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der Aiuleni das lloclit, den Nebeiiljuliler zu erscliiessoii. Als wir fci'ncr sell)st an einen
jungen AVedda von Kolonggala die Frage ricliteten. was gescliclieii wurde, wenn er mit
der l<'i-ari eines Anderen ein intimes Verhältniss anknüpfte, da ergrifi' er seinen Pfeil,
liewegte dessen Spitze rasch gegen seine Seite lün und rief: „So wüixle er mir tliuii."
Folgende Stelle im Berichte von Stevens ist uns nicht ganz klar geworden; wir
gehen sie unverkürzt in der Uebersetzung hieniit wieder (108, pag. cli); „Sollte ein Wedila
von einem Pfeilschusse todt daliegend gefunden werden — eine höchst uumisszudeutende
Alarke, — so versannneln sich die älteren ^länner und konnnen uinnittelliar zum Schluss,
dass der verstorbene Wedda im Fehler gewesen war in der oben genannten Beziehung,
und er wird sogleich begraben ohne irgend weiteren Commentar." liäthselhaft ist uns
hiei- die Versammlung von Senioren, die sofortige Krkeiuiung der Ursache des Mordes au
der Alarke des Pfeilschusses und das Begraben des Getödteteu. welches letztere, wie wir
unten sehen werden, von den Naturweddas nur auf Befehl der englischen llegierung vorgenommen
wird. Wir haben es in dieser Seniorenversammlung vielleicht nur mit der Befolgung
einer ßegierungsanordnung zu thun, weshalb auch die Leiche begraben wird, niclit
aber mit einem ursprünglichen Verhältnisse. Die Sache bleibt weiter zu untersuchen.
In diesem rigoros durchgeführten Nebenbuhlerniorde lernen wir auch die Ursache
für den Umstand kennen, warum der Ueberschuss an Männern gewisse Grenzen nicht üljerschreiten
kann; ein bestimmter Procentsatz derselben wird eben einfach im Laufe der Zeit
abgeschossen.
Hier ist der Ort, folgenden Satz von Nevill (76, tom. 1. pag. 192) wiederzugehen,
welcher lautet: „Ihre Eifersucht verbunden mit raschem Temperament und einer sorglosen
Gier nach Ptache entwickelte wahrscheinlich die Keuschheit und Monogamie der Ilasse."
Damit sucht Nevill den Grund für die Monogamie ausschliesslich in der Eifersucht; wir
möchten dagegen, wie oben dargelegt, ausser der Eifersucht auch auf den Frauemnangel
Nachdruck legen.
Bei den Tamilen und Singhalesen ist die Zahl der Weiber ebenfalls geringer
als die der Männer (Census, 60, pag. 135); die sexuelle Eifersucht ist aber bei den
Cultur-Indern im Allgemeinen schwach entwickelt; infolgedessen finden wir denn auch die
sexuellen Verhältnisse liei ihnen durchschnittlich leicht behandelt.
Interessant ist zu bemerken, dass gerade die Nebenbuhlerermordung der Naturweddas
diejenige Form des Todtsclilags darstellt, welche auch noch heutzutage in Europa
von der Gesellschaft als erlaubt angesehen wird und straflos ausgeht, und zwar kommt
auch in Europa der fehlende weibliche Theil in der Regel weiter nicht in Betracht, vcrmuthlich
weil unbewusst entweder dessen Zurechnungsfähigkeit niedriger taxiert odcj-abeidas
Weib noch als ein Besitzstück angesehen wird, welches zu zerstören dem Eigenthüiiieinicht
einfallen kann. Ausnahmsweise wird in flen betreft'endon Fällen bei inis auch das
Weib geopfert, desgleichen wohl auch zuweilen bei den Weddas.
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Wäre das Verhältniss der Geschlechter bei den Naturweddas ein umgekehrtes, als
es thatsächlicli der Fall ist, existierten also unter den Erwachsenen mehr Weiber als
Männer, so wäre kein Grund einzusehen, weshalb nicht l'olygynie bestehen sollte; denn
es ist nicht etwa ein kategorischer Imperativ, welcher die Naturweddas an der Monogamie
festhalten lässt oder die exclusive Hinneigung zu nui- einem bestimmten Weibe, welche
zwar wohl für einzelne, nicht aber für alle Männer vorausgesetzt werden kann, sondern
dem Fehlen der Polygynie scheint als natürliche Ursache der Fraucnmangel zu Grunde zu
liegen. In wie weit noch Eifersucht seitens der Weiber hier in Ansclilag kommt,
indem nach Nevill (siehe oben Seite 462) auch die Frau auf den Mann stark eifersüchtig
ist, können wir nicht sagen. Tennent erklärt sich das Fehlen der Polygynie dadurcli,
dass er sagt: „Die Gesellschaft ist zu klein, um Polygamie zu unterhalten.'" Er denkt
also wohl auch an die Möglichkeit, dass weniger Weiber als Männer existierten.
Die stark cmtwickelte sexuelle Eifersucht der männlichen Naturweddas ist nun
auch die Ursache, warum Polyandri e sich nicht unter ihnen entwickeln kann, während
sie doch miter den Singhalesen und anderwärts in Vorderindien verbreitet ist. Nacli
B a i l e y betrachten die Weddas diese Sitte mit Verachtung. „Ein Hieb würde es erledigen"
habe Einer gesagt, wenn ein Weib mit zwei Männern lebe. Aus diesen Worten
möchten wir nun aber nicht, wie Bai ley es zu thun scheint, auf eine von der Gesellschaft
verhängte Strafe schliessen; der betrefl'ende Wedda war vielmehr sicherlich der Ansicht, dass
von den beiden Männern Einer den Andern niedermachen würde, und zwar aus Eifersucht.
Wir treten nun an die schwierige Frage heran, ob von den Naturweddas beim
Eingehen ilirer Ehe bestimmte Verwanrltschaftsgrade berücksichtigt werden oder nicht, ob
I n z u c h t besteht oder fehlt. Nach Bailey ist es nämlich bei den Naturweddas des Nilgaladistrictes
Sitte, die jüngere Schwester zu heirathen, und es gelte dort diese Art der
Ehe sogar als die eigentlich correcte. Verboten sei dagegen die Ehe mit der älteren
Schwester oder ferner mit der Tante, und zwar bestehe die meilvwürdige Tradition, dass
ein Mann von Würmern gefressen worden sei, weil er Verbindungen mit älteren Schwestern
und mit Tanten eingegangen hatte; sein Tod werde als directe Folge dieses Incest betrachtet.
Dagegen von der Ehe mit der jüngeren Schwester spreche man im Nilgaladistrict als von
etwas natürlichenr und ohne Rückhalt; im Bintenne- und Battikaloadistrict sei die Sitte
erloschen. Somit bestehe bei den Naturweddas des Nilgaladistrictes eine bis zu gewissem
Grade beschränkte Inzucht; und zwar gelte hier die Ehe mit der jüngeren Schwestei'
ebensosehr für die richtigste, wie diejenige zwischen Vetter (Vaterschwestersohn) und Base
(Mutterbradertochter) die correcteste sei, welche ein Kandy'scher Singhalese eingehen
könne. Eine solche Base heisse bei den Kandiern naena, was im Weddadialect das Wort
füi' Gattin sei. Als Folge der im Nilgaladistrict bestehenden Inzucht findet Bai ley eine
grosse Aelinlichkeit der dortigen Weddas untereinander; auch sei Stupidität häufig; Idiotismus,
Verrücktheit, Epilepsie kämeai indessen wenig zur Beobachtung.
SA RAS IN, Ceylon III. 62