Abends im vollständigsten Déshabillé vor den Augen seiner
Leute zu seinen Sklavinnen, deren er 200 habe. Dies schien
allerdings nicht blosse Verleumdung zu sein, da es auch
schon früher der gemüthliche Kaschélla BeM berichtet hatte,
der bei ihm zu Gaste gewesen war. Beläl erklärte zugleich,
dass er es versucht hätte, ihn von dieser Unsitte abzubringen,
aber vergeblich. Es ist auch sehr möglich, dass dieser kleine
Herr, der die Sache seiner Landsleute verrathen hat, um
sich die Gunst seiner Gebieter zu erwerben, wie sie behaupten,
ihnen gelegentlich, wenn sie ihn besuchen, den Niessbrauch
seiner Sklavinnen erlaubt, und dass er sich ihnen überhaupt
so verächtlich wie möglich macht. Davon aber dürfen
wir nicht auf die Sitten dieser Leute überhaupt schliessen;
wir werden sehr bald einen höchst entwickelten Sinn für
Häuslichkeit bei ihnen finden, obgleich es sich von selbst
versteht, dass sie das geschlechtliche Verhältniss ganz vom
natürlichen Standpunkte nehmen und, sowie sie ihre Schaam
nicht vor einander verhüllen, auch keinen Grund sehn, sich
bei geschlechtlicher Vermischung in das Dunkel der Heimlichkeit
zurückzuziehen.
[Freitag, 19tm Dezember.] Die Feldlandschaft, durch die
unser Weg führte, als wir am Morgen unseren Lagerplatz ver-
liessen, war über alle Maassen lieblich und luftig und ganz
für Hirtenstämme, wie die Schüa und Fulbe sind, geeignet;
aber auch Spuren von Landbau, ja selbst von Baumwollenfeldern
fanden sich. Dann trat Dümgebüsch — „ngille” —
auf, das wir seit der Umgebung von Kükaua fast gar nicht
zu Gesicht bekommen hatten, und weiterhin beherrschten
stolze Dümpalmen die anmuthige freie Landschaft, durch die
der „kebü” in langgestreckter Schlachtordnung —- „bäta” —
und in mannichfach gruppirten und bunt gekleideten Haufen
dahinzog: die schwere Kavallerie in ihren dick wattirten
Röcken oder Panzerhemden und Kettenpanzern mit in der
Sonne glitzernden Helmen, unter ihrer eigenen Last fast erliegend;
der leicht gekleidete Schüa auf hagerem aber abgehärtetem
Rappen und nur mit einer Handvoll Wurfspeere
bewaffnet; der eingebildete, selbstgefällige fürstliche Sklave in
seinen seidenen Toben; die halbnackten Kanembü-Speerleute
mit Schild und Speer, ihrem halbzerrissenen Schurz und ihrer
Berberischen Kopftracht, und in der Ferne der Zug der
Kameele und Lastöchsen, — Alles voll Muth und in der
Erwartung reicher Beute den unbekannten Landschaften im
Südosten zustrebend.
Es war ein herrliches Gefühl der Freiheit, das mich beseelte,
als ich auf meinem muthigen Streitross in der schönen
Morgenbeleuchtung durch diese weite, unabsehbar sich
hinstreckende und doch so reich geschmückte Ebene zur
Seite dieser bunten Heerschaar dahinzog. Noch hatte kein
Blut dieses Heer besudelt und Schaaren unglücklicher, ihrer
Heimath entrissener und in die Knechtschaft geführter
Sklaven waren noch nicht mit den Reihen der Krieger gemischt.
Wohlgemuth zog Alles dahin nach Südost, den selbst
ihnen meist unbekannten Gegenden zu. Dann und wann belebte
sich der Heereszug, wenn eine Gazelle aufsprang und
scheu zwischen die einzelnen weit zerstreuten Gruppen ge-
rieth, wo dann leichte Kanembü-Schildträger und Schüa-Rei-
ter mit ihren Lanzen hinter der ihren Gaumen reizenden Beute
hinterdrein waren und der tausendfach wiederholte Ruf:
„kolle, kolle” („lass ab, lass ab”, nämlich sie gehört schon
uns), „göne, göne” („greif zu, greif zu”), von einem Trupp zum
anderen erscholl; oder wenn ein schwerfälliges, feistes Perlhuhn,
aus dickem Busch aufgeschreckt, über die Köpfe dahinflog,
alsbald gezwungen, sich wieder niederzulassen, und so
nach vergeblicher zaghafter Flucht die Beute seiner Verfolger
wurde, oft in mehrere Stücke zerzaust.
Die weit offene Gegend schien in weite Ferne zu locken,
aber auch heute war der Marsch nur von kurzer Dauer, und
schon vor 8 Uhr Morgens waren wir daran, unser Lager