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s idi aus frühor geinaclitcn Bcniorkinigeii evimiert, gelit die allgonioiii aiigeiiommwie Ansicht,
dahin, dass die Frau gewissennaassen oiiip Zwischenstufe zwisclien Jviud und Mnim repräsentiere,
und es ist in der Tliat gewiss, dass der wediliche Schädel in seiner zarten, rundlichen
Form, in der (hmdischnittlich grösseren Höhe der Augenhölden (siehe ü r o c a , 1,
p, ;'}69) u. s. w., kiiidliclie Verhältnisse aufbewahrt.
Daneben haben wir aber im Laufe dieser Untersuchung auf eine E,eiiie von Merlvnialen
Inngewiesen, in wehdien die Frau weiter vom Kinde sich entfernt als der Mann,
und wir wollen dieselben hier noch einmal kurz zusammenfassen. Es sind hier zn nennen
erstlich die grössere Convexität der knöchernen Lendenwirbelsäule (p. 265). ferner die
grössere Breite und geringere Höhe des lieckens (p. 268). weiter die geringere Länge des
Unterarms, im Verhältniss zum Oberarm (p. 279), sehr wahrsidieinlich auch eine stärkere
Torsion des llumerus (p. 285) und eine geringere Länge der Tibia. im Verhähiiiss zum
Feniiir (p. 291).
AVeitere Untersuchungen werd(>n die Zahl dieser Merkmale zweifellos ganz erlieblich
vermehren und unsere frlüier (p. 170) aufgesteUte Beliauptung, dass die Frau nicht
in sidiematischer Weise als eine Zwischenstufe von Kind und Mann aufgefasst werden
dürfe, weiter erhärten. Die Frau ist vielmehr vollkommen als (du Wesen für sich anzusehen,
und bei Vergleichuug menschlicher Varietäten darf unbedingt, wi(> schon gesagt,
uni' Mann mit Manu uud Frau mit Frau in Parallele gebracht werden.
Um nun endlich die Stellung der Priinärvarietäten zu präcisieren, wollen wir in aller
Kürze nocli einmal alle diejenigen Merkmale uamJiaft machen, in welchen die Weddas —
die nun wohl am besten bekannten Vertreter dieser Gruppe — von den Europäern abweichen
uud eine Annäherung an die Anthropoiden zeigen.
Hier ist nun zuuächst zu bemerken, dass der Begriff ..Anthropoiden" eiu ziendich
weiter ist, indem die vier Genera, welche man gewöhnhch unt(.>r diesem Namen zusammeufasst,
uämlicli: Hylobates, Simia, Gorilla und Aiithropopithecus (der sonst für den Schimpanse
gebräuchliche Name Troglodytes ist zu verweilen, weil damit schon früher ein Vog(dgenus
bezeichnet worden ist, F l owe r uud L y d e k k e r , 8, p. 736) unter sicli sehr bedeuteude
Abweichungen zeigen, so dass es sehr darauf ankommt, mit welcher von diesen
b'ormen der ¡\Ienscli verglichen wird.
Unserer Ansicht nach kann kaum ein Zweifel darübei- liestelien, wie wir im Laufe
dieser Untersuchung schon mehrfach betont haben, dass von den lebenden Anthropoiden der
S c h imp a n s e der Stammform des Menschen am nächsten steht, so dass er seinen Namen
Aiithropopithecus mit gutem Rechte führen mag. Die ganze Form der Sc.liädelcapsel,
welche der mächtigen Knochenkämme des Gorilla entbehrt, hat etwas entscJiieden mit
dem Bauplan des menschlichen Schädels Verwandtes, und es ist dies genugsam bei der
Besprechung der von uns aufgenommenen Schädelcurven (p. 204 ff.) hervorgeholien worden.
Wir verweisen auf das dort Ge.sagte und auf die Tafeln LXXVI und T^XXVIl, Fig. 150,
wo die drei Curvensysteme eines Schimpanseschädels abgebildet sind, sowie auf die Tafcdii
LXXI I—LXXV, wo sie mit denen von Europäer und Wedda in Vergleichnng gebracht
wurden.
Auf Tafel LXXVll, Fig. 151, finden sich die Horizontalcurven eines Orang und
daneben in Figg. 152 und 153 Horizontal- und Sagittalcurven eines Hylobates dargestellt.
Man erkennt an den l^)il(lern leicht, dass diese beiden Formen den menschlichen Verhältnissen
ferner stehen als der Schimpanse. Wäre gar ein Gorillaschädel mit seinen mächtigen
Knochenkämmen und seinem riesigen Gesichtstheil zur Darstellung gekommen, so
wäre das Bild ein noch fremdartigeres geworden.
Zu dieser allgemeinen Uebereinstimmung zwischen Schimpanse und Mensch im
Aufbau der Schädelcapsel kommt die sehr wichtige Thatsache hinzu, dass das Gehiss des
Schimpanse weitaus das menschenähnlichste von allen vier Formen ist, während das
mächtige Zahnwerk des Gorilla schon auf den ersten Blick vom menschlichen ausserordentlich
abweicht. Auch F l owe r und L y d e k k e r sagen (8, p. 738), dass das Gebiss
des Schimpanse in vielen Beziehungen eine decidierte Annäherung an den menschlichen
Typus zeige.
Bemerkenswerth ist ferner, dass in Indien ehi fossiler Schimpanse, Anthropopithecns
sivalensis, gefunden worden ist, dessen Bezahnung eine noch grössere Verwandtschaft
mit den menschlichen Verhältnissen zeigt als die der lebenden Form (Fl owe r und
L y d e k k e r , 8, p. 738).
Weiter haben wir im Laufe dieser Untersuchung auf eine ganze Reihe von Skelettverhältnissen
hingewiesen, in welchen sich der Schimpanse als serial, das heisst in die
von niederen Formen zum Menschen führende Reihe hineinpassend erwiesen hat, während
der Gorilla und der Orang, vom Hylobates nicht zu reden, sich in manchen Beziehungen
aherrant verhielten. Andererseits zeigt namentlich der Gorilla, wie wir noch weiter ausführen
worden, eine Anzahl von Merkmalen, in denen er sich sogar näher an den Europäer
anschliesst als manche Glieder unserer Primärvarietäten des Menschen. Naturgemäss spricht
auch dies gegen eine Verwerthung dieser Form als Wurzel des Menschengeschlechtes, und
wir sind vielmehr gezwungen, solche Eigenschaften als selbstständige Erwerbungen aufzufassen.
Wir verweisen hiefür auf das an verschiedenen Stellen der Wedda-Osteologie Gesagte.
Endlich möchten wir auch die kümmerliche Behaarung des Schimpanse für ein
Zeichen näherer Verwandtschaft mit dem Menschen ansehen; wir halten dieselbe für serial.
Wir sind daher der Ansicht, dass von den lebenden Anthropoiden der S c h imp
a n s e der Stammform des Menschen am nächsten stehe, ohne indessen diese Form, so,
wie er heute ist, zu repräsentieren. Wir glauben vielmehr, dass er in einer Reihe von
Eigenschaften sich von dieser selbstständig wieder entfernt habe, und machten als solche
den Verlust der Perforation des Oberarmes (p. 287) namhaft und die starke Verkürzung
des Unterschenkels (p. 291), in welchen Merkmalen er sich mehr dem Europäer annähert
als zum Beispiel der Wedda.
SAliASIN, Coylon m. 47
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