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146 ÜBER DIE VEGETATIONSLINIËN
B e i s p i e l e südlicher Vegetationslinieii,
Cornus suecica L.
Artemisia rupestris L.
Lo])elia Dortmanna L.
Südlichste Fundorte.
im nordwestlichen
Deutschland.
im europäischen
Russland.
54" Ammerland.
52" Artern.
im nordöstlichen
Deutschland.
54" Ülzen, Hinterpommeni,
54" Pensa. (Led.)
5 2 S a r a t o w an der Wolga.
[Led.)
54" Nowogrodek in Lithauen.
(Eichw.)
Es würde aus gleichen Gründeiij wie für die südlichen Areale, geschlossen
werden können, dass ein bestimmtes Maass solarer Wärme
gewisse Pflanzenarten auf den Norden einschränke. Allein gerade sie
werden uns zum Prüfstein, dass dieser Einfluss das Verhältniss nicht
ganz allgemein ausdrückt. Die Lebensreize, von deren Einwirkung
eine bestimmte Bildungsform vegetabilischer Organismen abhängt, sind
tlieils als qualitative Grössen zu fassen, deren Überschreitung sowohl
im positiven als negativen Sinne ihrer Ausbreitung auf der Erdoberfläche
ein Ziel setzt, theils stehen sie Grenzwerthe dar, gegen deren
Verminderung die Pflanze nicht weniger empfindlich ist, ohne jedoch
von ihrer Steigerung in gleichem Grade afficirt zu werden. Zu den
qualitativen Lebensbedingungen gehört z. B. die Vertheilung der
Wärme über die Vegetationszeit, in welcher jeder Ordinate der Jahreskurve
eine bestimmte Entwickelungsphase des Organismus entspricht:
eine Veränderung der Ordinaten über ein gewisses Maass hinaus, sei
es eine stärkere oder schwächere Krümmung der Kurve, müsste das
normale Wachsthum einer Pflanze beeinträchtigen. Eben so wäre eine
bestimmte Tageslänge als qualitativer Reiz zu betrachten, insofern der
Wechsel beider Respirationsakte bei der Pflanze absolut daran gebunden
ist: ein bestimmtes Verhältniss zwischen der Dauer des Lichtreizes
und der Entziehung desselben kann für gewisse Pflanzen in einem nothwendigen
Bezüge zu ihrem Ernährungsprocesse stehen. Das Kälteextrem
hingegen ist in diesem Sinne eine quantitative, nur in der einen
Richtung bedeutsame Lebensbedingung, indem nur die höhere Steigerung
, nicht aber eine Milderung winterlichen Frostes einem Gewächse
sein Areal vorzeichnet. Westliche Pflanzen müssen da ihre Ostgrenze
finden, wo sie erfrieren würden, aber östliche Pflanzen sind nicht deshalb
vom \\'esten ausgeschlossen, weil die Winter des Westens wärmer
DES NORDWESTLICHEN DEUTSCHLANDS, 147
sind. Eben so leuchtet es ein, dass eine gleiche solare Wärme, das
heisst gleiche Wärmesummen, welche die Pflanze von der Sonne empfängt,
d i e s e l b e sehr wohl gegen Norden begrenzen können, schwerlich
aber nach Süden, weil nichts unwahrscheinlicher wäre, als dass
nördliche Gewächse an ihrer Südgrenze das Maximum der Wärmesumme,
das sie ertragen können, schon erreicht hätten. Durch solche
Betrachtungen sind wir genöthigt anzunehmen, dass diese Südgrenze
von einem Einflüsse anderer Art abhängig sei, und da die solare Warme
der einzige klimatische Werth ist, der den Parallelkreisen des Äquators
genau entspricht, so frägt sich, inwiefern die Vertheilung derselben m
höheren Breiten eigenthümlich sich verhalte. So finden wir denn m
der V e r l äng e rung der Tage, welche eine den Norden bezeichnende,
qualitative Vertheilungsweise der solaren Wärme, sowie durch
den Lichtreiz auch der beiden wechselnden Akte des Ernährungsprocesses
über die Vegetationszeit zur Folge hat, dasjenige Moment,
wovon die Beschränkung einzelner nördlicher Pflanzen auf bestimmte
Breiten abhängig gedacht werden kann.
Bei den Arealen w e s t l i c h er und ö s t l i che r Pflanzenformen
unseres Gebiets stellt sich allgemein heraus, dass ihre Vegetationslinien
sich nicht nach Meridianen absondern, sondern die letzteren unter
entsprechendem Winkel und zwar gewöhnlich in dem Smne durchschneiden
, dass sie der deutschen Nordseeküste mehr oder minder
parallel verlaufen. Die östlichen Pflanzen verschwinden an einer Nordwestgrenze,
diewesthchen an einer Südostgrenze. Schon in diesem
Verhältniss lässt sich der Einfluss des Seeklimas auf die Vertheilung
der Pflanzen nicht verkennen. Das Meer, welches die Vegetationszeiten
verlängert und deren Temperaturextrem vermindert, duldet m
seiner Nachbarschaft die continentalen Gewächse nicht, die ohne Frühling
in den warmen und kurzen Sommer Russlands hineinzuwachsen
organisirt sind. Die westUchen Pflanzen wiederum scheuen das excessive
Klima des Binnenlandes und können dessen Winterkälte nicht
ertragen. Den allgemeinsten Ausdruck dieser klimatischen Gegensätze
enthalten die Linien gleicher Temperaturextreme, oder, wie sie Quetelet
nennti die Linien gleicher Temperaturvariation (lignes d'égale variation
annuelle du thermomètre), welche er durch gleiche mittlere Wärmewerthe
des kältesten und des wärmsten Monats bestimmt. In unserem
Gebiete verlaufen sie ebenfalls aus Nordost nach Südwest der Küste
Queteiet, sur le climat de la Belgique. Bruxelles 1846 (Karte).
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