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tlicileii Oller der oberen Hälfte, soiifleni meist uelimeii die ganzen zwei oberen Drittheile
an dieser Abplattung Tlieil.
Uni einen Zahlenansdruck für den Grad der Platyknemie zu gewinnen, hat Broca
(citiert nach Topinard, p. 1021) die beiden Durchmesser des Tibiaschaftes, also die
Tieie und ilie Dreite, im Niveau des an der hinteren Fläche des Knocliens liefindlichen
Foramen uutritivum gemessen und einen Index aus den beiden Maassen gebildet, indem
er die Tiefe 100 setzte. Je höher die Indexzahl ist, um so grösser ist die Dreite des
Tibiaschaftes, im Yerhältniss zur Tiefe, um so weniger platyknem ist die Tibia,
Nach der Arbeit von Kuhff giebt Topinard (45, p. 1022) eme kleine Tabelle,
nach welcher bei den Parisern dos vierten bis zehnten Jahrhunderts der mittlere Index
zwischen 70 und [73 liegt. Manouvricr (38, p. 490) hat für Lothringer beider Geschlechter
72.4 und 74.1, für 13 moderne Franzosen männlichen Geschlechtes 74.5.
Unsere Weddas lieferten sehr abweichende Zahlen. Bei den 8 Männern fanden
wir einen mittleren Jndex von 60.5, mit Schwankungen von 49.2 bis 66.1. Hieraus folgt,
dass bei ihnen die Breite des Ivnochens hinter der Tiefe viel mehr zurückbleibt als bei
den erwähnten Europäern, dass also die Tibia bedeutend mehr abgeplattet ist.
Unsere 3 erwachsenen Frauen ergaben durchweg höhere Zahlen, schwankend
zwischen 68.6 und 69.8 und ein Mittel von 69.2. Dieselbe Beobachtung eines Geschlechtsunterschiedes
hat Manouvrier (38, p. 479) bei mehreren Vai-ietäten gemacht.
Wie also der weibliche Feinur durch eine rundlichere Form seines Schaftes vom
männlichen sich verschieden zeigte, ist auch das Schienbein der Frauen weniger abgeplattet
als das der Männer. Auch bei der Behandlung dieser Fragen sind daher die Geschlechter
sorgfältig zu trennen.
Sehr befremdend ist die Angabe von Thomson (44, p. 142), die von ihm untersuchten
6 Wedda-Tibien seien mit einer einzigen Ausnahme (Index 67.2) nicht platyknem
gewesen. Die von ihm aufgeführten Indexzahlen sind von den unsrigen so sehr abweichend
— es findet sich z. B. darunter ein Index von 84 —, dass wir annehmen möchton, seine
Messungsmethode sei eine andere gewesen. Auch mag Einiges mit der Jugend von zwei
seiner Skelette zusammenhängen. Für die Skelette unserer eigenen Sammlung müssen
wir bei dem Ergebnisse bleiben, dass die Schienbeine sämmtlicher Männer in deutlichster
Weise aljgeplattet waren.
Auf Tafel LXXXII geben wir einige Tibien wieder, in der Ansicht von vorne und
von der medialen Seite; zur Darstellung, wie zur Messung, haben wir stets das Schienbein
der rechten Seite gewählt. In Fig. 179, a und b, ist die platyknemste der von uns beobachteten,
männlichen Wedda-Tibien (Index 49.2) abgebildet, mid, wenn man die Vorderansicht
mit der seitlichen vergleicht, sieht man in der That, wie sehr die Tiefe die Breite
überwiegt; der ganze Knochen ist so platt wie eine Säbelscheide. Daneben steht in Fig.
178, a und b, eine Weckla-Tibia, deren Index 57.7 ungefälir dem Mittel (60.5) entspricht.
Zum Vergleich folgt in Fig. 180, a und b, ein männliches, europäisches Schienbein, dessen
llri Iii
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Index 76 ebenfalls vom Mittel nicht weit entfernt ist, wenn er auch ein bischen darüber
hinausgeht. Die drei nel)oneinander stehenden Schienbeine zeigen, wieviel schmäler, im
Verhältniss zur Tiefe, die Tibia des Wedda ist als die des Europäers. Auf den Gorilla-
Knochen (Fig. 177. a und b) kommen wir weiter unten zu reden.
Sehen wir uns nun in der Litei'atur nach der Verljrcitung der ITatyknemie um,
so finden wir sie zunächst bei einer ganzen Reihe wirklich tiefstehender. Vai'ietäten verl)
reitot. Virchow. der dieser Erscheinung immer viele Beachtung geschenkt hat, constatierte
sie in mehreren Aufsätzen bei den Negritos der Philippinen und sagt (50, ]). 207), es
wiederhole sich bei ihnen eine ausgezeichnete Platyknemie mit der grössten Gleichmässigkeit.
Als Durchschnittsindices mehrerer Serien von Negrito-Tibien gieht Manouvrier
(38, p. 493) 64.5, 64.7 und 65.7. Dann fand Virchow (53, p. 108) bei den Andaman
e s e n ähnliche Tibien wie bei den Negritos. Ebenso sagt später Flower (17, p. 126),
die Tibia der Andanianesen sei gewöhnlich coniprimierter als beim Europäer; er berechnete
auch einen Index und erhielt für 16 männliche Schienbeine ein Mittel von 64.7, für 17
weibliche von 67.5. Seine Maasse sind nicht genau an derselben Stelle des Knochens genommen
worden, wie es Broca vorschlug, sondern etwas tiefer nach dem Vorgange von
Busk. Trotzdem geht daraus hervor, dass bei den Andanianesen die Abplattung ebenfalls
viel stärker ist als Ijeim Durchschnittseuropäer, wenn vielleicht auch nicht ganz so stark
wie beim Wedda. Ferner zeigt sich in Flower's Zahlen die oben von uns auch für die
Weddas constatierte. stärkere ITatyknemie des männlichen Geschlechtes, gegenüber dem
weiblichen.
Die Platyknemie der Andanianesen bestätigte auch Turner (46, II. p. 99); ebenso
fand er beim Buschmann decidierte Conipression des Schienbeins, Virchow (51, p.
170) dasselbe bei brasilianischen Indianern.
Aus Manouvrier's (38, p. 494) Arbeit seien noch erwähnt der mittlere Index von
68.7 für 12 männliche N e u -C al e d o n i c r und die Indices zweier A u s t r a l i e r von 65
und 66.7.
Allein daneben hat sich die Platyknemie auch bei höheren Stämmen gefunden.
Virchow (55, p. 117) constatierte starke Platyknemie an den Tibien von Südsee-Insulaneiii,
nämlich an solchen von Oahu im Sandwidi-Archipel, was Turner (46, II, p. 99) an Skeletten
derselben Herkunft bestätigte.
Ferner haben Broca (4, etc.), Busk, Manou v r ier (38) und Andere in zahlreichen
Höhlen und Gräl)erfunden das häufige Vorkommen platyknemer Tibien beim praehistorischen
Europäer nachgewiesen. Nach den Tabellen, welche Topinar d (45, p. 1022) und Manouv
r i c r mittheilen, finden sich bei praehistorischen Europäern Indexmittel von 61.5, 62,
63, 64, 65 etc., Zahlen, die von den oben angegebenen Mitteln der heutigen Bewohner
Europas beträchtlich abweichen, wenn sie auch die Niedrigkeit unseres gomittelten W'edda-
Mäinier-lndex nicht erreichen; doch sind sie freifich sehr oft aus Messungen an Tibien
beider Geschlecliter gewonnen worden.