III. KAPITEL.
D i e H o r d e d e r TJel ad S l imä n .
So hatten wir nunmehr unser Geschick mit demjenigen
dieser Rotte von Freibeutern verknüpft. In Folge ihrer wilden,
ruhelosen Lebensweise waren sie aus ihren ursprünglichen
Wohnsitzen an derSyrte*) vertrieben worden und hatten
sich nach einer langen Reihe abenteuerlicher Erlebnisse endlich
unter der Führung Mohammed’s, Sohnes 'Abd el Djelil’s, in
diesem Grenzlande zwischen der Wüste und den fruchtbaren
Strichen des Sudans auf den Trümmern des alten Königreiches
Känem niedergelassen, wie in ganz entsprechender
Weise in der westlichen Hälfte der Wüste die Ueläd Ammer
(die Ludamar Mungo Park’s) auf den Trümmern des Reiches
Melle ihre räuberische Macht begründet hatten. Damals
zählten die Ueläd Slimän eine beträchtliche Mannschaft und
konnten, da sie aus allen Araber-Stämmen vom Rif bis
Fesän grossen Zuzug von Abenteurern hatten, 900—1000
Mann Reiterei in’s Feld stellen. Sie wandten nun ihre Aufmerksamkeit
unseren Freunden, den Kel-owi,'zu und fingen
an, deren Kameele, welche den Salzhandel von Bilma betrieben,
als Raub davon zu führen. Jene Salzkarawanen
sind, wie der Leser sich aus dem früher Angeführten erinnern
wird, immer von sehr bedeutender Stärke; doch ist
*) Ich verweise hier nur auf die lebhafte Beschreibung, welche Capt. Lyon
|§N a rra tiv e , p. 54) von der früheren Macht dieses Stammes gibt.
es fast unmöglich, der uns von mehreren Personen gemachten
Angabe unbedingt Glauben zu schenken, dass die Ueläd
Slimän den Tuareg innerhalb 2 oder 3 Jahre über 30,000
Kameele abgenommen hätten, ja nach Einigen sogar 50,000.
Wären sie auf diese Weise auch nur eine kurze Zeit lang fortgefahren,
so hätten sie in ganz Inner-Afrika eine unermessliche
Umwälzung hervorgebracht; denn die Kel-owi würden nach
dem Verlust ihrer Kameele Haussa nicht länger mit Salz haben
versehen und ohne Salz nicht länger den für ihr Bestehen
nothwendigsten Bedarf eintauschen können; sie hätten
sich also entweder dem Hunger-.preisgeben, oder mit Gewalt
in den Besitz fruchtbarerer Bezirke von Sudan setzen
müssen. Aber bevor sie noch zu jenem Äussersten getrieben
wurden, ermannten sie sich zu einer kräftigen Anstrengung
gegen ihre Feinde, und dies geschah mit Erfolg; denn, alle
Mannen in den verschiedenen Stämmen von Air oder Asben,
ja selbst viele der umherwohnenden Stämme aufbietend,
versammelten sie ein Heer vpn wenigstens 7000 Mann, hauptsächlich
zu Kameel, jedoch auch mit Einschluss einer zahlreichen
Reiterei zu Pferde, und zogen nun, im Anfänge des
Jahres 1850, heran, um den Löwen in seiner eigenen Höhle
anzugreifen.
Ich bin geneigt anzunehmen, dass die Bomauer hierbei
die Hand im Spiele hatten; wenigstens konnte die Nachbarschaft
einer kriegerischen und ruhelosen und dabei so
zahlreichen Horde, wie die Ueläd Slimän sie damals unter Mohammed’s
Führung bildeten, keinem irgend umsichtigen und
vorsichtigen Machthaber in Bornu gänzlich gleichgültig sein.
Freilich, seitdem die Macht Börnu’s dermassen abgenommen
hat, dass es den täglichen Übergriffen der Tuareg nicht
selbst hinlänglich Widerstand leisten konnte, war es für seine
Machthaber von grossem Nutzen, einen starken und kräftigen
Verbündeten zu besitzen, um jene in Zaum zu halten, aber
dieser durfte keineswegs selbst wieder gefährlich werden.
Barth's Reisen. III. 8