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nach zerfallen also die Natunveddas in verschiedene, strahlenförmig inii einzelne Felscentren
angeordnete Claus; über jeden derselben i'ibt ein Senior einen gewissen Einfluss
aus, welcher indessen noch keine Macht in sich schliesst und nicht erblich ist. Einen
solchen Clan liezeichnen die Weddas selber mit dem Namen Warge. Die in einem Yorberichte
(98, pag. 136, Anmerkung) von uns ansgesprochene Yermnthung, dass diese Warges,
von uns mit Nevill damals irrthümlich Waruge gescliriebeu (sielie unten), von den
Singhalesen stammende Eintheilnngen der Weddas nach ihren Woliubezirken, vielleicht zu
militärischen Zwecken, darstellten, haben wir nach eingehenderem Studium der Sache fallen
lassen müssen; wir haben vielmehr unter einer Warge, wie oben ausgefülu't, einen Clan zu
verstehen, und zwar, wie wir unten darthun werden, einen Grossclan, welcher wiederum
in kleinere Unterclans zerfällt.
Die geschilderte sociale Oi'ganisation der Naturweddas ist heutzutage nur noc-h
in Eudimenten erkennliai-, aus denen das ursprüngliche Verhalten mit Hilfe von Literaturberichten
in der ausgeführten Weise von uns erschlossen worden ist. Offenbar wiu'de das
Jagdnetz der Weddas im Laufe der Zeit allenthalben eingerissen und so der Grund zu
einer tiefgreifenden Störung des ganzen socialen Organismus der Weddas gelegt. Der ilauptriss
durch das System vollzog die unter der singhalesischen Herrschaft langsam sich heranbildende
Verkehrsader zwischen Kandy und Battikaloa, welche mitten durch das Herz des
AVedclalaudes hindurchführte. Die Durchreisenden wurden früher jeweilen vom Innehabei- des
betreffenden Jagdgrundes durch denselben hindurchgeleitet bis au die nächste Jagdgrundoder
vielleicht auch Clangrenze, und so kamen sie gewissermaassen per Schub durch das
Weddaland, wobei sie eine grössere Anzahl von Weddagebieten zu durchqueren hatten, an
deren Grenzen jeweilen die Begleiter wechselten. Später wurde ein Weg für den Verkehr angelegt,
und damit war der Riss durch das W^eddagebiet vollzogen. Heutzutage finden sich
längs dieser Linie nur noch Culturweddas, indem beständige Cnlturvorstösse von Osten
durch die Tamilen und von Westen durch die Singhalesen gegen die Weddas geschahen.
Von den Letztern zogen sich Jene, welche nicht zum Ackerbau und zum regelmässigen
Verkehr mit ihren Culturnachbarn sich herbeilasseji wollten, immer mehr nach den Felsencentren
ihres Gebietes zurück, rein auf der Defensive sich haltend und eine nähere Berührung
mit den Cultur-Indei'u scheu vermeidend. Dies mnsste in Folge entstellender
Grenzverletzungen mit den im Inneren ansässigen Familien neuerdings zu Störungen der
ursprünglichen socialen Organisation führen. Die letzten freien Reste endlich mit Gewalt
zur Tschenacultur und damit zur Mischung mit den Singhalesen und Tamilen zu treiben,
hat sich die englische Regierung seit Jahrzehnten als Aufgabe gestellt, (ileichwohl lässt
sich an den letzten üeberbleibseln, welche hie und da noch auf den Felshügeln sich verborgen
halten, die ursprüngliche sociale Organisation in scliattenartigen Urnrissen erkennen.
Es tritt nun die Aufgabe an lurs heran, die Argument e beizubi'ingen, welche
uns zu jener Auffassung der socialen Organisation der Naturwedclas fuhj'ten, wie
wir sie mit Obigem in kurzen ümrissen entwickelt haben. Hier ist nun in erster
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Linie der Bericht des holländischen Gouverneurs van Goens (33) von Wichtigkeit, aus
welchem die sociale Organisation der Naturweddas, wie sie noch im siebzehnten Jahi'-
hundert bestand, klar erkannt werden kann. Wir geben die diesbezügliche Stelle, mit
wenigen Auslassungen unwesentlicher Dinge, hiemit in der üebersetzung wieder: „Unter
den Weddas sind die Wälder so vertheilt, dass Jeder sein- wohl seine Grenzen an zugestopften
Wegen erkennt; sie lassen aber doch bequeme Wege durch da,s Innerste ihres
Landes hindurch, sowohl für sich selbst, als für die Fremden, welche aus dem liei'gland
nach unten und aus dem Niederland nach den Bergen nothwendig reisen müssen.
Von einer solchen Reise erzählte uns Don Juan de Costa, der sie im Dienste des
Radja Singha ausfüln-te. Es sind nun fünfundvierzig Jahre vergangen (die Reise fand
also, wie wir liemerken. im Jahre 1630 statt), dass er vom Gebirge nach diesen weddaischen
Landstrichen herabkam. Allda wurde er von einem Bogenschützen angehalten,
welcher noch von verschiedenen Andern, die mit gleichen Waffen hie und da unter Bäunien
standen, begleitet war. Dieser Erste fragte, was er begehre, wohin er reisen wolle, inid
was sein Auftrag wäre, worauf er Auskunft gegeben habe. Ei- hatte nun hier eine bis
zwei Stunden zu warten, bis von den Aeltesten des Gebietes Weisung kam. Dann gieng
einer von den Bogenschi'itzen, ihn zu begleiten, bis an die nächste Barrière, wozu sie
zwei Ijis drei Stunden Gehens brauchten. Hier rnusste er wieder warten, bis Nachricht
von den Aeltesten dieses Gebietes kam, worauf der erste Führer ihn an einen zweiten
überlieferte und dann zurückkehrte. So braclite ihn der Zweite zum Dritten und das so
lange, dass er mehr als zwölf Führer gehabt hatte und mehr als sieben Tage beschäftigt
war, ehe er in die Provinz von Battikaloa uiid in die flachen Districte kam, welche von
den Tamilen bis an die Küste bewohnt sind. Er und seine zehn bis zwölf Untergebenen
liatten unterwegs nie Mangel zu leiden, da ihnen von den Wedtlas Nahrung gereicht wurde,
und zwar gutes, getrocknetes Hirsclrfleisch, welches in Honig eingemacht war, ferner Erdnüsse
(wohl eher Yams) und Früchte. Keiner der Weddas aber habe weder mit ihm selbst,
noch mit den Seinen ein Wort gesprochen, weil ihre Sitten es so mit sich brächten."
Aus diesem Berichte erfahren wir, dass im siebzehnten Jahrliundert das Weddagebiet
in bestimmt abgegrenzte Jagdgründe eingetheilt war; es ist indessen \vohl nicht
aiizunehmen, dass ein solcher, der Erzählung zufolge zwei bis drei Stunden Gehens im
l)urchm(>sser haltender Jagdgrund inu' einer einzigen Familie angehörte; vielmehr thaten
sich wahrscheinlich mehrere Familien derjenigen Weddas, durch deren Ciebiet der Handelsweg
zwischen Alntnuwara und Battikaloa führte, insofern zu genreinsamer Abfindung mit
den Fremden zusannnen, als sie unter sich einen Senior erwählten, welcher den Durchzug
der Fi'cmden zu leiten, diese selbst zu überwachen und für die Ernährung derselben Sorge
zu tragen hatte.
Van Goens (33, pag. 215) fasst die sociale Organisation, die Regierungsweise der
Weddas, wie er jiie nennt, als eine Demokratie auf, wegen der grossen Freiheit, die ein
Ji>der in seinen abgetheilten Wäldern geniesse (nicht als eine Aristokratie, wie fälschlich