Wir blieben auch am Neujahrstag hier ruhig liegen, aber
besassen nur wenig, um ihn feiern zu können; auch wenig
sonstige Unterbrechungen gab es, mit Ausnahme einer interessanten
Verhandlung am Nachmittag beim Vezier, die ich
hier erzählen will.
Dem intriganten Schüa - Häuptling MSllem Djümma, den
sein Ehrgeiz nicht ruhen liess, war es nämlich gelungen,
nicht allein den entflohenen Vorsteher von Demmo (der Ortschaft,
wo wir gelagert waren), sondern auch den vom nächsten
Dorfe jenseits des Ngäldjams, welcher am meisten für
seine Sicherheit fürchtete, an sich zu locken und beide zu
überreden, sich öffentlich zu unterwerfen und um die Imäna
Bornu’s nachzusuchen. Sie erschienen heute in Folge dessen
vor der „nögona” und warfen Staub auf ihr Haupt; als
sie aber nun ihre Unterwerfung beschwören sollten, schwur
zwar der Fürst von Demmo, indem er eine Handvoll Erde
auf hob und durch seine Finger gleiten liess, aber der Fürst
von jenseits des Ngäldjams verweigerte den Schwur desshalb,
weil diese Erde, da es nicht sein Grund und Boden sei,
zu seinem Eid nicht passe. Er wolle erst, sagte er, eine
Handvoll Erde aus seinem eigenen Lande holen. (Dieser
Schwur mit der Erde der Heimath kommt auch bei den
Alten vor.)
Als dann die beiden Herren, welche ihre Schaam bis dahin
nur sehr unvollständig mit einem schmalen Lederstreifen bedeckt
hatten, mit schwarzen Toben bekleidet wurden, zog
der Herr von Demmo die seinige über den Kopf, unbekümmert
darum, dass andere Theile unbekleidet blieben, und unser
etwas übermüthiger Freund, der Vezier, rief ihm lachend
zu: „so recht, der Kopf ist mehr werth als das Glied”. Zur
Belustigung der Versammlung stiessen sie auch in ihr kleines
Horn, das jeder vornehmere Müssgu bei sich trägt*) und
*) Siehe die bereits erwähnte Abbildung des Müssgn-Häuptlings.
welches einem Jagdhorn sehr ähnlich ist; in der Handhabung
dieses Instrumentes war jedoch der Priester, der die
beiden Fürsten begleitete, geschickter als diese selbst, indem
er einen ganz melodischen und weit schallenden Ton hervorzubringen
vermochte.
Es war das erste und einzige Mal, dass ich bei diesen heidnischen
Völkern einen eigenen Priester sah, und es that mir
überaus leid, dass ich mit diesem Manne nicht näher in Berührung
kam und auch von anderen Leuten keine weitere
Auskunft darüber erhalten konnte, was sein besonderer Berufskreis
sei, um beurtheilen zu können, inwieweit der Kultus dieser
inneren Stämme mit dem derjenigen an der Südwestküste
übereinstimme. Aber ich glaube im Allgemeinen nicht zu irren,
wenn ich annehme, dass das priesterliche Amt bei diesen
Stämmen im Inneren weniger entwickelt ist,, als bei denen
an der Küste; denn bisher hatte ich wenig ausgebildeten
Fetischdienst bemerkt. Auch dieser Mann erhielt ein
Hemd zum Geschenk, aber nur ein weisses von sehr untergeordneter
Qualität, und ich glaube nicht, dass er es lange
trug, nachdem er die Versammlung dieser civilisirten Höflinge
verlassen.
Als Preis seiner wohlwollenden Aufnahme brachte der Herr
von Demmo, wie das gewöhnlich in so zerrissenen Gemeinden
der Fall ist, die Bereitwilligkeit zum Verrath seiner Landsleute
mit, indem er versprach, das Heer nach einer grossen,
wie dies erklärt wurde, „ummauerten” Stadt zu führen, wo
sie reichlich Beute machen würden. Demzufolge also ward
ein grösser. Streifzug auf den folgenden Tag angesetzt, den
der Vezier in Person anführen wollte.
[Freitag, 2ten Januar 1852.'] Während der frühen Morgenstunden
verhielten wir uns ganz ruhig, wahrscheinlich um die
benachbarten' Häuptlinge glauben zu machen, dass wir gar
nicht die Absicht hätten, irgend etwas zu unternehmen. Dann
brachen wir plötzlich mit fast der gesammten Reiterei und