10 I. Kapitel.
Reiches den Besitz der Lander, welche die jährliche Sklavenzufuhr
liefern, streitig machte. Im Osten Bornu’s dagegen
liegt ein Reich, das, mit der jungfräulichen Stärke eines noch
barbarischen Zustandes begabt, die Keime grösser Machtentwickelung
in sich trägt, sofern es ihm gelingen sollte,
die verschiedenartigen Elemente, aus denen es besteht, vollkommen
zu bewältigen und ineinander zu verschmelzen, —-
ich meine Wädäi.
Die Verhältnisse zu den 'Ossmanli waren zu der Zeit eigen-
thümlicher Art. Wie wir in dem geschichtlichen Berichte
über Bornu gesehn haben, umfasste dieses Reich vormals alles
Land bis Fesän, ja den südlichen Theil von Fesän selbst
und sogar Wadän; aber seit seinem Verfalle während der
letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts sind diese Grenzen
aufgegeben worden, wodurch die Verkehrsstrasse nach
dem Norden meistens sehr unsicher wurde. Ein solcher
Zustand der Dinge aber muss nothwendig überaus nachtheilig
auf ein Land wirken, welches in vielfacher Beziehung
auf die ihm von Norden her zufliessenden Mittel angewiesen
ist. Der Regierung des Landes muss es daher, da sie bei ihrer
gegenwärtigen Schwäche nicht im Stande ist, die Sicher-,
heit dieser wichtigen Verkehrsstrasse herzustellen, angenehm
sein, wenn eine andere Macht ein solches Resultat herbeiführt.
Der Vezier erklärte daher in einer Unterredung, die
ich nach meiner Ankunft im April mit ihm bezüglich der
vorhandenen Aussichten auf einen geregelten Verkehr mit
England hatte, es würde ihm sehr erwünscht sein, wenn die
Türken Kauär und besonders Bilma in Besitz nehmen, bei
den Salzgruben' dieses Ortes ein Fort erbauen und in dasselbe
eine Besatzung legen wollten, um die Tuareg von Air
in Schranken zu halten und sie für alle auf der Fesäner
Strasse vorfallenden Räubereien verantwortlich zu machen.
In Folge dieser Mittheilung machte ich nun der Brittischen
Regierung die Eingabe, sich bezüglich dieses Gegenstandes
Die politischen Verhältnisse des Sudan. . 11
mit der. Hohen Pforte in Verkehr zu setzen, welches auch
geschah.
Die Sache hatte jedoch für Bornu auch ihre sehr bedenkliche
Seite. Man konnte fragen, ob die Türken, wenn sie
sich einmal in Bilma festgesetzt, nicht damit umgehen würden
, sich auch das ganze Land der Tebu zu unterwerfen.
Ja, es war sogar zu befürchten, dass sie nur zu dem Behufe,
ihre Herrschaft auszudehnen, dort festen Fuss fassen möchten.
Als daher in Bornu die Nachricht ankam, es sei der
ehrgeizige Hassan Baschä mit sehr ausgedehnten Verhaltungsbefehlen
wieder als Statthalter von Fesän eingesetzt worden,
fühlte sich der ganze Hof von Bornu beunruhigt. Diese Nachricht
übte auf die Willigkeit des Scheichs und Veziers, mit
der Englischen Regierung in freundschaftlichen Verkehr zu
treten, einen gar bemerkenswerthen Einfluss aus.
Am 5ten August waren sie nicht im Stande, ihre Besorg-
niss zu verbergen, es möge eine zahllose Schaar von Engländern
ihr Land überströmen, nachdem ihnen einmal in
Folge, des jetzt von Ihrer Brittischen Majestät Regierung vorgelegten
Vertrages freier Zutritt gestattet worden sei; denn
obwohl ihnen die Armuth ihres Landes im Vergleich mit
Europa nicht unbekannt war, so pflegten sie dies doch mitunter
zu vergessen.'
Am Nachmittag des 6ten kam der Bote mit jener Nachricht
an und noch an demselben Abend liess mir Hadj Be-
schir anzeigen, dass sie bereit seien, den Vertrag zu unterzeichnen.
Bei späterer Gelegenheit drückten sie ihren eifrigen
Wunsch aus, die Englische Regierung möge es sich angelegen
sein lassen, die Ausführung der ehrgeizigen Absichten
des Statthalters von Fesän zu verhindern.
■Ich hatte mich aber schon damals davon überzeugt, dass
die nördliche Strasse durch die Wüste sich für den Europäischen
Verkehr nicht eigne, und dass eine bequeme, mehrere
hundert Meilen in das Innere des Erdtheiles hinein-
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