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ausgesandt, um die Umgegend zu durchstreifen; sie kehrte
jedoch zurück, ohne irgend Jemanden gesehn zu hahen.
[Sonntag, 2‘«n November.] Endlich erschien der Tag unserer
Abreise von Känem. Sicherlich that es uns sehr leid,
das östliche Ufer des See’s unerforscht lassen zu müssen; aber
wir hatten uns überzeugt, dass der Charakter unserer Mission
uns nicht länger erlaube, unser Geschick' der Genossenschaft
dieser Freibeuter anheimzustellen. Wir hatten einige
Mühe, alles zu unserer Rückkehr Nöthige in Bereitschaft
zu 'setzen; denn die Kameele, die wir auf diesem Zuge mitgenommen
hatten, waren so erschöpft, dass sie nicht im
Stande waren, selbst nur das geringe Gepäck fortzuschaffen,
welches uns gehheben war, und wir hatten zu Scheich Rhet’s
Freigebigkeit unsere Zuflucht zu nehmen. Auch schenkte
er uns 2 Kameele, die wunderbarerweise gerade eben nur
für die kurze Reise bis Kükaua ausreichten; denn das eine
derselben fiel hei unserer Ankunft in der Stadt ein Paar
Schritt vom nördlichen Thore und das zweite in geringer
Entfernung vom südlichen in dem Augenblicke, als wir Kükaua
auf unserer Expedition nach Müssgu verliessen.
Die Karawane, mit der wir unsere Rückreise antraten, war
zahlreich, aber Alles waren Kanemhü, die das Wenige an
Hab und Gut auf Packochsen und ein Paar Kameelen fortschafften,
und ausser uns selbst waren nur 2 Reiter dabei:
Dennoch befanden sich einige angesehene Leute und selbst
einige Frauen unter ihnen, deren übermässiger Schmuck an
Glasperlen einen grösseren Mangel an Bildung beurkundete,
während ihre angenehmen regelmässigen Züge und schlanken
Formen einen lebendigen Gegensatz gegen die hässliche
Physiognomie und die viereckigen Formen der Bömu-Frauen
bildeten. Die Verschiedenheit zwischen den Bömu und Kanemhü
ist höchst auffallend, obgleich es nicht leicht ist, diese
Erscheinung auf historische Weise zu erklären ■— aber wahrscheinlich
ist sie die Folge der grösseren Mischung des nach
Rückreise nach Kükaua. 109
Bömu ausgewanderten Volkes mit den früher hier angesiedelten
Negerstämmen.
Wir waren so glücklich, unsere Rückreise ohne irgend
einen ernstlichen Unfall zu vollenden, obgleich wir. einige
leichte Beunruhigungen hatten. Die erste derselben befiel
uns, als wir uns der Stadt Beri näherten und alle Einwohner
an einer engen Passage in geringer Entfernung von der
Stadt in Schlachtordnung aufgestellt fanden, und im ersten
Augenblick erhob sich ein grösser Alarm auf beiden Seiten.
Aber wir erfuhren bald, dass sie uns für Tuareg gehalten
hätten. Es hatte nämlich kurze Zeit zuvor eine zahlreiche
Raubbande der Letzteren mit etwa 200 Kameelen
und ebenso vielen Pferden alles zu Beri gehörige Vieh fortgeschleppt.
Der Zustand des Landes war so unsicher, dass die Einwohner
Herrn Dr. Overweg ungeachtet seiner ernsthaftesten
Protestationen nicht gestatteten, hier zu bleiben, so dass
er genöthigt war, die Reise in Gesellschaft der Kafla fortzusetzen.
Gewiss, im Falle wir einer leidlich starken Truppe
Tuareg begegnet wären, würden unsere Gefährten uns sehr
wenig Schutz gewährt hahen. Wir waren jedoch so glücklich,
diesen unsicheren Strich Landes gerade zu einer Zeit
zu passiren, wo eben ein Raubzug jener Horden, mit Beute
beladen, seinen Rückweg angetreten hatte.
Ernsthafter war im Anfang ein anderes Zusammentreffen,
als wir eine halbe Tagereise jenseits Ngegimi einer Schaar von
mehr als 40 Büdduma begegneten, die mit Speer und Schild
bewaffnet und nur mit einem Lederschurz angethan waren. Sie
waren damit beschäftigt gewesen, aus den Wurzeln der „ssiwäk”
(Capparis sodata) Salz zu bereiten, und als sie den vorderen
Theil unserer Reisegesellschaft durch den dichten Wald daherkommen
sahen, fingen sie einen Angriff an, so dass Herr Dr.
Overweg und ich gezwungen waren, ein Paar blinde Schüsse
über ihre Köpfe weg zu feuern, worauf sie uns unbelästigt unse