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594 ÜBER VON RICHTHOFEN' S CHINA.
Übergang zur Befreiung des Bodens von schädlichen Stoffen. Ferner
ist es allgemein anerkannt, dass Abschluss vom Meere eine Ansammlung
von alkalischen Salzen im Boden bedingt, nicht aber, dass jeder
salzhaltige Boden sein Salz von fliessendem Wasser empfangen hat.
Vielmehr zeigten die Untersuchungen v. Baer's an der Ostküste des
kaspischen Meeres, wie ein durch Dünen oder anderweitig abgesperrter
Meerbusen verdunstend seinen Salzgehalt im Boden gerade so aufspeichert,
wie dies in einem abflusslosen Boden geschieht, wo die Salze
des Erdinnern mit dem Quellwasser an die Oberfläche treten. Salzsteppe
und abflussloses Gebiet sind also nicht sich überall entsprechende
Werthe.
Sehen wir nun, wie v, Richtiwfen seine neue Ansicht über die Bedingungen
der Steppenvegetation durch Thatsachen zu begründen
sucht. Zuerst muss anerkannt werden, dass sie ihm zu einer sehr glücklichen
Auffassung des physischen Gesammtbildes von Asien behülflich
gewesen ist. Dem schwankenden Begriffe von Centraiasien gegenüber,
wie derselbe bisher in der Litteratur aufgefasst war, gliedert sich ihm
der ganze Continent in einen centralen und in peripherische Bestandtheile,
von denen die letzteren durch ihre mit dem Meere verbundenen
Stromgebiete eine fast überall scharfe, geographische Umgrenzung erhalten.
Centraiasien dagegen ist ihm derjenige Theil des Continentes,
wo das fliessende Wasser keinen Ausweg findet, das Gebiet der Steppe
mit ihren Nomaden und des dürren Klimas, im Gegensatz zu den
Wohnsitzen von Culturvölkern. Wenn auch diese Eintheilung durch
die abflusslosen Bestandtheile Vorderasiens und durch die Steppen des
kaspischen Depressionsgebietes Einschränkungen erleidet, so ist sie
doch für den bei weitem grössten Theil des Continents und namentlich
für diejenigen Gebiete, mit welchen sich v. Richthofeiis Werk beschäftigt,
eine geeignete Grundlage, im Geiste Ritter's die Geographie Asiens
zu behandeln.
Auf Centraiasien in diesem Sinne lässt sich in der That v. Richte
hoferís hxvúóA ^ dass aus der abflusslosen Bewässerung die Steppenvegetation
hervorgehe und der erfolgte Abfluss ihr ein Ziel setze, recht
wohl anwenden, wenn man mit ihm gewisse an den Grenzen gelegene
oder tiefer in das Innere eingreifende Abschnitte als Übergangslandschaften
betrachtet, wo, wie am obern Indus und Brahmaputra oder
in den Quellgebieten der beiden grossen chinesischen Ströme, zwar
eine Verbindung mit dem Meere eingetreten ist, aber die noch bestehende
Steppe nach seiner geologischen Vorstellungsweise vielleicht
künftig verschwinden wird. Auch die kaspische Depression, die v, Richthofen
nicht näher in Betracht gezogen, kann als ein Beispiel gelten,
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wie Abschluss von den Oceanen und Bildung von Steppen zusammentreffen.
Südrussland würde er vermuthlich jenen Übergangslandschaften
an die Seite stellen, die eine bessere Zukunft haben.
Allein die Hauptfrage ist, wie er sich die klimatischen Bedingungen
der Steppenvegetation vorstellt, um sie mit dem Salzgehalt des
Bodens und der Abflusslosigkeit in Verbindung zu setzen. Es entgeht
ihm nicht, ja es ist der vorangestellte Grundgedanke seiner Darstellung,
dass ein trockenes Klima, wo die Verdunstung überwiegend das
Leben beeinflusst, die eigentlich wirksame Bedingung der Vegetation
in den Steppen ist. Er sagt ausdrücklich (S. g), dass, wo die Verdunstung
den Betrag des Niederschlages übersteige und die Ausfüllung
der Vertiefungen mit Wasser verhindere, dies eben die Grundbedingung
von der Existenz abflussloser Gebiete sei, die er den Steppen gleichstellt.
Aber er meint, dass diese Dürre des Bodens eine Folge geologischer
Vorgänge sei, die sowohl den Umriss als die plastische Gestaltung
der Continente bestimmen und ändern können, womit dann
der periodische Wechsel feuchter und trockener Klimate gegeben sei,
je nachdem die einzelnen Erdräume entweder den regenbringenden
Seewinden geöffnet hegen, oder, in das Innere eines Festlandes gerückt
oder durch Gebirgsketten vom Meere getrennt, von den Wolken
weniger leicht erreicht werden können. Eine solche Auffassung ist auf
dem geologischen Standpunkte vielleicht gerechtfertigt, der den Blick
auf das Wachsen und Schwinden der Continente, auf die beständigen
Hebungen und Senkungen des Bodens zu richten gewohnt ist, wenn
auch im einzelnen Falle ein Wechsel des Klimas aus diesen Ursachen
nur da angenommen werden darf, wo die veränderte räumliche Lage
und Beziehung zum Meer, als zum allgemeinen Wasserspender, wirkhch
nachzuweisen ist. Es giebt aber auch noch einen anderen Gesichtspunkt
für die Frage. Die Vertheilung von Festland und Meer
und die Unterschiede im Relief sind nicht die einzigen Ursachen, von
denen die Trockenheit oder Feuchtigkeit des KHmas bestimmt werden,
sie beziehen sich zunächst auf die klimatischen Verschiedenheiten unter
gleicher Polhöhe und ungleichen Meridianen. Die kosmischen Einflüsse
der Insolation und der Abkühlung des Erdkörpers im Weltraum
äussern sich zuerst in der Temperatur, aber mittelbar auch in der Feuchtigkeit
der Atmosphäre. Nun sind die Steppenlandschaften beider
Hemisphären auf bestimmte Polhöhen eingeschränkt, wo die Fjordbildungen
auf höhere Breiten. Wären die geologischen Vorgänge und
die Veränderungen in der Bewegung des fliessenden Wassers bei der
Entstehung der Steppen allein maassgebend, so ist der Einwurf wohl
nicht zu umgehen, dass man sie auf der ganzen Erde unter ähnlichen
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