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UBER DIE VEGETATIONSLINIKN
g'cbiets und reicht andererseits bis zur Saale und Elbe. Genauer wird
die Grenze folgendermassen bezeichnet: nördlicher Fuss des
n i e d e r r h e i n i s c h e n Schiefergebirges in Westphalen und
des Thür inge r Waldes bis zum Aus t r i t t der Saale ; Thalw
e g der Saale bis zur Mündung und der Elbe von da bis
zur Nordsee; Meeresküste bis zum Dol lart; Thalweg der
Ii ms und ihrer Zuflüsse. Die durch diese Linien umschlossenen
Gegenden zeichnen sich aus durch eine grosse Mannigfaltigkeit des
geognostischen Substrats, wie der Oberflächenbildung. Sie besitzen
eine nach Maassgabe des Klimas bedeutende Zahl von einheimischen
Pflanzen, von denen bereits über 1500 Phanerogamen aufgefunden sind,
d. h. nur 200 Arten weniger, als nach den jetzigen Erfahrungen das
ganze nördliche Deutschland zählt. Die Beobachtungen über die Vertheilung
der Pflanzen des Gebiets sind zahlreich und wenigstens für
mehrere der an Formen reichsten Gegenden, wie für Thüringen und
den Harz, als einigermassen vollständig zu bezeichnen.
Wenn also der Versuch gemacht werden soll, ein allgemeines,
pflanzengeographisches Problem durch Specialuntersuchungen in einem
Theile Deutschlands zu lösen, so ist zunächst dem Einwurfe zu begegnen,
als ob diese Gegenden sich am wenigsten zu solchen Betrachtungen
eignen, weil ihr ursprünglicher Charakter durch die Vernichtung vieler
Wälder und durch die Kultur des Bodens so erheblich verändert worden
ist. Allerdings bin ich überzeugt, dass sich im Kaplande oder in Neu- '
holland schärfere Ergebnisse gewinnen Hessen, aber dort fehlen die genügenden
Beobachtungen der Pflanzenareale, die ausschliesslich in gewissen
Theilen Europas in solcher Ausdehnung gemacht sind, dass
sie kartographisch aufgetragen werden können. Auch wird die Darstellung
der vorliegenden Thatsachen, wie ich glaube, hinlänglich darthun,
dass, ungeachtet der Kultur, der Einwanderung fremdländischer,
der Verdrängung einheimischer Gewächse, doch auch im Mittelpunkt
der Civilisation die Natur ihr ursprüngliches Gepräge bewahrt hat und
zur Lösung einleuchtender Probleme den Pflanzengeographen einladet.
,Um vollständige Beobachtungen über die Verbreitung einer Pflanze
zur Anschauung zu bringen, könnte man alle Fundorte derselben wie
auf topographischen Karten eintragen. Bei selteneren Arten würde dadurch
das Bild eines Archipels entstehen, dessen Inseln, die einzelnen
Fundorte, auf besondere Beschaffenheiten des Bodens, der Bewässerung
und andere örtliche Einflüsse hinweisen , welche das Gewächs an jede
dieser Örtlichkeiten bannen. Wählte man hingegen einen kleineren
Maassstab für die Karte, so dass die Nachbarinseln zusammenrücken,
oder verbände man die an der Peripherie gelegenen Punkte des Ganzen
DES NORDWESTLICHEN DEUTSCHLANDS 139
durch Linien, s o w ü r d e man eine Figur erhalten, in welcher jene örtlichen
Einflüsse , jene speciellsten geographischen Erscheinungen verschwinden,
während der äussere Umriss des Areals nunmehr allgemeinere
Bedingungen andeutet, von denen es abhängt, dass die Pflanze,
obgleich fähig durch Wanderung sich weiter auf dem Erdboden auszubreiten,
doch in ihren Grenzen verharrt.
Die Erfahrung lehrt ausserdem, dass ein solches Areal nicht blos
eine einzelne Pflanzenart geographisch charakterisirt, sondern in der
Regel einer ganzen Reihe von Pflanzen gemeinschaftlich ist. Es leuchtet
eint dass die Grenzlinien des Areals ein wichtigeres und allgemeineres
Problem enthalten, als die Vertheilung der Individuen innerhalb desselben,
die ohnehin steten Zufälligkeiten und grösseren Veränderungen
unterworfen ist. Sofern jene Grenzlinien den Vegetationscharakter der
Gegend ausdrücken, welche sie umschliessen, nenne ich sie V e g e -
t a t i o n s l i n i e n . Das Areal einer Pflanze hört also auf an ihrer Vegetationslinie.
Fallen'solche Linien in ihrer Lage mit khmatischen Linien,
z. B. mit Isothermen, mit Linien gleicher Temperaturextreme u. s. w.
zusammen: so ist damit der Beweis geführt, dass in den hierdurch ausgedrückten
klimatischen Werthen die Ursache der örtlichen Begrenzung
jener Gewächse liegt. Hiernach lässt sich das oben aufgestellte Problem
auch so fassen, zu untersuchen, ob im n o rdwe s t l i che n Deutschland
Vegetationslinien vorkommen, welche dem Verlaufe
g ewi s s e r k l imat i scher Linien entsprechen. Mit dieser
Aufgabe beschäftigt sich der erste Abschnitt unserer Untersuchung. —
Aber es giebt auch andere Vegetationshnien, welche nicht klimatischer
Natur sind, sondern von der Entstehungsgeschichte organischer Naturkörper
auf dem Erdboden Zeugnisse uns aufbewahren. Dahin gehören
alle die Erscheinungen, wo die mögUche Ausbreitung der Gewächse
auf dem Erdkörper nicht verwirklicht ist, wo ihre Wanderung uns unvollendet
entgegentritt und ihre klimatischen Grenzen nicht erreicht
hat. Wenig Aussicht ist vorhanden, auf dem europäischen Continent
solche geologische Urphänomene noch jetzt in jener Reinheit und unwiderleglichen
Schärfe auffassen und nachweisen zu können, wie die
entlegenen Eilande des atlantischen und stillen Meeres sie uns zuerst
dargelegt haben: aber um auch an diese Fragen eine geeignetere Methode
anzupassen, als von Fordes ' neuerlich versucht ward, um dadurch
einen ferneren Beitrag zur botanischen Charakteristik der heimischen
Fluren zu gewinnen, ist der zweite Abschnitt dieser Abhandlung ge-
1 Vergl. meinen botanischen Jahresbericht für 1845 i" Erichson's Archiv für Naturgeschichte,
Jahrg. 1846.
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