98 XV. Kapitel.
zerstreut hatte, um Beute zu machen. Ich eilte indess, diese
Nachricht Herrn Dr. Overweg zu bringen, welcher mit den
zu Kameel berittenen Arabern, ja selbst mehreren' zu Pferde,
in grössere Entfernung auf einen Hügel geflüchtet war, wo
sie sich postirt hatten; mehrere dieser feigen Araber hatten
sich nicht geschämt, auf der Flucht ihre Flinten wegzuwerfen.
Ich kehrte dann mit meinem Begleiter zum Dauar zurück,
aber zu unserer grossen Verwunderung fanden wir,
dass nicht allein all’ unser übriges Gepäck verschwunden,
sondern selbst von meinem. Zelte nicht eine Spur übrig geblieben
war.
Die Worhda, nur von dem Englischen Zelte mit seinem
rothen Knopfe und von Scheich Rhet’s Gepäck angezogen,
hatten die Habsehgkeiten der übrigen Leute kaum berührt
und mein Zelt als hübsche Beute auf ihren Köpfen davongeschleppt;
aber die Araber verfolgten sie und nahmen ihnen
den,Rauh wenigstens theilweise wieder ab. Ein Englischer
lederner Sack, der mir gehörte und einige werthvolle
Artikel enthielt, war vom Feinde aufgeschnitten worden,
aber, wie es schien, gerade in demselben Augenblicke, als
unsere Freunde ihn einholten; denn es fehlte nichts darin.
Unser hauptsächlichster Verlust bestand in unserem Kochgeschirr
und unseren Vorräthen;’ meine Journale und Instrumente
hatte ich in meinem Doppelsack gerettet, aber
in der Eile ein kleines Englisches Gebetbuch, das dem verstorbenen
Herrn Richardson gehört hatte, auf meiner Matte
liegen lassen, und diesen Verlust bedauerte ich sehr.
Das Zusammentreffen war, wenn man die geringe Zahl der
Kämpfenden in Anschlag bringt, auf beiden Seiten nicht ohne
ansehnliche Verluste abgegangen; von den Arabern waren
4 auf dem Schlachtfelde geblieben, vom Feinde dagegen 34.
Herr Dr. Overweg war eifrig bemüht, einige unserer Freunde,
welche schwer verwundet waren, zu verbinden. Alle waren
in der äussersten Wuth über die Unverschämtheit , wie sie
Besorgliche Lage der Reisenden. 99
es nannten, mit der „diese Hunde” von Kreda es gewagt
hätten, sie in ihrem eigenen Lager anzugreifen, und sie schwuren,
dass sie nun aufhrechen würden, um all’ ihre Dörfer und
ihr Korn zu verbrennen.
. Wirklich brach alsbald die Reiterei auf, kehrte aber im
Laufe des Nachmittags etwas schweigsam, mit trüben Gesichtern
und ungünstiger Botschaft zurück, und vor Sonnenuntergang
waren unsere Freunde noch einmal genöthigt,
ihr eigenes Lager gegen einen zweiten Angriff der unerschrockenen
Eingeborenen zu vertheidigen; jedoch gelang es
ihnen auch diesmal, den Feind zurückzuschlagen. In diesem
Kampfe zeichnete sich Hallüf vor Allen durch seine Tapferkeit
aus, indem er 3 oder 4 Tebu mit eigener Hand töd-
tete, obwohl er nur mit dem Speer kämpfte.
Ungeachtet dieses kleinen Sieges aber waren die Vorbedeutungen
für die folgende Nacht überaus ungünstig, und
die Ueläd Slimän würden sich unmittelbar aus denj Staube
gemacht haben, wenn sie nicht die Besorgniss gehegt hätten,
dass der grössere Theil im Dunkel der Nacht die Flucht ergreifen
möge und auf eine schimpfliche Flucht grösser Verlust
an Lehen und Eigenthum folgen würde. Demzufolge ward beschlossen,
den nächsten Morgen zum Aufhruch ahzuwarten.
Es war jedoch eine ängstliche und ruhelose Nacht; denn die
Araber hatten die gewisse Nachricht erhalten, dass im Laufe
jener Nacht eine Schwadron von 30— 40 Wadai- Reitern zu
dem Feinde stossen würde, worauf dann ein letzter Angriff
auf sie geschehen solle. Sie waren sich wohlbewusst, vdass
der Feind eben nur aus Mangel an Reiterei geschlagen worden
war. Aus Vorsorge blieben alle Pferde gesattelt, einzelne
Trupps umritten fortwährend das Lager und der Wacht-
ruf erschallte Ununterbrochen durch die Nacht. Der am
meisten Aufgeregte und Furchtsamste von Allen war der Renegat
Jude rAbd Allah; fest davon überzeugt, dass dies seine
letzte Nacht sein würde, war er mit der grössten Ängstlich