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Satz; „Sie rodiueii sich selbst als von ein und derselben Kaste (geslagt), ganz anders als
die Singiialesen nnd Tamilen, die in llnndert(-n von hohen und niederen Kasten etc. eingetheilt
sind. Im (iegentheil rechnet sich der niedrigste dieser Weddas so liorh von Bhit
als der grösste Häuptling."
Uns sagten die Weddas im Allgemeinen inuner dasselbe, sie kttnmierten sicli nicht
um liohe oder niedere Kaste.
So diirtten denn die Stände in Europa, wie die Kasten in Indien, die Folge einer
nrspriingiich heterogenen Znsammensetzung des Volkes sein. Die Kastenunterscliiede wei'den
sich um so mehr mildem, je weiter im Laufe der Zeit die Mischung dos Blutes zwischen
flen heterogenen Elementen vor sich gegangen ist; so geschieht es immer lebhafter in
Europa; ob zum Voi'theil oder Nachtheil der Cnhur, \Yird die Geschichte zu zeigen haben.
Die Frage, ob die Weddas Häuptlinge anerkennen oder wenigstens zur Zeit, als
noch keine äusseren Störungen ihre Existenz untergruben, solche üliei' sich hatten, ward
von den verschiedenen Autoren selir verschieden beantwortet, weshalb wir auf dieselbe
näher eintreten wollen. Insofern sich mit <leni Begriffe des Häuptlings gewisse Rechte
und die Ausübung einer bestimmten fiewalt verbinden, müssen wir behaupten, dass die
Naturweddas weder Häuptlinge besitzen, noch auch jemals besessen haben; niemals gaben
sie einem Andern ihres Gesclüechtes irgend welche Gew-alt über sich. Dagegen ist es
Regel, dass entweder der Aelteste oder der Intelligenteste eines Clans oder Unterclans einen
gewissen Einfluss über seine nächsten Nachbarn erwirbt; ihm wird in erster Linie die Aufgabe
zu Theil. den Honig der Felsenbiene unter die Mitglieder des Clan zu vertheilen
(siehe auch Seite 446); ferner scheint er in etwaigen Grenzstreitigkeiten schlichtend eingreifen
zu können (Nevill). Gegen Fremde hat er der Sprecher zu sein. Immerhin
haben wir den Eindruck gewonnen, dass das Ansehen eines solchen Seniors oder Sprechers,
solange er, worauf wir Nachdruck legen, nicht von der auswärtigen Eegierung mit dem
officiellen Amte und Titel des Weddaaufsehers oder Widane betraut ist, als recht gering
aufgefasst werden muss; officiell wird die Häuptlingschaft vom Naturwedda nicht anerkannt.
Die Weddas von Nilgala und Wewatte sagten uns, sie hätten keine Häuptlinge;
von Wewatte berichtet dasselbe Deschamps. Wir konnten nie dem Sprecher einer Gesellschaft
die Belohnung für Alle übergeben, um sie zu vertheilen; immer mussten wir selber
die Theihmg vornehmen und Jedem einzeln das, was ihm zukam, übergeben. In einem
Falle beobachteten wir, dass, wie oben (Seite 468) erwähnt, eine alte Frau, welche geistig
lebliafter war, als die Andern, eine gewisse Autorität ausübte und den Sprecher machte,
und zwar nicht nur für die anderen Weiber, sondern auch für die anwesenden jungen und
alten Männer. Wir sehen also bei den Weddas nur die ersten Spuren einer Regierung,
indem Alter, verbunden mit Intelligenz, ein gewisses Ansehen mit sich bringt, mit welch'
letzterem indessen keine Vorrechte sich verbinden; es ist Ansehen vorhanden, aber keine
Macht. Ein solches Ansehen konnte sich aber steigern, wenn es galt, mit fremden Eingriffen
sich abzufinden. Dann trat sicherlich oft der Fall ein, dass ein intelligenterer
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alter Mann zum officiellen Vertreter seines Clan erhoben wui-de, beispielsweise wenn es
galt, dem König von Kandy den Tribut zu entrichten oder ihm auf sein Verlangen zu
einem Kriege Leute zuzuführen. Ein solcher Senior, wenn er dann eine grössere Anzahl
streitfähiger Männer herbeibrachtc, wurde dann wohl auch von den Singhalesen als König
der Weddas geehrt, weshalb wir in dei' singhalesisclien Literatur öfters dei' Erwähnung
von Weddakönigen begegnen und regelmässig derjenigen von Weddaliäuptlingen (siehe
unten Abschnitt: Geschichte).
R i b e y r o liess sich von einem Mestizen erzählen, die Weddas, unter denen er
eine Zeit lang gelebt habe, hätten eine .Königin. Möglicherweise könnte sich diese Angabe
auf einen ähnlichen Fall beziehen, wie der von uns geschilderte, wo eine Frau durch Intelligenz
sich Autorität erwarb. Ausserdem heisst es daselbst, die Betreffende sei Wittwe
gewesen, und der Mestize habe sie heiratheu müssen; sie sei von den Andern ernährt
worden. Wir erinnern hier an das oben (Seite 472) Gesagte über die Behandlung der
Wittwen bei den Culturweddas. Uebrigens ist die von Ribeyro wiedergegebene Erzälilung
des indischen Mestizen zu gutem Theil märchenhaft, sodass wir kein weiteres Gewicht
auf sie legen dürfen.
Auch die Angabe von Sirr, die Naturweddas, von ihm Waldweddas genannt,
hätten Häuptlinge, welche von ihnen gewählt würden, und welche den Wald in Jagdgründe
für je eine liestimmte Anzahl von Individuen oder Familien abtheilten, ist nicht
richtig.
Mit der Ausdehnung der europäischen Macht wurden die Weddas singhalesisclien
Beamten unterstellt, wie mehrmals schon kurz erwähnt wurde. Die niederste Beamten-
Stellung, die des Widane, wurde auch solchen Weddas selbst zugetheilt, welche als Sprecher
ihrer Genossen einen gewissen Einfluss schon zuvor sich erworben hatten. So war der in
Figur 4 (Tafel IV) abgebildete Wedda der Widane der Danigalaweddas, dei' in Figur 20
(Tafel XII) Dargestellte der Widane derer von Wewatte.
Schon bei einer früheren Gelegenheit (Seite 459) haben wir hervorgehoben, dass
die Angaben von Gi l l ings mit Vorsicht aufzunehmen seien; denn dieselben beziehen sich,
ohne Wissen des Autors selbst, theils auf ächte Weddas, theils aber auch auf Culturweddas
und endlich selbst auf die Singhalesen des Weddalandes. Gillings zufolge haben die
Weddas viele Häuptlinge, und zwar heissen dieselben folgendermaassen; Thissarvu, Vannian,
Udeyar, Rollah, Vidahn. Damit ist aber lediglich eine Reihe von ßegiernngsbeamten nach
singlialesischem Systeme, w-elches von der englischen Regierung nur wenig verändert übernommen
wurde, in verstümmelten Benennungen wiedergegeben; denn Thissarvu ist zweifellos
niclits anderes als Disawa, der Verwalter eines als Disawony bezeichneten Districtes
(61, Einleitung pag. XIV), Vannian ist Wanniya, ein Beamter des Nuwarakalawiyadistrictes,
welcher den Disawa in dessen Abwesenheit vertreten konnte (61, pag. XIX); Udeyar ist
offenbar gloich Undiyarala, ein Tempelbeamter (siehe oben Seite 484), Rollah ist gleich
Korala, der Verwalter eines Koralaya genannten kleinen Districttheiles, Vidahn ist gleich