'Omar, sein Oheim, der sich von Jugend auf religiöser
Übungen befleissigt hatte und ein Merähet genannt wurde,
hatte eine zahlreiche Partei, und ausserdem gab es mehrere
Männer unter ihnen, welche sich für ebenso wichtig hielten,
als ihren Häuptling. In Ermangelung persönlichen Einflusses
konnte also Rhet mit seiner kleinen, im Ganzen nur 250
Reiter zählenden Rotte nur geringe Erfolge erzielen.
Alle in Känem und den umliegenden Landschaften angesiedelten
Stämme waren ihre natürlichen Feinde: die Noreä
oder Nuärma und die Schendäköra und Medema, die Ssä-
kerda und die Karda im Bahhr el Ghasäl, die Bültu, die
Worhda, die Ueläd Raschid, die Diggana oder Daghäna,
die Ueläd Hamid, die Hommer und die MähamTd in Churmä,
sie alle sannen auf ihre Vernichtung, während sie nur in den
Lasälä oder el Asälä jenseits Karkä oder Kargha und in
dem Kanemhü- Stamme der Fugäbü Anhänger hatten. Alle
benachbarten Stämme legen ihnen den Namen „Minneminne”
oder „Menemene” („die Fresser”) bei, und dieser Name, obgleich
aus der Völlerei dieser Araber entstanden, lässt sich auch
ganz passend auf ihr räuberisches Wesen beziehen*).
Im Verlaufe dieser Auflösung und kleinen Umtriebe legten
sich die Achtbarsten unter ihnen auf den Handel, während
Andere in ihre ursprünglichen Sitze heimzukehren trachteten,
und als ich Bornu im Mai 1855 verliess, hatte sich der Rest
der kleinen Horde in zwei gesonderte Lager gespalten, und
die Auflösung oder der gänzliche Verfall der Gemeinde stand
nahe bevor.
Diese Horde war es denn, mit der, um die Zwecke unseres
Unternehmens so weit es uns nur irgend möglich war, zu erreichen,
Herr Dr. Overweg und ich unser Geschick zu verbinden
genöthigt waren; aber unglücklicherweise fehlte es uns
an dem wesentlichsten Mittel, um ein mehr als gewöhnliches
*) DieTebu nennen sie „Erdi mädß” („die rotben Feinde”) oder „YögodS”.
Interesse für unsere Personen oder die Zwecke unserer Sendung
zu erregen, nämlich an werthvollen Geschenken.
Während unsere Leute die Zelte aufschlugen, gingen
wir zum Scheich Rhet und zu'Omar, um unsere Aufwartung
zu machen und uns mit ihnen, ehe wir zu ernstlicheren
Geschäften schritten, freundschaftlich zu besprechen. Sie
schienen dies auch erwartet zu haben, indem sie sich im
Schatten eines Baumes in geringer Entfernung von unseren
Zelten niedergelegt hatten. Rhet, welcher aus einer langen
Pfeife, nach Weise der Türken, rauchte, war ein leidlich hübscher
junger Mann, hatte aber eine mangelhafte Aussprache
und nichts Gebietendes in seinem Wesen. Nachdem wir die
gewöhnlichen Komplimente gewechselt und einige allgemeine
Fragen hingeworfen, gingen wir wieder fort und erhielten
bald darauf ein Geschenk von Datteln und Milch.
Sehr viele von den Arabern machten uns einen Besuch,
und ein Renegat-Jude aus Tripoli, 'Abd ARah, mit dem Beinamen
„el Mussulmäni”, schien uns nicht einen Augenblick
verlassen zu wollen, indem er uns fortwährend von seinen
Abenteuern erzählte und seine Wichtigkeit andeutete, auch
uns seiner uneigennützigsten Ergebenheit zu versichern nicht
verfehlte. Obgleich seine frühere Religion von der unseri-
gen verschieden war und er diese wieder mit einer anderen
aus blos weltlichen Rücksichten vertauscht hatte, so hielt er
sich doch für berechtigt, eine Art Verwandtschaft mit uns
zu beanspruchen und hatte die Geneigtheit, uns mitunter
seine Vettern (Ueläd ämi) zu nennen. Noch war hier ein
anderer Mann, welcher sich uns zuvorkommend zu erweisen
und in unsere Freundschaft einzusclileichen suchte; dies war
ein Egyptier Namens Ibrahim, ein schöner schlanker Mann,
welcher augenscheinlich ursprünglich von guter Familie, war;
er war jedoch von Hause entflohen und führte nun in dieser
Genossenschaft ein rastloses, beschwerliches und reuevolles
Leben.