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lind man wivfl erkciiiieii, dass sic beim Wodda entweder ganz nahe hinter der Ohrebene b—b
liegt (Figg. 126 und 132), oder sogar um ein kleines vor dieselbe fällt (Figg. 127 imd
133). Reim europäischen Dolichoceplialus dagegen (Fig. 138) ist diese Mediane mii eine
gute Strecke nach rückwärts von der Olirebeue verschoben; er uutersclieidet sich also vom
Wedda durch eine bedeutend stärkere Entwicklung der hinter der Ohrebene gelegenen
Schädelpartie.
Ein beträchtliclier Unterschied zwischen unserem Europäerschädel und dem d«
Weddas zeigt sich ferner in der Schläfenregion, hinter dem äusseren Augenrand. Verfolgt
man beim Europäer (Fig. 138) in dieser Gegend die Curven, so sieht man, dass über die
rothe Augenmitteidiorizontale die blaue Glabellar- und die grüne Scheitelcurve weit ausladen,
während beim AVedda (Taff. LX^' und LXYllI) die blaue Linie weniger weit ausserhalb
der rothen liegt, und die grüne, welche in dieser Gegend über die Facies temporalis
des Stirnbeins läuft, entweder gar nicht (Fig. 126, Taf. LXV), oder nur ganz wenig übet
die rothe ausgreift. Es erscheint also in der Schläfengegend dei' männliche Europäer-
Schädel bedeutend mehr ausgefüllt als der des Wedda. Auf die Anomalieen dieser Region
kommen wir später zurück.
Wichtig ferner und bei aUen Schädeln, die wir in Curven zerlegt haben, con.stant
ist das Verhältniss des von der rothen Hoiizontalen gekreuzten Nasenrückens zur blauen
Glaljellarcurve. Während beim Europäer die Nasenerhebung weit nach vorne über die
blane Linie vorspringt (Taf. LXXI), ist sie beim Wedda hiirter dieselbe zurückgezogen
(ganz bei Figg. 127, 132, 133, fast ganz bei Fig. 126). Selbst, wenn Europäer starke
Glaliellen haben, springt doch auf den Curven der Nasenrückeir noch vor. Das Zurüct
treteir beim Wedda hängt mit der tiefen Einsenkung der Nasenwurzel inid der geringen
Erhebung der ganzen Nase zusammen, und es bildet daher dieses Merkmal einen höchst
prägnanten Unterschied zwischen den beiden verglichenen Menschenformen. Auf den
Cui'ven l)emerkt man auch, wie viel weniger steil die beiden Nasenl)eine Ijeim Wedda sich
gegen einander aufrichten als beim Europäer. Ein weiterer Unterschied zeigt sich, worn
man die Tafeln LXV und LXXI vergleicht, in der Interorbitalbreite, indem, sie beim Europäer
erlieblich stärker ist als beim Wedda.
Um einen Einldick in die phylogenetische Entwicklung der Schädelform zu gewinnen,
haben wir auch Schädel verschiedener Anthropoiden in Curven zerlegt. Die
Afl'enschädel wurden (Taif. LXXVI imd LXXVll) ebenfalls nach der Frankfurter Horizontalen
orientiert, welche sicli gei'ade zum Vei'gleich von Mensch und Affe als ausserordentlich
praktisch erweist, wie schon Virchow (54, p. 148) hervoi'gelioben hat. Die Cnrven
wurden sännntlich durch dieselben l'imkte gelegt wie beim Menschen und mit denselben
Farben bezeichnet. Die Linie a—a bedeutet wiederinn die Frankfurter liorizontalebcne,
b—b die Ohrebene, c—c die Mediansagittale und d—il die Mitte zwischen vorderstem
und hinterstem Schädelcapselpunkt.
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DargesteUt wurden sämnitliche drei Curvensystcme eines Schimpansen (Taff. LXXVI
und LXXVll, Fig. 150), die Horizontalcurven eines Orang (Fig. 151), endlich Sagittaliind
Horizontalcurven eines Hylobates (Figg. 152 n. 153). Den Schimpanseschädel verdanken
wir der Freundlichkeit unseres hochverehrten Lehrers, Herrn Prof. L. Rütimeyer
in Basel, den Hylobates unserem Freunde, Prof. Hans A^irchow.
Zu einer genaueren Vergleichung haben wir die einzelnen Curven unseres dolichoccphalen
Europäers, eines Wedda und des Schimpanse ineinander gelegt dargestellt, indem
wir gleich bemerken, dass wir von den jetzt noch lebenden Anthropoiden den Schimpanse
für diejenige Form halten, welche dem Ausgangspunkte des Menschen am nächsten steht.
^Vir werden darauf noch oft zurückkommen. Von den in Curven zerlegten männlichen
AVedda-Schädeln wählen wir zu diesem Zwecke den dei' Tafel L, mit dem Längenbreiten-
Index 68.5, hätten aber auch jeden anderen nehmen können, ohne dass die hauptsächlichen
Ergebnisse andere geworden wären.
AVir beginnen mit den Horizontalcurven. Auf Tafel LXXII, Fig. 140, finden sich
die Basalhorizontalen (Frankfurter Ebenen) der drei Formen ineinander gelegt und zwar
so orientiert, dass die Ohrebene b—b der drei Schädel und die Mediansagittale c—c aufeinander
faUeii. Dabei ist wohl kaum nöthig, zn bemerken, dass die ausgezogene braune
Linie den Europäer, die gestrichelte den Wedda und die mit Kreuzchen versehene den
Schimpanse bedeutet.
Ganz ausserordentlich gross ist die Uebereinstimmung der drei Formen in dem
vor der Ohrebene 1)—b gelegenen Schädeltheil, während in der hinter derselben folgenden
Partie ein beträchtlicher Unterschied sich kundgiebt.
Wir haben o))en schon bei der Vergleichung von Europäer und Wedda hervorgehoben,
dass die hinter der Ohrebene gelegene Schädelpartie bei Erstereni sehr viel stärker entwicdvelt
sich zeigte als bei Letzterem, so zwar, dass die Mediane zwischen vorderstem und
hinterstem Schädelpunkt beim Wedda mit der Ohrebene nahe zusammenfiel, beim Europäer
dagegen eine beträchtliche Strecke hinter dieselbe zu liegen kam. Noch grösser wird
der Abstand vom dolichocephalen Europäer zum Schimpanse, bei welchem, wie Figur 150,
Tal. LXXVll, zeigt, die Mediane d—d sogar um l'.'z cm vor die OhrelDene fällt.
Für die Basalcurve haben wir also in ihrem vor der Ohrebene gelegenen, über
Jochbogen. Wangenbeine und Oberkiefer laufenden Theile Uebereinstimmung zwischen den
drei Formen, während in der hinteren Scliädelpartie der Schimpanse sehr stark hinter dem
Wedda imd dieser noch erhebhch hinter dem Europäer von gleichem Schädel-Indcx, aber
mittlerer europäischer Capacität. zurückbleibt.
Dieselbe Constanz im Gesichtsschädel lehrt die rothe, durch die Mitte der Augenliölilenhöhe
gelegte Horizontale (Taf. LXXII, Fig. 141). Auch hier eine ganz ungemein grosse
ücbereinstimmung in denr vor der Ohrebene gelegenen Theil, während die hinter derselben
lolgeiide Partie vom Europäer zum Wedda und sehr stark von diesem zum Schimpanse
iihnimint.