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l>ass heim Menschen Länge des Unterschenkels ein altes Merkmal und die Verkürzung
eine sociindäre Erscheinung ist, scheint uns nach dem, was oben über europäische
Jugeudstadien mitgetheilt wurde, kaum zweifelhaft zu sein. Doch sind weitere und ausgedehntere
Untersuchungen noch dringend erwünscht.
Hieran sind noch einige Bemerkungen über die Beschaifenheit der Knochen der
luiteren Extremität zu reihen. Au den Obei'schenkelknochen ist auf eine mehr oder
weniger starke Kriimniung nach vorne hinzuweisen, welche in extremen Fällen den Gedanken
an rhachitische Störungen nahe logt. Indessen sind die Knochen durchaus gesund,
und ferner wird das Normale dieser Erscheinung durch die Thatsache verbürgt, dass
sie auch andoreu, niederen Stäurmen eigen ist. So erwähnt Vire ho w (50, ]i. 207) der
starken Krümmung der Oberschenkel nach vorne, als charakteristisch für alle philippinischen
Nogrito-Skelette; auch von einem brasilianischen Indianer-Skelett führt er dieselbe Erscheinung
an (51, p. 170). Von den Anthropoiden zeigt, so viel wir wissen, nur der
Gorilla di(>se Biegung deutlich.
Auf Tafel LXXX haben wir zwei von den stärker gebogenen, niännhchen Wedda-
Oherschenkelknochen abgebildet (Figg. 172 und 173) und daneben denselben Knochen
des Gorilla (Fig. 171). Auch Thomson (44, p. 134) erwähnt bei seinem Wedda der
Biegung dieses Knochens.
B r o c a hat auf eine Form des Feinnr aufmei'ksam gemacht, bei welcher sich der Schaft
dieses Knochens in antero-posteriorer lüchtung vergrössert, während er dabei zugleich relativ
schmäler wird und die Seitenflächen sich leicht concav aushöhlen. Es sieht dann aus,
als ob dem Femurschafte hinten noch eine kleine Säule (die stark entwickelte Linea aspera)
angefügt sei, und daher bezeichnete Broca, freilich nicht gerade glücklich, diese Form
als ..Fémur á pilastre".
Diese Bildung des Oberschenkelknochens ist für den Wedda , wenigstens im männlichen
Geschlechte, ganz charakteristisch.
Um einen Zahlenausdruck für dieses Verhältniss zu gewinnen, maass Topinard
(45, p.' 1019) in der Slitte der Diaphyse des Femur die Breite und die Tiefe des Knochens
und berechnete einen Index nach der Formel Tiefe^les Femurscliaftes x 100
Breite
die resultierende Indexzahl ist, um so mein- dominiert die Tiefe des Knochens über die Breite.
Derjenige Feinur, welcher von den durch Topinarrl untersuchten die grösste Tiete
und kleinste Breite besass, war einer unbekannter Herkunft mit dem Index 158: dami
folgte einer von Cro-Magnon mit dem Index 128; 15 moderne Pariser ergaben 109.2.
l]ei unseren 8 Wedda-Männcrn betrug der mittlere Index 122.1 woraus erhellt
dass bei ihnen viel mehr als beim modernen Europäer, die Tiefe des Knochens die Breite
ttl)erwiegt. Von den 8 unter.suchten, rechten Oberschenkelknochen zeigte nui' ein einziger
einen Index unter 120: das Maximum war 126.9.
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Ein anderes Eesultat lieferten die Frauen, indem ihr mittlerer Index nur 101 l)etrug;
bei ihnen kommen also die beiden Durclunesser des Knochens einander nahezu gleich,
während beim Manne der antoro-posteriore erheblich dominiert.
Von anderen Varietäten, welche die „Pilasterform" des Femurschaftes besitzen,
seien die Neu-Caledonier erwähnt, deren mittlerer Index nach Topinard 127.6 lieträgt.
Von den Australiern erwähnt T n r n e r (46, II, p. 97) einen Fall von 132 und weitere von
120 und 127, ähnliches auch bei einem Andamanesen und anderen Formen.
Diese Eigenthümlichkeit im Bau des Femurschaftes ist durchaas kein Merkmal
der Anthropoiden, welche im Gegentheil durch breite und wenig tiefe Schenkelknochen
ausgezeichnet sind (mittlerer Index von 8 Anthropoiden nach Topinard, p. 1019, 79.7).
Niederere Affen dagegen, wie Cynocephalen, Cercopitheken und Semnopitheken, nähern sich
nach Broca (sielie bei Topinard, p. 1018) in ihren Indices wieder europäischen Ver-
Iiältnissen an.
Es ist also die Form, des Femur-Querschnittes offenbar ein Merkmal, welches sehr
stark variiert und daher phylogenetisch schw-er verwerthbar ist; trotzdem bleibt es von
nicht geringem Interesse, dass die Form des Femurschaftes bei verschiedenen Varietätcm
des Menschen sich verschieden verhält. Grössere Untersuchungsreihen werden noch nachzuweisen
haben, in w-elchem Grade dieses Merkmal im Schoosse jeder Varietät Constant
bleibt und diagnostisch verwerthbar wird. Ferner sollte erforscht werden, ob auch bei
anderen Varietäten die mehr verlängei'te und verschmälerte Form des Femurquerschnittes
für das männliche, die mehr abgerundete für das weibliche Geschlecht charakteristisch sei,
wie wir es bei den Weddas gefunden haben.
Ein Trochanter tertius wurde mehrmals, doch meist schwach entwickelt, angetroffen.
An der Tibi a fällt vor allem die stark seitlich comprimicrte Form ihres Scliaftes
auf, jene Erscheinung, welche unter dem Nanren der Platyknemie in der anthropologischen
Wissenschaft eine grosse Berühmtheit erlangt hat. Sie besteht bekanntlich im
wesentlichen darin, dass, während beim heutigen Europäer in der Piegel ein Durchschnitt
durch die Schaftmitte des Schienbeines ungefähr die Form eines gleichseitigen Dreiecks
besitzt,' l)ei der platyknemen Tibia der antero-posteriore Durchmesser über den queren
weit mehr überwiegt, so dass in extremen Fällen der Knochen so platt wie eine Säbelscheide
wird. Die Abflachung betrifft, nach Broca (4, p. 366) gewöhnlich nur die beiden
oberen h'ünftheile, zuweilen die ganze obere Hälfte der Tibia, und sonderbarer Weise combiidert
sich diese Foi'in öfters mit der von Broc a als fémur à pilastre-Typus bezeichneten,
seitlichen Verschmälerung des Oberschenkelschaftes. So auch bei den Weddas, bei welchen
die l'latyknemie einen ausserordentlich hohen Grad erreicht, wenigstens im männlichen
Cieschlechte.
Bei säinmtliidien 8 männlichen Skeletten unserer Sammlung erscheinen die Schienbeine
stark seitlich zusammengedrückt, und zwar nicht nur in den zwei olieren Fünf