88 IV. Kapitel.
genbefehl kam, wir sollten bleiben, wo wir wären. Das Gepäck
ward also wieder abgeladen, als plötzlich wieder der
Befehl erlassen wurde, aufzubrechen.
Diese Befehle und Gegenbefehle schienen ihren Grund eher
in der ungenügenden Kriegszucht der gesetzlosen Bande zu
haben, wo jeder Mann von einiger Erfahrung und ein wenig
Tapferkeit etwas zu sagen hatte, als in der Absicht, einen etwa
lauschenden Spion irre zu führen. Aber was immer die Ursache
gewesen sein mag, es war höchst unangenehm und ich konnte
meine beiden Leute, Bü-Sed und Ahmed, die sich eben nicht
durch Energie auszeichneten, kaum dazu bewegen, ein zweites
Mal mein Kameel zu beladen, während sich alles übrige
Volk mit grösser Rüstigkeit zum Marsche bereit machte und
davonzog, sobald es fertig war. Die Folge davon war, dass
ich mit meinen Leuten von Anfang an hinter der übrigen
Schaar zurückblieh. Dazu kam nun aber unglücklicherweise
noch, dass das Gepäck so schlecht gepackt war, dass, als
wir uns nun endlich vorwärts bewegten, mehrere Stücke herabfielen
und wieder zurechtgelegt werden mussten. Da dies
nun mehr als einmal der Fall war, ward der Zwischenraum,
der mich von der Heerschaar trennte, so gross, dass zuletzt
nicht einmal das leiseste Geräusch von ihr zu uns drang, um
die Richtung unseres Marsches danach zu bestimmen, so dass
ich nur im Stande war, meine Leute nach den Sternen zu leiten
; denn zur Kompassbeobachtung war es zu dunkel. Um die
Sache noch schlimmer zu machen, war der Boden mit hohem
Gras bedeckt und es desshalb nicht möglich, in schnellem
Marsche vorzudringen. Der Baumwuchs war hier spärlich.
Endlich wurden die Araber gewahr, dass ich zu weit zurückgeblieben
war, und es gelang Herrn Dr. Overweg’s Vorstellungen,
sie zu bewegen, um Mitternacht einen Halt zu
machen, wo ich sie denn einholte. Wir erleichterten dann
die Bürde des Kameeles und setzten unseren Marsch in angestrengtem
Schritte durch die dunkele Nacht fort. Die fer-
Raubgier der Trossbuben. 89
nen F euer, welche die Dunkelheit einigermassen erhellten, gaben
uns zugleich ein Vorgefühl des ernstlichen Widerstandes,
den wir finden würden.
; [Sonnabend, 18** Oktober.] Etwa 2 Uhr Morgens, wo wir höheres
Terrain erreichten, stiegen wir ab und legten uns neben
unseren ermüdeten Pferden nieder, um ein Stündchen Ruhe zu
gemessen. Dann setzten wir, stets in derselben südöstlichen
Richtung, unseren Marsch mit grösser Rüstigkeit etwa eine
Stunde lang fort, wo wir auf gewelltem und mit Gebüsch
dicht bewachsenem Sandboden einen kurzen Halt machten.
Die Reiterei sprengte hier vorauf, während Herr Dr. Overweg
und ich mit dem Packtross zurückblieben.
Hierbei waren 60 bis 70 Kameele, beritten von jungen
Leuten und nicht über 10 Jahre alten Knaben, die mit so
grösser Begierde auf Beute lauerten, dass sie nur mit Mübe
von einigen der erfahrenen Krieger, die absichtlich zurück-
■ gelassen worden waren, zurückgehalten werden konnten. Endlich
rückten wir langsam vorwärts, mussten aber bald zum
zweiten Mal Halt machen, da sich nicht ein einziger Schuss
hören liess, um uns zu leiten; als aber der Tag dämmerte,
liessen sich die raubgierigen Buben nicht länger zurückhalten
und es ging vorwärts.
Hier hatten wir vor uns eine schwache Ansicht einer unregelmässigen
Thalbildung im Schmucke einiger wenigen Pal-
.men, die in der unstäten Beleuchtung der Morgendämmerung
der Landschaft einen interessanten und ganz neuen
Charakter verliehen. Indem wir dann diese Thalebene durchschnitten,
stiegen wir gemach auf höheren Boden hinan und
erreichten ein kleines Dorf, dessen Hütten sich jedoch durch
Geräumigkeit auszeichneten. Um die Bandé zusammenzuhalten,
wandten wir uns von diesem Dorfe nördlich ab, aber
die am bestén Berittenen, und Verwegensten stürmten doch auf
ihren leichten Mehära davon, um zu sehn, ob in dem verlassenen.
Orte etwas für sie zurückgelassen, wäre.
Barth's Reisen. III. 1 2