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schiede finden darin eine geologische Erklärung, dass die Hochflächen
wesentlich aus atmosphärischen Fornaationen gebildet wurden, in den
steilen Gebirgsspalten hingegen durch das fliessende Wasser die Thäler
sich nicht füllen, sondern der Detritus, fortgeführt, zuletzt in entfernten
Alluvionen und am Meeresgrunde sich ansammelt. An der indischen
Seite des Himalaya kennt man in der That die tiefsten Erosionen in
den Flussbetten; der Kuenlün hingegen wird von einem dürren Plateau
. dem höchsten Centralasiens^ begleitet- Dies ist nach v. Richthof
cn das älteste Gebirge Centraiasiens : hier sind also die längsten
geologischen Zeiträume vergangen, seitdem im trockenen Khma von
Tibet, wo die Ströme weniger Wasser empfangen und langsamer in
den Hochthälern dahinfliessen, die Kämme und Gipfel durch Verwitterung
und Gletscher abgetragen, mit ihrem Detritus die Tiefen bis
zum südlichen Randgebirge ausfüllen und das ebene Hochland allmählich
aufbauen konnten. Hier haben wir ein hervorragendes Beispiel
vor Augen, wie die Geologie auf die physische Geographie eingreifend
einzuwirken vermag, bis zu den letzten Ursachen die Geheimnisse der
plastischen Gestaltung aufdeckend, oder doch den Weg zeigend, auf
dem die thatsächhchen Beweise gefunden werden können. Denn noch
niemals war eine Lösung des Problems versucht worden^ wie es komme,
dass die meisten Hochländer der Erde von Randgebirgsketten eingefasst
werden: nun aber erkennt man, dass, wo überhaupt Hebungslinien
verschiedener Richtung einen inneren Raum mehr oder weniger
vollständig umschliessen, diesem ein trockenes Klima zu Theil wird,
weil die vom Meere gespeisten Wolken sich an der äusseren Böschung
entladen, und auf dem dürren Boden sodann^ wo das spärliche Wasser
kein kräftiges Gefälle hat, die Bewegungen der Atmosphäre den Detritus
anhäufen und bewirken ^ dass zuletzt eine Hochebene heranwächst.
Hier ei'schliesst sich ein weites Gebiet für künftige Forschungen^
die zu entscheiden haben, ob wirldich das tibetanische und
andere Hochländer nach Art des Löss aus atmosphärischen Formationen
gebildet sind. Dies anzunehmen, standen Richthofen seine
Beobachtungen am Rande der Gobi zu Gebote und er bemerkt selbst,
dass in den flachen Steppen sich selten eine Gelegenheit bietet, das
Innere des Erdbodens aufgeschlossen zu sehen.
Schwerlich würde er auch selbst der Meinung sein, dass jedes
Hochland aus atmosphärischen Formationen hervorgegangen sei. Aus
Stolitczkcis Entdeckung von Kreidemuscheln bei Yarkand folgert er
(S. 106), dass das Tarymbecken, der westliche Abschnitt der Gobi
und wahrscheinlich auch ein Theil der Mongolei in der Periode jener
Ablagerungen vom Meere bedeckt gewesen seien. Die flachen Mulden
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der Gobi oder jene schiefen Ebenen, die so sanft geneigt sind, dass
sie den Reisenden keine Änderung des Niveaus erkennen lassen, wie
sie gewissen Lösslandschaften eigen sind, können an sich nicht als
Beweis atmosphärischen Ursprunges gelten. Im ruhenden Wasser
lagern sich die Stoffe in derselben Weise ab, und nur durch den nachhaltigen
Trieb der Strömungen in den Flüssen entstehen die tiefen
Erosionen, die der alpinen Scenerie ihren Reiz geben. Der Meeresgrund,
wo die Ströme nach Dante's Ausdruck ihre Ruhe suchen, zeigt
eine ähnliche Gestaltung wie die Oberfläche einer Lösslandschaft.
In V, Richthofeyis geologischen Ansichten über den Ursprung der
Steppenvegetation treten andere Verhältnisse noch mehr in den Vordergrund
als die Plastik des veränderlichen Niveaus, aber stehen damit
doch im engsten Zusammenhange. Nach ihm sind dieUmwandelungen,
welche die Circulation des Wassers zum Meere oder dessen Zurückhaltung
im Binnenlande erleiden, in erster Linie in Betracht zu ziehen,
die geographische Bedeutung der asiatischen Landschaften, ihre Gliederung
in Steppen- und Culturgebiete des Ackerbaues ist hiervon abzuleiten.
Thomson war wohl der Erste, der auf seiner Reise nach Tibet
aus dem Vorkommen der Schalen von Süsswasser-Mollusken an salzigen
Seen nachwies, wie leicht sich dort Flüsse, die das Salz zum
Meere führen, in abflusslose Gebiete, wo das Wasser salzig bleibt, verwandeln
können. Hemmungen des Stromlaufes erfolgen durch Erhebungen
des Thalbodens oder durch Gebirgstrümmer: wie viel häufiger
aber werden solche Änderungen da eintreten können, wo der
atmosphärische Staub den Boden erhöht oder der Einsturz des Löss
dem Wasser einen bis dahin verschlossenen Ausweg zum Meere öffnet.
Solchen Vorgängen in einer unbestimmten Vorzeit verdankt nach
Richthofen das nördliche China seine Fruchtbarkeit. Als abflussloses
Gebiet mit salzhaltigem Boden war es einstmals Steppe, wie die Gobi;
durch die Flüsse, die einen Ausgang zum Meere fanden, sind die alkalischen
Salze entfernt worden, die, im. Übermaass angesammelt, den
Ackerbau ausschhessen. Somit könne auch den Steppen, die jetzt nur
von Nomaden bewohnt werden, in der Zukunft ein besseres Loos zu
Theil werden.
Man sieht, dass hier Salzgehalt des Bodens und Steppenvegetation
als gleichbedeutende Werthe oder vielmehr als Ursache und Wirkung
zusammengestellt werden. Auch ist ja eine Thatsache, dass in allen
Steppengebieten beider gemässigter Zonen neben den Grassteppen
auch Salzsteppen vorkommen: die ersteren würden vom Verfasser
wohl als bereits mehr oder weniger ausgelaugte Abschnitte eines ursprünghch
abflusslosen und daher salzhaltigen Gebietes gelten, als ein
A. G r i s e b a c h , Gesammelte Schriften. 38