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BERICHTE ÜBER DIE FORTSCHRITTE
dass keine der 24 arktischen Arten im Süden wiederkehrt. Diese Ergebnisse
sind für die Annahme selbstständiger arktischer Schöpfungscentren
entscheidend und werfen kein günstiges Licht auf die Meinung
derjenigen, die die alpine Vegetation als die Überbleibsel einer Kälteperiode
, der die ganze Erdkugel unterworfen gewesen sei, betrachtet
haben. Martins^ der solchen Ansichten geneigt ist, führt selbst eine
wichtige Beobachtung an, aus w^elcher sich zu ergeben scheint, dass die
physischen Vegetations-Bedingungen in den Alpen nicht als genügender
Grund gelten können, arktische Pflanzen auszuschliessen. Es ist
bekannt, dass die Schneelinie keine absolute Grenze für das Gedeihen
gewisser, selbst phanerogamischer Pflanzen bildet. Wo der Schnee
wegen der Steilheit der Felsgehänge nicht haftet, siedeln sich bis zu
unbestimmten Höhen auch einzelne Phanerogamen an. Martins hat
nun in seiner Vergleichung der alpinen Vegetation des Faulhorngipfels
mit dem Mont-Blanc und anderen Örtlichkeiten, wo noch oberhalb der
Schneelinie eine Vegetation zu beobachten ist, nachgewiesen, dass die
der arktischen Flora gemeinschaftlich angehörenden Arten im Gegensatz
zu den bloss alpinen mit der Höhe zunehmen und dass die Lokalitäten
unterhalb und oberhalb der Schneelinie, wie nach den thermischen
Bedingungen zu erwarten war, sich ähnlich verhalten wie Lappland zu
Spitzbergen. Wo also, wie auf den Grands Mulets am Mont-Blanc, die
physischen Bedingungen für eine arktische Vegetation gegeben sind,
kann die Abwesenheit der endemisch arktischen Pflanzen wohl nicht
aus örtlichen Hindernissen des Gedeihens, sondern muss von ihrer geringeren
Migrationsfahigkeit abgeleitet werden. Martins' Untersuchung
ergiebt folgende Thatsachen:
1. In der Nähe der Schneelinie.
Der Faulhorngipfel (8260 F.) ernährt 132 Phanerogamen, wovon
40 auch in Lappland, 11 in Spitzbergen.
Der Jardin am Mont-Blanc (8480 F.) ernährt 87 Phanerogamen,
wovon 24 auch in Lappland, 8 in Spitzbergen.
Das Verhältniss der arktischen Arten beträgt demnach 8 bis 9
Procent.
2. Oberhalb der Schneelinie.
Auf den Grands Mulets am Mont-Blanc (9390—10680 F.) wachsen
24 Phanerogamen, wovon 5 auch in Spitzbergen.
Bei der Vicent-Hütte am Monte Rosa (9720F.) wachsen 47 Phanerogamen,
wovon 10 auch in Spitzbergen.
Auf der Höhe des St. Theodul-Passes (10210 F.) wachsen 13 Phannerogamen,
wovon 3 auch in Spitzbergen.
IN DER GEOGRAPHIE DER PFLANZEN. 345
Das Verhältniss der arktischen Arten beträgt demnach 21 bis
22 Procent.
Die Selbstständigkeit arktischer Schöpfungscentren ist von Christ
Über die Verbreitung der Pflanzen der alpinen Region der Europäischen
Alpenkette. 1866. S. 16.) bestritten worden, indessen hat er
selbst zwölf endemische Arten des arktischen Amerikas und Asiens
aufgezählt. Dieses Verzeichniss ist aber sehr unvollständig und enthält
z. B. keine einzige der arktischen Pflanzen Spitzbergens, welche
Martins^ als nicht in Lappland vorkommend bezeichnet hat. Allerdings
sind unter diesen einige, welche auch in den Rocky Mountains
oder anderen alpinen Gebirgen wiederkehren, aber manche arktische
Arten hat Christ offenbar dem temperirten Asien oder Amerika zugeschrieben,
die nur jenseit der Baumgrenze angetroffen werden, indem
er wahrscheinlich nicht diese, sondern nach Hooker s Vorgang den Polarkreis
als Südgrenze der arktischen Flora betrachtet. 'Hooker hatte in
seiner Abhandlung über die arktische Flora Skandinavien als den vorzüglichsten
Ausgangspunkt für die in die Polarländer eingewanderten
Pflanzen bezeichnet. Gegen diese Ansicht wendet Christ mit Recht
ein, dass in Nord-Asien mehr arktische Pflanzen einheimisch sind als in
Skandinavien und dass diese Halbinsel kaum als eigenes Schöpfungscentrum
zu betrachten sei. Er entlehnt aus Hooker's Übersichten die
Angabe, dass von 762 Pflanzen der Polarländer 586 Arten auch im
arktischen Skandinavien, dagegen 658 in Nord-Asien einheimisch sind.
Aber Hooker begreift in dieser letzteren Reihe (Asia to Altai, N.-E.
Asia and Japan) nicht bloss, wie angenommen, das „temperirte"
Nord-Asien, sondern auch das arktische, und hieraus ist die irrthümliche
Meinung entsprungen, man könne fast , die ganze Vegetation der
Polarländer von den gemässigten Breiten Asiens und die Mehrzahl der
übrigen von denen Nord-Amerikas ableiten.
A l p i n e F l o r a Europas. — In Christ's eben schon berührter Abhandlung
über die Verbreitung der Alpenpflanzen sind schätzbare und
mühsame Untersuchungen enthalten (Über die Verbreitung der Pflanzen
der alpinen Region der Europäischen Alpenkette. 1866). Indem
der Verfasser das Areal von 693 oberhalb der Baumgrenze vorkommenden
Alpenpflanzen festzustellen gesucht hat, legt er die Hypothese der
Schöpfungscentren, d. h., wie er sich ausdrückt, einheitlicher Ausgangspunkte,
für jede Art zu Grunde, um ihre Verbreitung über andere
Theile der Erde zu erklären. Mit Recht sagt er, dass die Voraussetzung
der Schöpfungscentren die Forschung anregt und endlich zur Wahrheit
führen kann, während die Annahme, dieselbe Art habe an behebig
vielen verschiedenen Orten entstehen können, jede weitere Unter-
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