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190 VII. Kapitel.
fuhren, wohl sicher, dass wir ihnen ohne Fahrzeuge nicht folgen
könnten, obgleich es hei dem Überfluss an Bäuinen einer
solchen Heeresmasse mit einiger Energie leicht gewesen wäre,
ein Paar Flösse zu bauen.
Die Ufer des Flusses waren hier augenblicklich im Durchschnitt
25 Fuss hoch; man darf jedoch nicht vergessen, dass
dies keineswegs der geringste Stand des Flusses ist, der im
Gegentheil, wie wir auf der Reise nach Baghirmi sehn werden,
bis zum Mai fällt und dann nicht allein hier im oberen
Laufe, sondern selbst bei Logon birni furthbar ist. Das gegenüberliegende
Ufer war weniger hoch, sah aber in seinem
reichen Baumschmuck überaus einladend aus; der armen
Eingeborenen wegen sah ich es aber gern, dass wir nicht
hinüber konnten, und ich glaube, selbst unser Freund, der
Hadj Bescliir, überschaute diese interessante Flusslandschaft
mit mehr wissenschaftlicher Theilnahme als Ingrimm. Leider
hatte ich diesmal mein Fernrohr nicht bei mir, war aber so
glücklich, den Fluss noch an einer anderen Stelle weiter aufwärts
zu sehn.
Nachdem wir einige Minuten hier am Iloclirande des
Flusses gestanden und in den langsam sich dahinwälzenden
Strom hinabgeschaut hatten, wendeten wir unsere Thiere zur
Rückkehr, während unsere Freunde sich mit dem Gerede
trösteten, dass die Kerdi, wenn sie ihnen entgangen wären,
doch ihren Feinden, den jenseits des Flusses in der Imäna
Baghirmi wohnenden Heiden, in die Hände gefallen seien,
rhantasiereichere Berichterstatter wollten sogar wissen, der
Sultan von Baghirmi selbst sei gerade mit einer Rljasia drüben
gewesen und habe die Geflüchteten insgesammt „gegessen”.
So wandten wir denn dem Flusse den Rücken, mein Europäischer
Gefährte und ich überaus zufrieden mit unserem
Tagewerk, das uns an die Ufer dieses schönen Stromes geführt
hatte, unsere Begleiter aber höchst schweigsam und
Wasserkampf mit den Müssgu. 191
ergrimmt, dass ihnen die erwartete Beute entronnen war.
In der That, wo das gehoffte El Dorado der ummauerten
Stadt voll von zur Knechtschaft bestimmten Knaben und
Mädchen eigentlich sei, konnte ich nicht recht erfahren. Die
ganze Beute des heutigen Tages belief sich auf eine Handvoll
Sklaven, Unglückliche, die Krankheit oder Hochsinn
abgehalten hatte, ihre heimathliche Hütte zu verlassen, ein
Paar Kühe, einige Ziegen, Hühner, etwas Matlia-Korn, besonders
aber Erdmandeln (Aracliis hypogaea), wovon grosse
Lasten von den hungrigen Kanembü nach Hause geschleppt
wurden.
Da bot sich willkommen ein Gegenstand, woran das getäuschte
Heer seine Erbitterung auslassen konnte. In der
langen kanalartigen Wasserrinne nämlich, die ich vorhin erwähnt
habe und wo wir jetzt unsere ermüdeten Thiere
tränkten, zeigten sich vier Eingeborene, die, offenbar im Vertrauen
auf ihren Muth und ihre Geschicklichkeit im Schwimmen,
hier im tiefen Wasser ihre Zuflucht genommen hatten,
um beim Abzug des Heeres den Ihrigen ein Zeichen zu
geben. Diese kleine Heldenschaar beschloss man also zu
opfern und das ganze zahlreiche Reiterheer stellte sich in
dichten Gliedern an beiden Seiten des Wassers auf. Jedoch
war es nicht so leicht, als es schien, und alles Feuern der
schlechten Schützen war umsonst, da die Müssgu höchst geschickt
untertauchten. Da liess der Vezier einige Kanembü
in’s Wasser gehn und es entspann sich ein höchst eigenthüm-
licher Kampf, wie ich Ähnliches nie gesehn, ein Wasserkampf
mit Schild und Lanze, der wahrhaftig nicht geringe Am
strengung erforderte; denn während die Leute sich mit ihren
Füssen über dem Wasser erhalten mussten, hatten sie zugleich
den Speer zu schleudern und den Wurf des Gegners
zu pariren. Die armen Müssgu kämpften nicht allein für ihr
eigenes Leben, sondern gleichsam für ihre Nationalehre. Es
waren grosse, muskulöse Gestalten, die einzeln den Kanembü