
BKKICIITE ÜBER DIE FORTSCHRITTE
Grönland wiihrcnd HaWs Reise eine beständige südliche Strömung
beobachtet (S. 315). Eine vielleicht entscheidende Unterstützung, für
die Ansicht, dass das Treibholz aus dem stillen Meere stammt, finde
ich in dem Schreiben E. Bcsscli an Pctcrmann (S. 401). Dieser Gelehrte,
der als wissenschaftlicher Leiter die Expedition liaWs begleitet
hat, berichtet, dass die Fluthwelle des stillen Meeres in den Kennedy-
Channel südwärts eindringt und sich irgendwo im Smith-Sund mit der
atlantischen der Baffins-Bai begegnet. Aus dieser durch Fluthbeobachtungen,
die fünf Luniitionen einschlössen, sicher festgestellten Thatsache
crgiebt sich eine maritime Verbindung des Robeson-Channel,
der eine nördliche Fortsetzung des Kennedy-Channel ist und von dem
aus die Newman- und Polaris-Baien in die grönländische Küste eingreifen,
mit der Bering-Strasse, während aus dem aufgefundenen Wallnussholz
hervorgeht, dass in dieser Meeresbahn eine Strömung besteht,
welche aus den südlichen Breiten Japans erwärmtes Wasser in das Polarmeer
und Grinnellland umkreisend bis nach Grönland führt. Die Meinung,
dass man am Robeson-Channel die Nordspitze Grönlands erreicht
habe, findet durch das Treibholz keine Bestätigung. Vielmehr ist es
viel wahrscheinlicher, dass daselbst die grönländische Küste nur aufs
Neue ostwärts zurücktritt und in ihrem weitern Verlaufe den maritimen
Zusammenhang mit dem Polarmeere Spitzbergens abzuschneiden fortfährt.
Dagegen erhält Petcrmamis Flypothese einer Landverbindung
zwischen Grönland und Wrangels-Land (Geogr. Mitth. 1865, Taf. 5)
durch die neuen Thatsachen eine bedeutende Stütze, nur mit der unwesentlichen
Modifikation seiner Kartenskizze, dass Grinnell-Land, wiewohl
bis n. Br. mit dem Blicke der Reisenden verfolgt,. doch nicht
mit Grönland zusammenhängen kann, da es von der padfischen Fluthwelle
umkreist wird.
Die Richtigkeit der Ansicht, dass in den unerforschten Ländern
des Polargebietes keine Abnahme der das organische Leben stützenden
klimatischen Bedingungen zu erwarten sei, wird durch HaWs Entdeckungsreise
aufs Neue bestätigt. Das Klima Grönlands scheint nordwärts
vom Smith-Sund nicht strenger, sondern milder zu sein als an
Kalles Standpunkt im Rensselaer-Hafen. Unter dem 82. Breitengrade
war die Küste während des Sommers fast vöhig schneefrei, schon im
Mai der Boden 9 Zoll tief aufgethauü, später 1—2 ' tief. Eine mit arktischen
Stauden gemischte Moos-Tundra bekleidete den Boden, „die
grössten Pflanzen waren etwa einen halben Fuss hohe Weidenbüsche,
die auf der Erde hinkrochen" (S. 315). Die Vegetation an der Polaris-
Bai genügte, die zahlreichen Bisamstiere zu ernähren, von denen eine
beträchtliche Anzahl erlegt wurde, und auch sonst war das animalische
IN DER GEOGRAriTTE DER PFLANZEN.
Leben reichlich, wie in niedrigeren Breiten, durch Säugethiere, Vögel
und Insecten vertreten.
Die pflanzengeographischen Ergebnisse der zwei ten Ä^/i/^-ze^^yschen
R e i s e nach O s tgrönland (s. vor. Bericht, S. 413) sind nunmehr
ausführlich bearbeitet worden (Zweite deutsche Nordpolfahrt.
II. Botanik). Die in der Nähe der Pendulum-Inseln und am Franz-
^ osephs-Fjord gesammelten Treibhölzer hat Kraus untersucht und den
directen Beweis geUefert, dass sie wirklich, wie ich aus anderen Gründen
gefolgert hatte, gleich den spitzbergischen, welche Agardh untersucht
hatte, von den Uferwaldungen der in das sibirische Eismeer mündenden
Ströme abstammen. Von 25 Hölzern erwiesen sich 22 als
Coniferenholz und in diesen wurden die beiden in Nordsibirien am
häufigsten vorkommenden Nadelhölzer erkannt, 17 als Lärchen- und
5 als Fichtenholz (Pinus Larix var. sibirica, P. Abies var. obovataK
Von den drei Laubhölzern gehörten zwei zu der nordischen Erle (Alnus
incana), das dritte zur Espe (Populus tremula), beide also ebenfalls zu
Hölzern, die an den sibirischen Strömen allgemein verbreitet sind.
Dass alle diese Hölzer in höheren Breiten gewachsen sind, konnte
auch durch die ausserordentliche Schmalheit ihrer Jahresringe bewiesen
werden, wodurch in der Nähe der arktischen Baumgrenze die Verkürzung
der nordischen Végétations-Periode einen morphologischen
Ausdruck erhält. Die Nachweisung dieses Verhältnisses, welches Martins
zuerst an lappländischen Bäumen beobachtete und das kürzlich von
Beketojf durch ausgedehnte vergleichende Messungen allgemein bestätigt
worden ist (Mémoires de la Soc. des sc. natur. de Cherbourg, t. 15,
p. 19g—254), hat Kraus nun auch im Gebiete der arktischen Flora an
einigen grönländischen Sträuchern ausgeführt (a. a. O., abgedruckt in
der Botanischen Zeitung f. 1873, S. 514—518). In einem Khma, wo
sich die jährliche Vegetationsperiode auf wenige Wochen verkürzt^
nimmt das Wachsthum des Holzes in solchem Grade ab, dass die dortigen
Sträucher ungeachtet des hohen Alters, welches sie erreichen, in
den winzigsten Dimensionen verharren, ohne die älteren Gewebe ihres
Stammes zu verHeren.
Die Messungen der Jahresringe, wozu die KoldezvefschQ Reise
das Material geliefert hatte, bezogen sich auf eine Weide (Salix arctica),
die Zwergbirke (Betula nana) und ein Vaccinium (V. uliginosum). Aus
der Anzahl der Jahresringe ergab sich, dass die älteste Zwergbirke 80,
die älteste Weide wohl über 150 Jahre alt war und das Vaccinium auch
wohl über 100 Jahre erreichen kann. Im Stamme des letztern bestand
der ganze Jahresring in den späteren Jahrzehnten in radialem Sinne nur
aus einem Gefäss und einer Holzzelle; der mittlere Zuwachs der Weide