XIV. KAPITEL.
Überblick über die Geschichte von Baghirmi. — Allgemeiner Zustand des
Landes und seiner Bewohner.
Die Hilfsquellen bezüglich der Geschichte des östlichen
Sudans sind noch kärglicher, als die geringfügigen Urkunden
zur Geschichte des westlichen Theiles Nigritiens, welche, wie
ich mir schmeichele, durch meine Arbeiten wenigstens in
grösserer Ausdehnung, als man vorher auch nur geahnt,
beleuchtet worden ist. Aber während wir für das Königreich
Sonrhay mit den berühmten Städten Gögö und Tim-
buktu im Tarich des Ahmed Bäbä einen fast ununterbrochenen
historischen Bericht besitzen und uns für Bornu, gleichfalls
durch die Chroniken jenes Reiches und Imäm Ahmed’s
Erzählung, ein- ziemlich reichhaltiger Stoff zu Händen gekommen
ist, sind für Ost-Sudan (welches die Länder Bä-
ghirmi, Wädai oder Dar-Ssuläi und Dar-För begreift) noch
keine solche Urkunden aufgefunden worden, und wir besitzen
dafür ausser der von den Einwohnern selbst einzuziehenden
Auskunft nur vereinzelte dunkele Angaben, welche uns von
den Arabischen Schriftstellern des Mittelalters überliefert
worden sind.
Was sich von diesen Angaben im Allgemeinen auf Känem
und dessen Hauptstadt NdjimT oder Ndjimie bezieht, habe
ich bereits in meinem, historischen Abrisse des Reiches
Bornu angeführt, und in Betreff der östlicheren Länder erwähnen
diese Schriftsteller weiter nichts, als die allgemeinen
Namen von Stämmen, wie die Sorhäua und die Bädjö*), welche
von Ebn Säid und auf dessen Gewähr von Abü’l Fedä
als Stammverwandte angeführt werden**).
Der einzige Autor, welcher diese östliche Hälfte des Sudans
näher berührt, ist der gewöhnlich unter dem Namen
Leo Africanus bekannte Spanische Maure, welcher innerhalb
dieser Grenzen ein grosses und mächtiges Königreich, von
ihm Gaöga genannt, beschreibt. Dieser Name hat, besonders
wegen seiner Ähnlichkeit mit dem Namen der Sonrhay-Haupt-
stadt, welche er in der gewöhnlichen Arabischen Schreibweise
anführt, zu vielfacher Verwirrung und zahlreichen grundlosen
Hypothesen Veranlassung gegeben. Wenn wir jedoch Leo’s
Angaben, die, weil sie erst nach-Verlauf mehrerer Jahre
aus dem Gedächtniss niedergeschrieben worden, allerdings
höchst unbestimmt sind, vergleichen, namentlich das, was er
über die politischen Verhältnisse Gaöga’s zu dem Reiche
Bornu sagt: so kann es durchaus keinem Zweifel unterliegen,
dass sein „Gaöga” das von den Bornauern nach seinen Beherrschern,
den Buläla, benannte Reich ist. Der Grund,
waruin er es Gaöga nennt, liegt auf der Hand; denn die
Buläla, ursprünglich ein Zweig des fürstlichen Hauses von
Känem, geführt von Djil (mit dem Beinamen Schikomemi,
*) In Betreff des Namens Bädjö herrscht eine beträchtliche Schwierigkeit;
denn er ist gänzlich unbekannt, während die Dädjö ein wohlbekannter Stamm
sind, welcher im zehnten Jahrhundert des Isslam in Dar-För herrschte und
Selbst noch gegenwärtig ,,Nä s Faräön” genannt wird. Wir können jedoch
nicht annehmen, dass der Name Bädjö ein blosser Schreibfehler für Dädjö
se i, wenn wir nicht jene Schriftsteller eines sehr ernstlichen Irrthumes beschuldigen
wollen, da die Dädjö ganz verschiedenen Ursprungs von den Sorhäua,
welche zur grossen Familie der Teda gehören, zu sein scheinen, während
der Ursprung der Ersteren in den Gebirgen von Fasoglö zu suchen sein
dürfte, und jene Schriftsteller erklären ausdrücklich die Bädjö für Stammverwandte
der Sorhäua. Die Bädjö können mit den Bädeyät identisch sein. —
Über die Saghäy des Makrlsi und die Ssoka des Masüdi habe ich meine Meinung
bereits bei einer früheren Gelegenheit ausgesprochen.
**) Ebn Säid in Abü’l Fedä, S. 1Ö8.