dass ihr vorzüglichster „ssäfi”, um mich eines Haussa-Wor-
tes zu bedienen, oder Fetisch, wie man an der Küste sagen
würde, gleich dem der Marghl, eine lanzenartige, „kefe”
genannte Holzstange sein soll; aber der Unterschied der
Kulte ist jedenfalls bedeutend, da bei den Marghl die Holzstange
mehr ein Symbol als ein Bild zu sein scheint und die
eigentliche Verehrung der heiligen Örtlichkeit gilt. Bei den
Müssgu-Stämmen sah ich keine heiligen Haine.
Am Nachmittag wohnte ich einige Zeit der Versammlung
beim Vezier bei, wo ein interessant und abenteuerlich aussehender
alter Mann, der Mallem Djemme oder Djümma, die
Hauptrolle spielte. Die Geschichte dieses Mannes ist nicht
ohne Bedeutung und zeigt, welches Feld sich ehrgeizigen
Moslemin in den Heidenstaaten im Süden ihrer Länder eröffnet.
Vom alten Scheich, nämlich Mohammed el Amin el
Känemi, wegen Ungehorsams einst mit Todesstrafe bedroht,
hatte sich der Schüa unter die Heiden geflüchtet und hier
allmählich auf eigene Hand eine kleine Herrschaft gegründet;
jetzt war er aber verjagt und kam nun zumVezier, um sich von
ihm wieder einsetzen zu lassen. Natürlich besass er grosse
Kenntniss des Landes und war desshalb sehr willkommen; sehnen
Zweck aber erreichte er, wie wir sehn werden, doch nicht.
Ich habe schon in dem Adamaua behandelnden Abschnitte
den Weg von dem südlichsten Punkte, den wir auf diesem
Müssgu-Zuge erreichten, nach den von mir erforschten Punkten
in jenem Lande auf die Autorität dieses Mannes angegeben.
Leider aber war er nicht mittheilend, oder vielmehr
ich hatte nichts Hübsches, um es ihm schenken zu können,
sonst hätte ich von ihm unendlich viel über diese Länder
erfahren können, die in nicht gar ferner Zukunft für die
Europäer von grösser Bedeutung werden müssen, der so umfassenden
Wasserverbindung wegen, die sich, wenn man den
natürlichen Wasserläufen nur ein wenig nachhilft, bis in das
Herz des Kontinentes eröffnet. Diese Länder zwischen dem
Benue und Schäri scheinen in der That die reichsten und
ihrer fast gänzlich ebenen Beschaffenheit wegen der Kultur
am meisten fähigen Länder des Erdtheiles zu sein. Nach
der Regenzeit natürlich, wenn die unzähligen Wasserrinnen,
die „das Land fast ohne Abfluss durchschneiden, überfliessen,
Va.nn das Klima, in den Ebenen selbst für Europäer nicht
gesund sein; vereinzelte Berghöhen aber sind von der Natur
durch diese üppigen Flachländer hin ausgestreut, um gesündere
Stätten für Ansiedelungen zu gewähren.
Als die Hofleute — „kokanäua” — nach längerer Bera-
thung sich hinter die Vorhänge zurückzogen, um einen Imbiss
aus des Veziers Küche einzunehmen, entfernte auch ich
mich aus dem grossen Audienzzelte des Heerführers; aber
ich war kaum eine Strecke fortgegangen, als mich der Vezier
zurückrufen liess und auch einen Boten absandte, um
Herrn Dr. Overweg aus seinem Zelte holen zu lassen, „der
Fürst Adischen nämlich käme zur öffentlichen Audienz . Ich
kehrte also in des Veziers Zelt zurück, wo die Hofleute bereits
die ihnen ihrem Range gemäss zukommenden Plätze
auf dem Boden rings um ihren Führer eingenommen hatten,
während Letzterer selbst auf . einem Rohrdiwan sass, welcher
ihm auf dem ganzen Feldzuge nachgetragen wurde.
Nach kurzer Weile kam dann der Müssgu-Häuptling an, zu
Pferde — aber ohne Sattel— und von seinen drei Brüdern
begleitet. Eine grosse Menge Neugieriger aus dem Lager
hatte sich vor dem Zelte des Veziers versammelt und verschonte
Adischen keineswegs mit Spott und Zudringlichkeit;
er liess sich jedoch durch die Frechheit der Sklaven eben
nicht verblüffen, sondern bewahrte seine fürstliche Würde.
Die Vorhänge des .geräumigen Audienzzeltes wurden in die
Höhe gehoben und der Kerdi-Fürst, eine kleine, gedrungene
Gestalt mit"eher milden, als wilden Zügen und anscheinend
von einem Alter zwischen 50 und 60 Jahren, trat herein. Ei
war mit einer schwarzen Tobe bekleidet, trug aber keine