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jedem Coiitiueut erhielten sie ihr eigenes G,epräge, mid so entstanden europaisclie, asiatische,
afrikanische etc. Rassenreihen, welche zn einander keine näheren Rezielniiigoi,
liahen, sondern nnr dnrch die gemeinsame Urform zasamrn(mha.ngen. Eine Consequcm
dieser Anscliaonng ist es. dass alk> auf der Erde vorkommenden Langgesichter, gleicliviel
welclier Varietät sie angehören, näher untereinander verwandt sind als mit den 15i'oit_
g(<sichtern, weil diese beiden Grnppen je auf eine gemeinsame Stanmiform zurückgehen,
AVir müssen nun gestehen, dass wir uns dieser Theorie niclit anzuschliessen vovmögen.
Einmal ist die Zahl der Subspecies, welche Kollmann aufstellt, wie uns scheint,
vollkonnnen willkürlich.
K o l l m a n n ' s ürnien.sch, der chamaeprosope jMesocephale, lässt aus sich zwei Grnpp;.ü
hervorgehen, eine chamae- und eine leptoprosope; warum nicht auch eine mesoprosope?
Dann wären die Subspecies schon auf nenn gestiegen. Aber wemi man, wie Ivollmaini
dies thrit, die Constanz dieser Subspecies behauptet, muss man consequenter Weise noch
sehr viel weiter gehen: man muss zum Beispiel noch sub- und hyiierdolichocepliale, snbund
hyperlirachycephale u. s. w. Sulispecies unterscheiden, ja schliesslich gebietet durchaus
nichts, gerade nur die beiden Eigenschaften des Hirn- und Gesichtsschädels, welche Kollmann
gewählt hat. zur Aufstellung von Subspecies zu benützen: eine Fülle anderer Merkmale,
wie etwa ihn- Grad der Prognathie, die Bildung des Nasenrückens, die Gapacität,
das Schädelgewicht u. s. w. könnten ebenfalls no(di damit condnniei't, ja müssten sogar
damit combiuiert werden: denn, wenn einmal diese Subspecies constant sein sollen, so
darf diese Constanz nicht nnr für den Längenbreiten- und den Jochbreiten-Gesichts-hirlex
reserviert werden. Warum endlich am Schädel stehen bleiben? Was verbietet, auch das
Skelett heranzuziehen, dessen Merkmale, wie: Länge und Kürze der Extremitäten, specicll
ihres distalen Abschnittes, der Krümmungsgrad der Lendenwirbelsäule, der Bau des Beckens,
des Schulterblattes, des Fusses u. s. w.. unserer Ansicht nach von viel grösserer anatomischer
Bedeutung sind als die Form von Schädel und CTesicht? Und endlicli käme noch die
Farbe von Haut und Haar und die Beschaffenheit des letzteren hinzu. Es ist leicht einzusehen.
dass, wenn alle diese ^lerkmale mit in Berücksichtigung gezogen würden, wie
man es thatsächlich thun könnte, die Zahl der durch iln- mögliche Combination entstehenden,
in alle Continente wandernden und sich gegenseitig peneti-ierenden Varietatcii
eine inigeheurc würde.
Mit dem Haare hat Kollmann dies übrigens durchzuführen versucht; aus jedci'
seiner sechs Unterarten (29, p. 39) liess er eine schliclitliaarigc, eine stiaffhaarige und eine
wollhaarige Form hervorgehen, woflurch sclion 18 Varietilteu entstanden.
Uns .scheint, dass von Kollmann der Werth der Gesichtsform weit überschätzt
worden ist. indem nicht das mindeste dafüi' spi'icht, dass alle Langgcvsichter imd alle Kinzgesichter,
welche die Erde bevölkern, unter sich in irgend einem uähei'en Zusaiuinenhaii!;
stehen. Wii- glauben viehnelir, dass an verschiedenen Orten, zu verschiedenen Zeiten and
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in verschiedenen Varietäten diese Eigenschaften durch freie Variabilität entstanden und siidi
erblich festgesetzt liaben, so dass die Form des CTCsichtes, ähnlich wie die der Hirncapsel,
nähere Verwandtschaft zwar anzeigen kann, aber nicht nothwendig muss. Und warimi
sollte die Form des Gesichtsscliädels eine liöhere ISedeutung beanspruchen als Dolichocepluilie
und Bracliyceplialie des Hirnschädels, von welchen Kollmann nicdit ansteht, sie
iu den beiden Ui-uppen der Hoch- und dei" Breitgesichter unabhängig von einander entstellen
m lassen? Ja ein für die Verwandtschaft der Menschen-Varietäten unserer Ansicht
iiaeli viel wichtigeres Merkmal, die Beschaffeiilieit des Haares, lässt Kollmann in seinen
sechs Unterarten selbstständig sich verändern, so dass sechsmal schlichthaarige, sechsmal
straffhaarige und sechsmal wollliaarige Varietäten ohne Beziehung zu einander entstanden
sein sollen.
Hiezu kommt noch ein weiteres Moment, welches unserer Meinung nach die
Frage, ob die Gesichtsform als oberstes Princip zur Enitheilung der Menscliheit benützt
werden darf, in negativem Sinne beantwortet, und dies ist unsere Beobachtung, dass
das Schwanken in der Form des Gesichtes schon beim Schimpanse vorkommt. Auf
Tafel LXXVllI haben wir zwei Schimpanse-Schädel zur Darstellung gebracht, von denen
der eine (Fig. 155) deutlich leptoprosop (Gesichtsindex c. 101:). der andere chamaeprosop
(Index c. 88) ist. Die beiden Sdiädel erscheinen ausserordentlich verschieden;
der leptoprosope besitzt hoch aufgerissene AugenhöJilen, lang gezogene, und. wie das t'rofilliild
zeigt, etwas dacliförmig gegen einander aufgerichtete Nasenbeine und eine leptorrhine
Nase (Index 42.3). Der chamaeprosope zeichnet sich durch niedrigere Augenhöhlen, flache
inid breite Nasenbeine und eine leicht chamaerrhine Nase aus. Ihr Index ist ungefähr 53,
doch ist die iAIcssung nur annähernd ausführbar, weil die Ausgangspunkte unsidier sind'
indem der untere Rand der knöchernen Nasenöffnmig ausgerundet erscheint und die Lage
der Nasenbein-Stirnsutur wegen völliger Verwachsung unkenntlich geworden ist, was hei
der leptorrhinen Form nicht der Fall war. Bei der letzteren zeigt sich auch schon eine
deutliche Spina nasalis. Beide Schädel gehörten, wie die Untersuchung des Gebisses zeigte,
vollkouiinen erwachsenen Exemplaren an: sie sind, wie die Menschenschädel, in genau
halber Grösse dargestellt und wie diese nach der Frankfurter Ebene orientiert. Dab« ist
es gicichgiltig, ob wir zwei Species oder, wie wir denken, zwei Varietäten des Schimpanse
vor uns haben; für uns kommt es nur darauf an, zu zeigen, dass im Genus Anthropopithecus
oder Troglodytes dieselbe Schwankung des Gesichtsschädels in die Länge und Breite wie
l^eiiT, Mensdien sich Kn.h't. Es sei nebenbei bemerkt, dass diese Beobachtung nicht mit
•lein von liauke (42) für den Menschen aufgestellten Satze übereinstimmt, wonach die
-•siehtslorin, speciell .lio Länge der Nase und die Höhe des Augenhöhleiieinoangs. in
Korrelation zur relativen Grössenentwicklung des Gehirns stehen soll (p. 107); beide Schädel
'laben nahezu dieselbe Gapacität (c. 390).
Conseipienter \Veise inüsste man nun, wenn man ein secniidäres AViederaiiftreten
I^eptoprosopie oder Clianiaeprosopie nicht zugeben will. ,lie Menschen schon auf zwei
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