wir lange genug gezögert hatten, überdies die Saat reif war.
Selbst das in langen raupenartigen Gewinden bis zu 15 Fuss
Länge für die trockene Jahreszeit in den Bäumen aufgespeicherte
nahrhafte Sumpfgras ward von der Reiterei mitgenommen
und trotz des Verbotes auch manches zurückgelassene
Zicklein, Huhn und Geräth. Von den Eingeborenen
selbst aber liess sich Niemand ,sehn; Alle, obgleich Unter-
thanen A'disehen’s, hatten es für rathsamer gehalten, ihre
Sicherheit durch schnelle Flucht selbst zu wahren, als sich
der Diskretion dieser ungeordneten und schlecht disciplinir-
ten Heeresmasse zu überlassen.
Der Anblick dieser Raubscenen war um so betrübender,
da das Dorf ein Bild eines gewissen behaglichen Lebens
und seihst eines gewissen Grades von Industrie seiner Bewohner
darstellte. Im Allgemeinen enthielt jeder Hof eine
Gruppe von drei bis sechs Hütten, je nach der Zahljider
Weiber des Eigenthümers. Die Wände der Wohnungen her;
standen ohne eine einzige Ausnahme aus Thon, und aus
demselben Material bestanden in den Gehöften der Wohlhabenderen
seihst die Umzäunungen oder Umschlussmauern,
während die Wohnungen der Ärmeren von leichten Zäunen
aus trockenem Rohr eingeschlossen waren. Die Dächer der
Hütten waren mit grösser Sorgfalt gedeckt, wenigstens ebenso
sorgsam als in irgend einem Dorfe Bómu’s, und sie waren
weit besser als Strohdächer.
Diese Mússgu-Hütten zeigten in der Form
ihrer Giebelung selbst Spuren verschiedener
Style, die vielleicht auf eine gewisse Stufenfolge
im Leben zurückzuführen sind. —
Fast jeder Hofraum schloss ausser den Hütten
und einem grossen, 12—15 Fuss hohen
Kornbehälter aus. Thon noch ein Schatten-
SB dach ein. Die Kombehälter (s. nebenste-
hende Abbildung) haben ein gewölbtes, ebenLager
beim Mússgu-Dorfe Kororn. 159
falls aus Thon bestehendes Dach mit einer aufspringenden
Mündung , welche wiederum von einem kleinen Strohdach
geschützt wird, in der Weise, wie die Skizze zeigt.
Aus den Kornfeldern, die hie und da von schönen
Kürna-Bäumen beschattet waren und überhaupt ein Bild
der Fülle gaben, traten wir gegen Mittag in ganz offenes
Weidesumpfland von ansehnlicher Ausdehnung hinaus, das
durch den Gegensatz des frischen, freien Grasteppichs gegen
das mit hoher, gelbreifer Saat prangende und in Waldung
eingeengte Ackerland einen höchst angenehmen Eindruck
machte. So zogen wir, etwas ansteigend, von den vereinzelten
flachen Wasserpfuhlen auf eine Gruppe grösser, prächtig
sich ausbreitender Bäume zu, welche die Felder vor einem
anderen Dorfe beschatteten. Das Dorf hiess Korom und
gehörte einem dem Adischen untergebenen Häuptling, den wenigstens
die Börnu-Leute „Mai Dabla” nannten, dessen eigentlicher
Name jedoch „Feikärna” oder vielmehr „fei*) Karna”
zu sein scheint; es lag, wie wir gleich sehn werden, in nicht
weiter Entfernung von Kade, der Ortschaft Adischen s, selbst.
Auf diesen Feldern war der Vezier abgestiegen und das
Lager fing an, sich zu bilden. Schon war ein grösser Theil
der überaus prächtigen Karäge-Bäume, die wir hier im
Müssgu-Lande in reicherem Wüchse sahen, als irgendwo
sonst, selbst das Marghi-Land nicht ausgenommen, der ganzen
Krone beraubt, um die grösseren Gezelte von aussen
mit einem Verhacke zu versehen, und in der Folge blieb zu
unserem tiefen Bedauern keiner dieser majestätischen Bäume
verschont. Die grössten derselben hatten etwa 80 Fuss Höhe
und ihre Krone konnte kaum geringeren Durchmesser haben,
aber das Laub ist nicht so dicht und regelmässig abgerundet,
wie bei den Tamarinden — „ngäbore” — (Resina elastica).
Nur die bei ihrem ungeheueren kandelaberartigen Astwerk
*) Die Müssgu-Leute drücken „Fürst” mit „pei” oder „fei” aus.