der anderen Seite allerdings zugleich einen lebendigen Beweis
ihres Aberglaubens lieferte. Während nämlich die zum Isslam
übergetretenen Bewohner des Sudans in Bezug auf die Bestattung
ihrer Todten überaus nachlässig sind und' die Gräber
nicht hinreichend gegen die wilden Thiere schützen, so dass
die meisten Leichen in wenigen Tagen eine Beute der Hyänen
werden, — hatten wir hier regelmässige Grabmäler vor uns,
mit grossen, schön gerundeten Gewölben gedeckt, deren Gipfel
bei einigen mit ein Paar quergelegten Baumstämmen,
bei anderen mit einer irdenen Urne geschmückt waren. Dieselbe
Art der Verehrung, die von diesen Heiden ihren Vorfahren
gezollt wird, ist in einem grossen Theile Afrika’s vorherrschend,
und wie sehr auch immer die besonderen Gebräuche,
welche mit dieser Verehrung der Vorfahren verbunden
sind, von einander abweichen mögen, so ist doch
überall das Prinzip dasselbe. Aber zu keiner Zeit und bei
keiner Gelegenheit bedauerte ich es mehr, Niemanden zur
Hand zu haben, um mir die Gebräuche dieser Leute erklären
zu können, als damals, wo ich diese Stätten einheimischer
eigenthümlicher Weltanschauung vor mir sah. Die
Urne enthält höchst wahrscheinlich den Kopf des Verstorbenen;
was aber die Baumstämme bedeuten sollten, kann
ich nicht sagen. Es wäre jedoch nicht unmöglich, dass bei
dieser verschiedenen Ausschmückung auf das Geschlecht der
verstorbenen Person Rücksicht genommen wird.
Während ich mich der Anschauung dieses Bildes eines behaglichen,
wenn auch geistig noch so beschränkten, Volkslebens
überliess, vergass ich in dieser Träumerei ganz meine
eigene persönliche Sicherheit; denn der Vezier, der heute,
ohne dass ich es wusste, auf seinem kräftigen Schlachtross
seinen Marsch äusserst schnell fortgesetzt hatte, war weit, voraus
und ich hatte nur eine Handvoll Schüa in meiner Nähe.
Als wir nun aus der dichten Waldung in einen anderen gut
angebauten und dicht bewohnten Gau hinaustraten und in: den
Stoppelfeldern jede Spur eines betretenen Pfades auf hörte,
sah ich plötzlich, dass ich vom Hauptzuge gänzlich abgeschnitten
war. In wilder Unordnung irrten hier einzelne Reiter
zwischen den Zäunen der Gehöfte hierhin und dorthin, während
dort ein Eingeborener in äusserster Verzweiflung sein
Heil in der Flucht: suchte; hier ward ein Anderer aus seinem
Versteck hervorgeholt, dort diente ein oben im dichten Laube
einer „ngäböre” Hockender zum Ziele von Pfeilen und Kugeln;
einzelne Schüsse fielen in verschiedenen Richtungen. Ein kleiner
Trupp Schüa war unter einem Baume versammelt und
suchte ein Rudel geraubten Viehes zusammenzühalten. Umsonst
wandte ich mich an Schüa und Kanöri mit der Frage,
wohin sich der Vezier gewendet; Keiner konnte mir Auskunft
geben. Ich ritt also kreuz und quer durch die Ortschaft, um zu
sehn, ob ich nicht selbst die Spur des Haupttrupps auffinden
könnte, aber die Spuren gingen unbestimmt hin und her.
Verschiedene Trupps, in gleicher Ungewissheit wie ich selbst,
kamen mir entgegen und ich schloss mich einem derselben
an. Einige „libbedi” und Leute des Veziers befanden sich
dabei, aber Niemand wusste, wo der Heerführer war, selbst
nicht der Diener, der den Teppich trug, auf welchen sich sein
Herr bei der Ankunft an einem Lagerplatze niederzulassen
pflegte. Da hörten wir in einiger Entfernung hinter uns eine
Gänga schlagen, und als wir dem Schalle nachgingen, fanden
wir eine ansehnliche Menge Reiter jeder Gattung, gewiss über
1000 Mann, auf einem freien Platze versammelt. Wir hörten
nun hier, dass die Kerdi den Zug an seiner dünnsten
Stelle durchbrochen und dass der Vezier seinen Marsch
eiligst fortgesetzt hätte, der Nachtrab aber sich hier zerstreut
habe. Würden diese armen Kerdi, denen es wahrlich
nicht an Muth fehlt, von erfahrenen Anführern geleitet
und warteten»die rechte Gelegenheit ab, sie könnten in diesen
dichten Waldungen, wo Reiterei nur ein Hemmniss ist,
diesem meist, feigen Tross unendliche Verluste beibringen und