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572 DIE WIRKSAMKEIT HUMBOLDT'S
pflanzen anzubauen. So ist auch der Gegensatz zwischen den Hirtenvölkern,
die in den baumlosen Steppen umherziehen, und «den Pelasgern
der altgriechischen Eichenwälder«, als sie dem Feldbau und der
Schiffahrt sich ergaben, von der Vegetation ihrer Heimat bedingt
gewesen.
Zur Unterscheidung der Formationen legte Huviboldt die Grundlage
durch die Beachtung des geselligen oder zerstreuten Vorkommens
der Pflanzen ^, wovon er eine Reihe charakteristischer Beispiele sammelte.
Die geselligen Formen vergleicht er mit den Thierstaaten der
Insecten , sie bedecken weite Erdstrecken , von denen sie alle übrigen
Gewächse ausschliessen. Wenn aber, wae in den unermesslichen Wäldern
am Orinoco und Amazonas, jede Örtlichkeit mit verschiedenartigen
Formen geschmückt ist, so erkennt er darin ein Gleichgewicht im Streite
der keimenden Samenkörner, wo kein Gewächs ))eine verdrängende
Herrschaft über die andern ausübt «. Wo die geselligen Pflanzen herrschen,
kann man auf eine gewisse Unfruchtbarkeit des Bodens schliessen,
welche die Kultur nur schwer überwältigt. Bald als Heiden, bald als
scheinbar unbegrenzte Grasfluren, als Steppen oder Savanen, bald als
undurchdringliche Waldungen stellen die geselligen Verbindungen der
Gewächse dem Verkehr fast grössere Hindernisse als Berge oder Meer
entgegen. Der Gesammteindruck von Fülle und Mannigfaltigkeit oder
von Armuth und Einförmigkeit der Landschaft beruht auf diesem Zusammenleben
der Vegetationsformen^, auf ihrer Gruppirung oder Absonderung.
Die Erscheinung über weite Räume verbreiteter, geselliger Pflanzen
gehört hauptsächlich der gemässigten Zone an 3, innerhalb der Wendekreise
sind diese Formationen seltener und stets minder ausgedehnt.
Zu den bedeutendsten Beispielen, welche Humboldts amerikanische
Reise ihm darbot, zählt er einzelne Gewächse in den Savanen von
Venezuela, auf den Anden von Neugranada die Bambusen- und die
Pisangform, sodann in der alpinen Region derselben neben den Escallonien
noch einige ander Sträucher, Stauden und Gräser (Hypericum,
Baccharis , Tourretia , das Jaravagras). Aus den Formationen ergiebt
sich die Naturphysiognomie, welche jedem Himmelsstrich ausschliesslich
zukommt:^ um sie darzustellen, müsse man nicht auf die systematische
Stellung der Gewächse, sondern auf das Rücksicht nehmen,
was durch seine Masse den Totaleindruck einer Gegend individualisirt.
Der erfreuliche AnbHck der Wiesen und eines mit Blumen ge-
^ Ideen, S. 3—7. 2 Kosmos, I, 377.
4 Ansichten der Natur, II, 16. 22.
3 Ideen, S. 819,
IM GEBIETE DER PFLANZENGEOGRAPHIE UND BOTANIK. 573
schmückten Rasens fehlt den Tiefebenen der heissen Zone fast gänzlich
nur auf der Höhe der Anden findet man ihn wieder. Werden
im Norden die Gräser und Cyperaceen durch die Feuchtigkeit des Erdbodens
zu ausgedehnten Formationen vereinigt, so erheben sich unter
den Tropen an solchen Standorten die über mannshohen Stauden der
Aroideen- und Scitamineenform. Der einförmige Baumschlag unserer
Laub- und Nadelwälder wird dort^ durch jene gemischten Bestände
von Bäumen ersetzt, deren Stämme mit den verschiedensten Lianen
umwunden und mit dem Schmuck der Epiphyten bekleidet sind. Ueber
dem Laubdache ragen die Palmen wie ein Säulengang empor, wie ein
Wald über dem Walde. Im Schatten einer so üppigen Vegetation
herrscht ein tieferes Dunkel als im dichtesten Fichtenwalde. Es scheint,
als ob ungeachtet der hohen Wärme der Wasserdampf, der unaufhörlich
aus dem feuchten Boden und aus den saftigen Organen einer so zusammengedrängten
Masse von Pflanzen aufsteigt, sich nicht aufgelöst
erhalten könne. Blickt man in den Wäldern des Orinoco nach aufwärts,
so sieht man überall Nebelstreifen zwischen den hellen Lichtrefiexen
sich bilden, mit welchen die Sonne, in die Lücken der Belaubung eindringend,
dieses Schauspiel höchster Lebensfülle beleuchtet.
Durch solche Naturschilderungen, worin Hitmboldt ein Meister war,
sieht er die Aufgabe erfüllt, eine vergleichende und auf die physischen
Bedingungen eingehende Darstellung der Vegetationsgebiete zu entwerfen.
Aber da sein Streben beständig darauf gerichtet war, die Auffassung
der Natur durch numerische Elemente fester zu begründen und
dadurch der Unsicherheit zu begegnen, welche von jeder anderen Verallgemeinerung
einzelner Beobachtungen unzertrennHch ist, so fand er
bald jene Methode einer blos beschreibenden Darstellung nicht genügend
und wendete sich mit Vorliebe zu denjenigen Untersuchungen,
welche man die Statistik der Floren genannt und die er selbst auch w'ol
als botanische Arithmetik bezeichnet hat. Ehe von dem Princip, welches
hierbei zu Grunde liegt und von dessen Bedeutung geredet wird,
ist es von Interesse zu verfolgen, wie diese von ihm vorzugsweise angeregten
Forschungen sich während seines langen Lebens gestalteten
und wie er selbst, der sich so viel davon versprach, zuletzt darüber geurtheilt
hat. Die Vorstellung, dass in jeder Flora zwischen den Hauptabtheilungen
des natürlichen Pflanzensystems bestimmte Proportionen
bestehen, ist zuerst (1814) von Robert Brown^ dem grössten Botaniker
der damaligen Zeit, ausgegangen. Der hierauf weiterbauende Versuch,
die Vergleichung der Floren auf Verhältnisszahlen auch der natürlichen
1 Relation historique, I, 371. Ebend., I, 436.
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