den Waffen, indem wir glaubten, ein Feind sei in’s Lager
gedrungen. Der Ruf: „älä e’ dhabar! äla e’ dhabar!” —■ „in
den Sattel! in den Sattel!” erscholl von allen Seiten und
eine Anzahl Reiter jagte an uns vorüber. Nach allgemeinem
Tumult ergab sich jedoch, dass es nur einige Räuber gewesen
waren, welche in der Abenddämmerung die Kameele angefallen
, zwei oder drei Leute in die Flucht gejagt, einen Reiter
getödtet und einen Theil der Heerde fortgetrieben hatten.
Unsere Freunde setzten den Räubern nach und holten sie bald
ein, worauf sich dieselben mit Hinterlassung ihrer Beute in
das Dickicht flüchteten.
So hatten wir gleich am ersten Tage unserer Ankunft in
dieser kleinen Horde eine Probe von dem Charakter unserer
gegenwärtigen Fahrt. Das Wehklagen der Weiber über den
erschlagenen Mann erscholl traurig durch die Nacht und
mahnte uns an das Geschick, das vielleicht in kurzer Zeit
uns selbst befallen möchte. Spät in der Nacht, als der Lärm
sich gelegt hatte, sandte uns Scheich Rhet eine junge Kuh
zum Geschenk.
[Donnerstag, 2t™ Oktober.] Wir blieben den ganzen heutigen
Tag im Lager und zogen viele werthvolle Auskunft
über den südöstlichen Theil des See’s und die anliegenden
Theile ein*), so dass der Tag sehr angenehm verfloss.
Auch am folgenden Tage fiel nichts Besonderes vor, ausser
dass die wichtige Nachricht eintraf, der in M&ö seinen Sitz
habende Agid von Wadai sei auf die Botschaft von dem von
den Arabern auf jene Stadt beabsichtigten Angriff entflohen.
Diese Nachricht, falls sie sich bestätigte, gab uns einige
schwache Hoffnung auf die Möglichkeit, nach dem östlichen
Seeufer vorzudringen, und die Araber machten demge-
mäss ihre Anschläge. Indem Hadj 'Abbäss, welcher mit uns
gekommen war, um von den Arabern Hadj BeschTr’s Antheil
*) Alle diese Angaben sind im Anhang zusammengestellt.
an der von ihnen auf dem letzten Raubzuge gemachten Beute
zu erheben, in einigen Tagen nach Kükaua zurückzukehren
hatte, so schrieb ich dem Vezier einen Brief hinsichtlich unserer
geringen Aussichten auf die vollständige Ausführung
unseres Planes. Den Rest des Tages genoss ich, behaglich
im Schatten eines Baumes ausgestreckt, der Ruhe, welche
jedoch durch Zänkereien unter meinen Leuten sehr gestört
wurde.
[Sonnabend, Oktober.] Früh am Morgen, als Alles noch
stille war, erweckte mich der wehmüthige Gesang eines Arabers,
welcher zwischen den Strophen seines Liedes sich den
Thränen hinzugeben schien. Dieser tief gefühlvolle Gesang,
welcher so unerwartet inmitten dieser zügellosen Horde, wo
gemeiniglich nur die niedrigeren Eigenschaften des Menschen
zum Vorschein kamen, sich vernehmen liess, übte auf mich
einen grossen Reiz aus; da jedoch der Sänger von meinem
Zelte etwas entfernt war, so konnte ich nicht verstehen, was
seinen Gram veranlasst habe, erfuhr es auch nachher nicht.
Denn ein anderer Gegenstand, der aber vielleicht gerade im
Zusammenhang mit dem Gram des Sängers stand, hatte
die Aufmerksamkeit der Araber erregt. Die schönste unter
den Sklavinnen, welche einen Theil der dem Vezier von
dessen Beamten Hadj 'Abbäss zu überbringenden Beute ausmachten,
war während der Nacht entflohen; man hatte vom
frähesten Tageslichte an Nachsuchungen angestellt, aber sie
waren erfolglos geblieben. Endlich entdeckte man ihr Halsband,
ihr Gewand und Überreste ihrer Gebeine — sie war
den Raubthieren zur Beute gefallen. So hiess es wenigstens.
Die schöne Sklavin gehörte zu den Yedinä oder Büddumä
und soll grosse Reize besessen haben. Man glaubte, dass ihr
Verlust den Vezier sehr betrüben würde, welcher, wie ich bereits
erwähnt habe, ein grösser Liebhaber ethnologischer Man-
nichfaltigkeit weiblicher Schönheit war. Diese Angelegenheit
veranlasste vielen ärgerlichen Wortwechsel, da das Mädchen
B&rth's Belsen. III. 9