilla und Schimjianse besitzen einen
relativ kürzeren Unterschenkel als der Wedda (p. 291) : der Scliimpanse wird an Stärke
des Gebisses vom Australier und Anderen übertroffen (p. 255) u. s. w. u. s. w.
Von beiden Seiten schieben sich eben die Merkmale durcheinander, und es ist daher
eine rein schematische Betrachtungsweise absolut unzulässig. Um sicli ein Urtheil über die
Stellung einer Varietät zu bilden, darf man, um dies nochmals zu wiederholen, niemals blos
ein einzelnes oder nur einige wenige Merkmale im Auge behalten, indem, wie wir nun im
Laufe dieser Arbeit oftmals zu betonen Gelegenheit fanden, sowohl höhere Varietäten in
einzelnen Punkten zurückfallen, als tiefere selbstständig einzelne Chai'aktere erwerben können,
welche sie weiter von den Antliropoiden entfernen, als ihre sonst höheren Vettern.
Dass diese Betrachtungsweise richtig ist, beweisen die oben angeführten Merkmale,
in welchen sogar anthropoide Affen dem Europäer sich mehr annähern als gewisse nieder(i
Menschen-Varietäten.
Nur aus einer grossen Zahl zusammenstimmender Eigenschaften lässt sicli daher
die Stellung einer Varietät präcisieren, und eben die überraschende Menge anatomiscli
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tiefer Merkmale war es, welche uns dazu geführt hat, die P r imä r v a r i e t ä t o n des Menschen
aufzustellen.
Damit sind wir am Ende unseres anatomischen Theiles angelangt; wir schliessen
ihn ab mit dem Wunsche, dass er betrachtet werden möge als das, was im Titel dieses
Werkes steht, nämlich als ein Ve r s u c h , die in der Phylogenie des Menschen ruhenden
Eäthsel der Lösung näher zu bringen.
Literaturverzeiclmiss.
Zum Abschnitt: Vergleichung dei- Weddas, Tamilen und
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