Ii M
470
l)lcil)cii. Der tainilisclic Anonymus niaclit iibrigeiis nocli andere unriclitigo Angaben über
(UP Wedclas, welclio, da sie Nebensachen betreffen, niclit alle durchgesprochen werden
können: wir werden indessen noch mehrmals auf diese Schrift zurückzukommen haben.
Im Allgemeinen sei hier schon bemerkt, dass die Tamilen die Neigung haben, dieWeddas
als tiefste Caste zu verachten, schlecht von ihnen zu reden und sie hart zu behandeln.
So erzählt, um Andere darüber sprechen zu lassen, Schmarda, wie sein Pfeideknecht,
ein athletischer, brutaler Tamil eine Anzahl Weddas geprügelt habe, weil Diese sich genötliigt
gesehen hatten, gegen seine Genossen sich zur Wehre zu setzen, und Nevill
zufolge (76, 1. pag. 17(3) wurden die AVeddas, welche nördlich vom Mahaweliganga lebten,
von den .laffna-Tamilen grausam ausgerottet.
Die Entbindun g findet, wie Dcschamps berichtet, nicht in der Höhle oder 1 lütte
s t a t t , sondern es wird ein Ort im Walde ausgewählt, an welchem dichtes Gebüsch sich
findet, um Schatten zu geben; auch werden zu diesem Zwecke Zweige gegen einen
Baum gelehnt, vermuthlich ausserdem auch, um die Kreissende den Blicken der Andern
zu entziehen. Die Nabelschnur wird mit der Pfeilklinge (Hartshorne, Deschamps)
oder der Axt durchschnitten und keine Unterbindung des Nabelstranges vorgenommen
( n o b i s ) . Die Operation wird von dem bei der Geburt anwesenden Gatten ausgeführt
( H a r t s h o r n e ) . Dagegen wäre dem Tamil zufolge der Gatte für zwei Tage während
der Zeit des Gebärens abwesend; denn er sagt: ..Eine Kreissende wird von einer anderen
h'rau zwei Tage lang gewartet: dann kehrt der Gatte zurück und thut das Nöthige." Es
bezieht sich diese Aeusserung wahrscheinlich auf tamilisierte Culturweddas.
Die Geburt selbst ist ein froher Tag. wie man uns in Kolonggala berichtete.
Die Säugung dauert nacli Deschamps vier bis sechs Monate.
Mehr wissen wir leider nicht über diese so wichtigen und deshalb weiterer Forschung
so sehr bedürftigen Verhältnisse. Der Gebnrtsact und die Thätigkeit der Mitwirkenden,
die Ursache der Isolierung der Kreissenden und was Alles sich des Weiteren daran
knüpfen mag, sollte noch klargelegt worden; auch wäre es von Interesse, die Art und
Weise der Vornahme der B ega t tung zu erfahren.
Die Sitten und Rechtsverhältnisse der umwohnenden Culturvülker, der Tamilen
und Singhalesen sehen wir allenthalben langsam gegeii die Naturweddas vordringen und
allmähg ihre alten, einfacheren Gebräuche verdrängen. So ist bei den Culturweddas
in erster Linie die Leichtigkeit der Ehescheidung in Aufnahme gekommen, indem sie, wie
so viele andere Sachen, so auch die diesbezüglichen Rechtsanschauungen der Singhalesen
allmälig acceptierten; doch scheineji sie oft noch trotzdem an den alten Sitten festzuhalten.
So sagte mis ein alter Cuhiu'wedda aus Mudagala, Namens Sella, er könne seine
Frau fortschicken, wenn es ihm passe, und wenn sie alt sei, könne er eine Junge nehmen;
doch wie er uns dies berichtete, lachte er auffallend heiter und nicht minder seine ebenso
alte Lebensgenossin Siremiü, welcher er tj-otz dem ihm bekannten singhalesischen Rechte
sein langes Leben hindurch Treue bewahrt hatte. Lamprey's Wedda, der im übrigen
I I
[ '
1
47.1
noch vöüig Naturwedda war, äusserte sich ähnlich, wie unser Sella; er gab an, ei' halje
Weib und Kinder; wenn er aber seine Frau nicht m.eln- wolle, könne er sie jeder Zeit
wieder zu iln'eji Eltern zurückschicken. Auch unter den Culturweddas der Küste hat sich
diese neue Anschauung der Ehescheidungsmöglichkeit verbreitet; denn, wie schon oben
(Seite 459) erwähnt, sagte mis der Wedda Pereman von Kalkuda: „T'^rülier haben wir das
ganze Leben zusammengelebt, jetzt können wir ein Weib entlassen, wenn es uns gefällt."
So fanden wir es noch au anderen Küstenniederlassrnigen. Auch in Dewilane ist die beliebige
Entlassung des Weibes bereits als erlaubte Sitte aufgefasst.
Diese leichte Art der Ehescheidung finden wir im Kandy'schen Gesetze folgendermaassen
formuliert (61. pag. 22): „Wenn zwischen den beiden Eheleuten Misshelligkeiten
entstehen, so kann die Ehe gelöst werden durch den Gatten oder die Gattin, und infolgedessen
bleiben ihre betreffenden liesitzthümer gegenseitig getrennt, da ilu'e Ehe nicht
Gütergemeinschaft in sich schliesst. •• Mit dieser Auffassung von der Leichtigkeit der Ehescheidung
hängt dann wohl auch die geringere Wichtigkeit zusannnen, mit welcher das
Weib und sein eventuelles Betragen betrachtet wird, und umgekehrt. Ferner werden in
Folge häufiger Scheidungen ebenfalls neue Verbindungen häufig, es muss dies zu einer
leichteren Auffassung des sexuellen Verkehrs überhaupt nnd damit zu einer Schwächung dei'
sexuellen Eifersuclit führen, welch' letztere wir beim Naturwedda eine so ernsthafte, aber
für die Erhaltung der Monogamie und Ehetreue so wichtige Rolle spielen sahen. Auf
unsere Fragen über die Folgen der Untreue wurden wir von den Culturweddas von ferne
nicht mit so drohendeir Worten und Geberden berichtet, wie seitens dei' Naturweddas
von Kolonggala (siehe oben Seite 464). In Wallaitschenai sagten uns die dortigen Culturweddas,
dass, wenn Einer seine Frau im Liebesgeschäfte mit einem Andern antreft'e,
er einfach weggehe und sich eine Andere hole. Nebenbuhlermord also fällt jetzt weg
nrit der Herabmilderung dei' Eifersuchtsempfindung. Auch wird mm, wie daraus ebenso
nothwendig folgt, auf Keuschheit der Mädchen vor der Ehe nicht mehr viel gesehen. Die
Mädchen hätten mit Männern schon Umgang, bevor sie ^'erheiratllet seien, sagte uns der
tamilische Aufseher der Culturweddas von Nasiendivu an der Küste, Ferner scheint bei
den Culturweddas die Anzahl der Frauen grösser zu werden, als es bei den Naturweddas
der Fall ist; wenigstens berichtete uns der tamilische Aufseher der Culturweddas von Wallaitschenai,
es gelxi unter ihnen mehr Weiber als Männer; möglicher AVeise sterben bei
den Culturweddas nicht so viele Frauen an der ersten Geburt respective den Folgen derselben
(siehe obei^ Seite 463). Mit dem Steigen der Anzahl der Frauen fällt aber auch
natürgemäss ihr Werth, und umgekehrt wird das Weib als ein umso werthvollerer Besitz
betrachtet und umso eifersüchtiger bewacht, je schwerer dieser Besitz zu erringen ist; so
ist es bei den Naturweddas der Fall.
Wie bei den Naturweddas, so bleiben auch bei den Culturweddas die Kinder bis
zu ihrer V(n-Iieirathung b(>i ihren Eltern.