YI. KAPITEL
D ie G r e n z l a n d s c h a f t e n d e r Schüa.
[Sonnabend, 6‘>™ Dezember.] Endlich verliessen wir unser
Lager bei Diköa, — noch immer in vollständiger Ungewissheit,
ob es gegen Mändara (Wändala) ginge, da sich der
Sultan dieses kleinen, aber von Berggruppen gut beschützten
Landes noch immer nicht unterwerfen wollte. : Die von dort
herkommenden Gerüchte waren in der That der verschiedensten
Art, und einen Augenblick war der kleine Herr jenes
Landes wie es schien — wirklich zum Widerstande
entschlossen und hatte sich auf die Berge zurückgezogen, zu
grösser Beunruhigung Hadj Beschir’s, der mich und Herrn
Dr. Overweg angelegentlich fragte, was nun zu thun sei und
wie man den Feind mit der Reiterei auf den Bergen angreifen
könne. Denn die Stärke der Kanöri, so viel sie davon
noch besitzen, beruht fast allein auf ihrer Reiterei, da die
frühere Vortrefflichkeit der Kanembü- Infanterie, welche nur
auf der enthusiastischen Anhänglichkeit zu ihrem Führer
bestanden zu haben scheint, längst (mindestens seit dem
Sturze der alten Dynastie) verschwunden ist-, und am wenigsten
konnte der Vezier bei diesen Leuten Sympathie finden,
da der grösste Theil von ihnen eine entschiedene Vorliebe
für Ahd e’ Rahmän hatte. Die Berghöhen Mändara’s,
soweit ich sie aus Denham’s Beschreibung kannte und nach
dem, was ich von den westlich angrenzenden Höhen auf
meiner Reise nach Yöla gesehn hatte, schienen allerdings
für Kavallerie nicht zugänglich zu sein, ja kaum für eine so
unbeholfene und des Bergsteigens ungewohnte Infanterie, wie
die fast nur an Ebenen gewöhnten Kanembü und Kanöri
sind.
Das ganze Land war, als wir am Morgen auf brachen, in
dichten Nebel gehüllt und dadurch wurde die Passage des
Komadugu, welche im ganzen Heere eine grosse Stockung
verursachte, um so schwieriger. Wir hatten dann einen
dichten, aus Blto’s (Balariites Aegyptiacus) und Kindlns
(Mimosa) bestehenden Wald zu passiren und hierauf wurden
wir zur Linken eine umwallte Stadt gewahr, über deren
Mauern reichkronige Bäume anmuthig herüberragten; es
war Äfage, eine ansehnliche, jedoch hinter Diköa zurückstehende.
Stadt. Nach nur kurzer Unterbrechung folgte ein
anderes Städtchen zur Rechten, Namens Kodege, dessen
Mauern sich jedoch in gänzlich verfallenem Zustande befanden;
ihre Breschen waren augenblicklich dicht mit Zuschauern
und Zuschauerinnen besetzt.
Schon zu früher Stunde lagerten wir uns westlich von S6-
gomä, einer anderen ummauerten Stadt; aber der Lagerplatz
war, wie es schien, etwas sonderbar gewählt, da es
hier kein Wasser gab und die Pferde desshalb insgesammt
nach Afage zur Tränke zurückgeführt werden mussten.
Ich hatte kaum mein Zelt aufgeschlagen, als der grausame
Polizeiminister Lamino — „kärgo dibhi, kindi dibbi”,
wie sich Hadj Edriss über ihn ausdrückte — einen grossen
Raubmörder Namens Barka-ngölo, der mit seinem Nacken
in die schwere, 4—5 Fuss lange Holzklemme gespannt war,
mir vorführen und ihn zu seiner und, wie er meinte, auch
meiner Belustigung sich mit einem anderen ebenso eingeklemmten
Sträfling gegenseitig durchpeitschen liess. Um ihn
los zu werden, beschenkte ich ihn als Anerkennung für die
verschiedenen Gerichte, welche er uns gelegentlich zuschickte,
mit einer ansehnlichen Menge Nelken für seine in der Koch-
Barth's Kelsen. III. 18