X. Kapitel.
fortwährend vom Flusse aus bewässert werden; die Halme
waren gegenwärtig 1£ Fuss hoch. Waizen ist, wie ich schon
anderswo bemerkt habe, erst in neuerer Zeit im Sudan eingeführt
worden, wird überall nur wenig gebaut und ist auch
nur unter seinem Arabischen Namen, „el kämeh”, bekannt;
er ist bei der Masse der Bevölkerung nicht behebt und gilt
für eine fürstliche Speise. Dieses Getreide ist natürlich auch
schon desswegen theuerer, weil es, da die tropischen Begen
für die zarte Pflanze zu heftig sind, nicht von selbst fortkommt,
sondern nur in der trockenen oder vielmehr kühlen
Jahreszeit an Fluss- oder Sumpfufem vermittelst künstlicher
Bewässerung gezogen werden kann.
Durch die Flussansicht nicht wenig ergötzt, erreichten wir
das östlichste von den Thoren an der Südseite der Stadt, als
plötzlich ein alter Mann an uns herantrat und mir mit gebieterischer
Miene untersagte, den Fluss zu besichtigen, ja mir
sogar befahl, mich augenblicklich zurückzuziehen. Dies setzte
mich einigermassen in Verwunderung, da ich doch die Er-
laubniss des Sultans hatte und nicht zu begreifen vermochte,
wem ausser diesem hier die Befugniss zustehen könnte, mir,
was dieser erlaubt hatte, zu verbieten; aber mein Gefährte
theilte mir mit, dies sei der „marä-leghä” Ä- ,,König der Gewässer”
svjjj welcher unbeschränkte Gerichtsbarkeit über den
Fluss — „lägham” — besässe. Ich hatte zwar viel von der
Autorität des Gewässerkönigs^ ,„sserki-n-rüa” — in den
Kuära-Ländem gehört und gelesen, wusste aber nicht, dass
ein ähnlicher Gebrauch auch hier bestehe. Verwirrt und
beschämt begab ich mich durch das nächste Thor in die
Stadt zurück.
Da dicht bei diesem Thore das Haus des Ghäladima oder
Maläghuän stand, stattete, ich Letzterem einen Besuch ab.
Er war ein Mann von etwas weichlichem Charakter und
ich traf ihn in einem dunkelen, stark durchräucherten Gemache.
Der Besuch war nur dadurch von Interesse, dass
Grosse Gastfreundlichkeit des Sultans. 263
jener mir einige weitere Einsicht in das Hofceremonial dieses
kleinen Königreiches gab, dessen Dasein selbst noch vor
wenigen Jahren von einem so eminenten Manne, wie Herr
Fresnel*), geleugnet wurde.
Als ich nach Hause zurückgekehrt war, begab ich mich sogleich
zum Keghamma, um von ihm bezüglich der Autorität seines
Kollegen, des Wasserkönigs, Auskunft zu erhalten, und er
versprach mir, dass ich am folgenden Tage den Fluss ohne irgend
ein Hindemiss solle besuchen, ja auch beschiffen können.
Es war aber in der Stadt so viel Gerede von meiner Aufnahme
des Flusses, dass ich im Laufe des Nachmittags genöthigt war,
den Vezier noch einmal zu besuchen. Er wünschte nämlich
dringend zu wissen, ob ich, wenn ich mich in einem Boote eingeschifft
hätte, nicht etwa in’s Wasser spränge, um nach Gold zu
suchen; hierauf antwortete ich ihm, „dass ich mich zu sehr
1% vor den Krokodilen fürchtete”. Diese Andeutung schien viel
zur Beschwichtigung seiner Besorgmss beizutragen; denn er
schien die Europäer bisher für eine Art übernatürlicher Wesen,
die von aller Furcht frei seien, gehalten zu haben.
Der gastfreie Charakter unserer Bewirthung blieb sich so
gleichdass 200 Personen mit den Gerichten, die mir zugeschickt
wurden, hätten gespeist werden können, und ajisser
diesen einheimischen Gerichten sandte mir mein freundlicher
Wirth für mich selbst ein grosses fettes Schaaf und einen
ungeheueren Krug mit Milch. Diese glänzende Behandlung erregte
aber die Eifersucht und den Neid der oben erwähnten
Baghirmi-Leute, obgleich sie selbst von der Freigebigkeit
des Sultans gegen mich den grösstenVortheil zogen.— Nach
dem, was ich bemerkte, glaube ich annehmen zu können,
dass der Beherrscher dieses kleinen zinspflichtigen Königreiches
im Allgemeinen die gewiss weise Politik beobachtet,
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! . *) Bulletin de la Société de Qéogr. de Paris, série I I I , vol. XI, p. 30;
vol.. XIV, p. 159.
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