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Wir betreten hier das Gebiet der Maueiiverehrung, wobei wir es mit einer allgemein
indischen Sitte» zu thun haben, welclio aucli im Gc-setzbncli d(»r Brahniaiuni (Mami's
(jesctz) als Püicht vorgeschrieben war. Es liestand das Gesetz, den Ahnengeistern an freien
Stellen, au Flussufern und an einsamen Orten Opfer zu Ijringen. Darauf weist Bailey
selbst hin (6, pag. 305, Anmerkung) und berichtet von den Weddas Folgendes (6,
pag. 302): „Zuweilen legen sie Nahrung in das trockene Bett eines Fluss(>s oder an einen
anderen einsamen Ort und rufen dann ihre verstorbem-n Ahnen mit Namen: „„Komm und
iss von dieseml gieb inis Nahrung, wie du im Lehen thatest! Konun, wo du auch sein
magst! auf einem Banm, auf einem Felsen, im Walde, konnn!"" Lind sie tanzen um die
Speise, indem sie die Anrufung halb singen, halb schrcien." Dazu merkt er an: „Ein
diesem einigermaassen ähnlicher Aberglaube ist unter den singlialesischen Nachbarn herrschend.
Wenn ein Mann stirbt, der ein gutes Leben führte, so geben seine Verwandten
Almosen an die Armen, indem sie den Todten mit Nanren anrufen, auf sie herniederzusehen."
Wir erinnern hier daran, dass der von uns befragte Culturwedda von Kaiodai
angab, zur Erinnerung an einen Verstorbenen machten sie dem ersten ihnen begegnenden
Buddhapriester ein Geschenk an Pieis (siehe oben Seite 498), und bei den Tamilen scheint
dies nicht anders zu sein; denn der tamilisierte Culturwedda Kanawadiaru sagte uns, sie
gäben zur Erinnerung an einen Verstorbenen etwas Reis an arme Leute (siehe oben eliendaselbst).
Von den Singhalesen sagt Knox ausdrücklich (55, pag. 85): „Diese Menschen glauben
fest an ein Auferstehen des Leibes und die Unsterblichkeit der Seelen und einen zukünftigen
Zustand. Deshalb verehren sie ihre Ahnen." Wir vermutheu nun, dass, wie in ganz Indien,
so auch bei den Singhalesen die Manen der nächsten Verwandten in der Regel für
gute Geister gehalten werden, falls in der ehemaligen Lebensweise eines Verstorbenen nicht
ein directer Grund zu gegentheihger Annahme zu liegen schien, und diese Anschauung,
dass die Manen der Verwandten, wie der Kinder, Eltern, Grosseltern und der Freunde
guten Charakters seien, liegt doch wohl auch in der Meinung des Gesetzbuches, welches
dieselben mit Opfern zu ehren befiehlt.
Betrefi's der Ausübung des Manencultus erzählt ferner Bailey (ö, pag. 302, Anmerkung):
„Ich sah einmal einen Wedda einen schlechten Schuss thun, und er warf seinen
Bogen nieder mit einer Geberde von Ungeduld und sagte: „das war, weil ich nicht zu
meinen Bilandayakas (Kindergeistern) rief'\ Und bevor er seinen nächsten Schuss that,
murmelte er eine Anrufung."
Im Gegensatz zu dieser Kindermanenverehrung seitens der Bailey'schen Nilgalaweddas
berichtet Stevens von seinen Weddas aus demselben Districte: „Wiederholt hörte
ich sie ihre verstorbenen Väter, Mütter und andere Verwandte anrufen, aber nie ihre Kinder."
Wir müssen aber jedenfalls den Satz als bewiesen eracliten, dass die Manenverehrung
der Cultur-Inder unter jenen Weddas des Nilgaladistrictes Wurzel geschlagen bat,
welche von Bailey und Stevens ausgefragt worden sind.
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T. Berwick, der Districtrichter von Coloinbo, ruft in einer liesprechung der
A'irchow'sehen Abhandlung aus (10, pag. LXHl, Anmerkung): „In Beziehung auf diese
Anschauungen und Sitten, welche offenbar als Illustrationen von Barbarei herangezogen
worden sind (es handelt sich um die Yakaverehrung) scheinen wir, die höchst civilisierten,
niclrt auch in unseren Träumen Jene zu sehen, welche wälirend ihres Lebens unsere
(ledanken beschäftigt haben und noch nach ihrem Tode unser Gemüth beschäftigen?
Und wer hat nicht wenigstens gewünscht und gehofft, wenn nicht gebetet, für die Geneigtheit,
den Beifall, ja für die Hilfe in unseren Bedürfnissen seitens der von hier gegangenen
Verclirten? Betet nicht die weitaus grösste Zahl der Christen zu den Todten und ruft sie
an. nicht zu sprechen von Opfern und Gelübden und Darbringungen an sie? Ist der Unterschied
zwischen den Ideen der Weddas und deneii des augusteischen Roms oder modernen
Europas in dieser Beziehung im Grunde so gi'oss?"
Aus dieser merkwürdigen Stelle geht jedenfalls als Thatsache hervor, dass der
I\Ianencultus auch in Europa noch in voller lilüthe steht, und zwar scheinen zufolge derselben
von vielen Europäern die Manen als gute Geister betrachtet zu wejxlen, zu denen man um
Hilfe betet, die man also zu helfen für fähig hält; thatsächlich al.so werden sie zu Göttern.
Viele europäische Christen liefen also nicht sowohl für die Geister der Verstoi'benen, als vielmehr
zu denselben. Dies aber ist ächter und auch antiker Manencultus; denn nach Georges
(30) ist manes das Wort für die Seelen dei' Verstorbenen und zwar besonders für die wohlwollenden,
gutartigen, im Gegensatz zu den larvae oder bösartigen. Die manes werden götthch verehrt.
Die Anschauung von der Gutartigkeit und Göttlichkeit der Manen verstorbene]-
\'erwandter uml Freunde ist also keine speciell weddaische, sondei-n eine kosmopohtische;
der gesammte Manencultus a)ier gieng von den umwohnenden Culturvölkern auf diejenigen
Weddas über, welche denselben überhaupt ausüben; ilenn er tritt bei jeiu-n
Weddas am klarsten hervor, welche an den Grenzen des Weddalandes wohnen und als
Cultnrweddas mit den Singhalesen und Tamilen im Verkehr stehen. Aussei-dern aber ist
auch die Vorstellung von der Existenz bösartiger (ieister auf die von Bailey untersuchten
Weddas übergegangen: deirn es heisst, dass sie neben dem Awaramada Yaka ein undefiniei
bares Grauen vor den namenlosen Geistern der Dunkelheit hätten.
Weitere von Bailey den Weddas zugeschriebene Dämonen werden desgleichen von
de}i Singhalesen verehrt; soderWedde Yaka oder Jagdgeist, dem nach Bailey^s eigener
Constatierrmg die singhalesisclien Jäger Fleisch, Bhit und Blumen opfern: ferner sei der
I n a p a n a Yaka der Weddas des Nilgaladistrictes den Singhalesen der Weddagegend ebenfalls
bekannt. Wir fügen bei, dass unser Wedda l'oroinala (Figur 4, Tafel 18) von Nilgala
den llnapana Yaka elienfalls kainite; denn als wir ihn trugen, ob er etwas von der Unapanawarge
wisse, antwortete er nach einigem Besinnen. Unapana sei ein Yaka. Es hatte
übrigens dieser Marni schon vi(den Verkehr mit den dortigen Singhalesen. Dann erwähnt
l i a i l e y ehien (xal Yaka oder Felsengeist; wie oben (Seite 446 und 496) erwähnt, dürfte dieser
der Maha Sohona Yaka der Singhalesen sein. Nach Nevill heisst er bei den Singhalesen
S A E A S I N , Coylon III. j