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nio gross(> Schou (Ici- Weiber der Küstcii-Culturweddas pogeiiüber Fremden, hesoiidors
Europäern, erklärt sich uiclit etwa durcli die Eifersucht ilirer Männer, sondern durcli die
Maassregein der Regierung den Culturweddas gegenüber, unter (h'nen besonders die gewaltsame
Impfung unsägliclien Sclirecken verbreitet hat (sieiie unten Alisclniitt: Impfung).
Wie bei den Cnlturweddas die Wiclitigkeit (h>s Weibes sinkt, so liat auch die
(Geburt niclit mehr die gleiche Bedeutung wde bei den Natnrweddas, denen dieses Ereigniss,
wie oben (Seite 470) erwälnit, einen frolien Tag bereitet; eine Gel)urt wird an der Küste nicht
als Fest gefeiert, wie man uns doit sagte.
Wir tiecliten Iiier die Bemerkung ein, dass die für die Culturweddas gegebiuien
Ausführungen keineswegs auf alle Solclie bezogen w^erden dürfen; denn die Culturweddas
repräsentieren ja die ganze Uebergangsreihe vom Naturwedda bis zum Tamil und
Singhalesen und das niclit allein in ihrer Cultur, sondern auch in ihrem Blute. Eine
sexuelle Mischung zwischen Cnlturweddas und ihren tamilischen und singhalesichen Nachl)
arn geht beständig vor sicli; je weiter diese gediehen ist, umso mehr ist auch die Ergologie
der Weddas tamilisiert oder singhalisiert.
In den meisten Fällen lässt sich die Einwirkung der Cultur-Inder auf ili(>
Weddas so klar erkennen, dass wir. wohl ohne einen Fehler zu begehen, folgende auf die
Weddas überhaupt ausgedehnte Berichte speciell auf indisierte Culturweddas bezi(-hen können;
so die Angabe von Gillings: „Weini ein Mann eine ihm verehelichte Frau nicht mehr mag, so
bringt er sie nach einem Jahr zn ihrenEltern zurück", ferner den von Tenneiit wiedergegebenen
Bericht des Herrn Atlierton: ,,Ein entführtes Mädchen wird zurückgebracht. Das treulose
Weib geht zum Gatten zurück: der Verführer wird von fier Familie des Gatten geprügelt."
Das Loos der Wittw^en ist bei den Cultur-Indern in der Regel die Prostitution,
und so beziehen war gewiss mit Recht folgende Angahe Nevi l l ' s ausschliesslich auf tamilisiertc
Culturweddas der Küste und nicht, wie unsei' Autor es tluit, auf alle Weddas überhaupt;
er berichtet nämlich (76, tom. 1, pag. 178), die Wittwen seien sexuell frei; eiiK^
solche könne Liebesaffären mit der Hälfte der Männer der Umgegend haben, wenn sie vermeide,
die Eifersucht der Ehefrauen zu wecken; Diese ahcr seien niclit sehr eifersüchtig
gegen eine Wittwe, wenn mau nicht zu offen von ihrei' Schönheit spreche. Auch Herrn
A t h e r t o n ' s Bemerkung bei Tennent gehört vielleicht hieher, derzufolge Wittwen stets
vom Gemeinwesen erhalten w^erden und ihren Theil von allen Frücliten, Korn und Jagdproducten
bekommen. Da hier von Gemeinwesen und von Korn gespi'ochen wird, kann
es sich nur um Culturweddas handeln; die Wittwe gilt bei Diesen offenliar als gemeinsamer
Besitz der Männer und wird gemeinsam unterlialten. Indessen können Wittwen auch
wieder geheirathet werden, wie wir von den Culturweddas in Wallaitschenai erfuln-en.
Wenn unsere Annahme von der geringeren Anzahl der Frauen als der Männer bei
den Naturweddas richtig ist, so wird bei Diesen eine etwaige Wittwe sofort wieder einen
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Mann finden müssi-n, dei' dann zugleich auch den .lagdgrnnd seines Voi'gängers überiiinnnt;
es bleibt aber die Frage nach dem Schicksal der Wittwen bei den Natnrweddas und nach
den damit zusammenhängenden Verhältnissen noch zu untersuchen.
Ebenfalls auf Culturweddas ist die fernei'e Angabe von Nevill zu beziehen, wonach
jedes ungewölinlicho F(>st die Gelegenheit fih' ausschweifend!• Sinnliclikidt zwisclien
Mann und Weib sei; diese setzten dabei jede Scham bei Seite und brächen in zügellose
Liehesgesänge und obseöne Gesten aus. Zu d(>m Charakter der Naturweddas würde das nicht
stimmen, wie es denn auch Nevill's eigenen, oben (Seite 459, 467, 468) citierten .Angaben
über die Decenz der Weddas direct widerspricht ; auch fehlen den Natnrweddas
überhaupt dergleichen Festlichkeiten, wie wir unten (Abschnitt: Sociologie) sidien werden.
Dagegen sin<l Feste, wo der geschlechtliche Verkehr eine grosse Rolle spielt, alte
Sitte der Cultur-Inder, in deren Religion ja auch dem Phallismus eine so hervorragende
Bedeutung zukommt.
Die Angabe von Knox, dass als Mitgift für die Tücht<'r Hunde gegeb(>n würden,
dürfte sich auch auf Culturweddas beziehen; denn bei NaturwiMlrlas giebt der Vater der
Tochter keine Mitgift, was wohl ziemlicli sicher steht. Selbst noch in dem schon etwas
tamilisierten Dewilanedistrict felilt Mitgift, wde man uns dort berichtete. Ausserdem sind
Hunde, wie wir oben Seite 450 dargelegt liaben, ein secundärer Erwerb der Weddas.
Nevill zufolge sehen die Weddas auf Abkömmlinge von Mischehen mit Singhalesen
mit Verachtung hinab; die Singhalesen aber seien oft eifrig darauf aus, Weddamädclien
zu heirathen. So erkläre sich leicht, warum die Singhalesen (unen grossen Theil Weddablut
absorbiert hätten (siehe auch Seite 129 dieses .Bandes).
Da wir hier gei'ade vom Familienleben der Weddas sprechen, so sei noch
der eigenthümlichen x\rt und Weise gedacht, wie eine Familie von Naturweddas die
N a c h t zubringt. Tennent (110, tom. 2, pag. 441) liess sich darüber Folgendes erzäldeii:
Der Senior der Familie streckte sich auf dem Boden aus, nachdem er seinen Bogen sich
zur Hand gelegt und die Axt gepackt hatte, welche stets ein Gegenstand vieler Vorsorge
und Beachtung sei. Die Kinder und jüngeren Glieder legten sich nahe um ihn herum in
enger lierührung, um warm zu haben, während der Rest ihre Plätze in einem Kreise in
gewisser Distanz hatte, als ob sie für die Sicherheit der Gesellschaft während der Nacht
zu wachen hätten. Wir fügen bei, dass dem Senior offenbar oblag, die Frauen und
Kinder zu schützen, während die jungen Männer gewissermaassen als Vorposten um das
zu schützende Centrum herunilagen, um so zuerst durch das etwaige Herannahen eines
Raubthieres oder eines Elephanten oder Büffels allarnüert zu werden.
Als kurze allgemeine Bemerkung fügen wir diesem Abschnitte noch
bei, dass die Monogami e der Naturweddas entschieden das wichtigste Resultat desselben
darstellt. Bei der in der Stufenleiter der Menschheit, wie im anatomischen Theile
ausgeführt, ausserordentlich niederen Stellung dieser Varietät haben wir demnach in der
Monogamie einen primitiven Zustand des menschlichen Sexualismus zu erblicken. Viele
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