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368 BERICHTE ÜBER DIE FORTSCHRITTE
sich anpasst und die leidende Stammform verdrängt. Eine entscheidende
Nachweisung aber, dass der Ursprung der Arten und Varietäten einer
Gattung identisch sei, ist durch die hier befolgte Methode so wenig als
durch irgend einen anderen Versuch gewonnen^ das Problem Darzviiis
allgemeingültig zu lösen. Wie die Fortschritte der Geologie oft dadurch
gehemmt und unsicher werden^ dass dieselbe Wirkung auf verschiedenen
Wegen erfolgt sein kann, so ist auch in der Geobotanik bei ihren
Speculationen über den Ursprung der Formen eine mehrfache Deutung
möglich. Die eingeschlossenen Areale können genetisch durch Umformung
von Stammarten entstanden sein, aber auch dadurch, dass
benachbarte Vegetationscentren ähnliche Formen von ungleicher Wanderungsfähigkeit
erzeugten und in der Folge die kräftigsten, die durch
ihre Lebensbedingungen am wenigsten eingeschränkten Arten über das
Areal der übrigen sich ausdehnten. Die variablen Gattungen sind nur
Ausnahmen denen gegenüber, deren Arten durch den weiteren Abstand
constanter Merkmale zu bedeutenden Schwierigkeiten, den Artbegriff
festzuhalten, keinen Anlass geben. Aber auch bei ihnen und ebenso
bei der geographischen Vergleichung der Gattungen einer Familie finden
wir die beiden Gesetze der bloss räumlichen oder der klimatischen
Analogie, die ich an einem anderen Orte näher begründen werde und
die darin bestehen, dass in gewissen Fällen die Organisation um so
ähnlicher wird, je mehr die Verbreitungscentren der einzelnen Formen
geographisch einander genähert sind, in anderen, je nachdem' die
klimatischen Lebensbedingungen auch an entfernten Orten übereinstimmen.
Auch noch auf einem anderen Wege versuchte Kerner die Vorstellungen
des Darwinismus bestimmter zu begründen. Er stellte Kulturversuche
an, um durch den Einfluss von Boden und Klima constante
P^ormumänderungen zu veranlassen. Auf Kalkboden ausgesäete Pflanzen
beobachtete er, deren Samen von einem kalkfreien Erdreich
stammten, und er errichtete Versuchsstationen für Gewächse der
Ebene auf den Hochgebirgen von Innsbruck. Das Ergebniss war indessen
stets ein negatives, es bestand darin, dass geänderte Lebensbedingungen
eine Pflanzenart tödten oder eine kümmernde Vegetation
derselben herbeiführen können, aber in keinem Falle konnte die erwartete
„Umwandlung in eine neue, den Verhältnissen angepasste, sich
in der Nachkommenschaft mit diesen neuen Merkmalen erhaltende Art"
beobachtet werden. Kerner stimmt daher der Ansicht Nägelis bei,
dass alle Formumänderungen aus inneren Ursachen entspringen, deren
Wesen uns unbekannt ist, hofft aber demohngeachtet durch Beobachtungen
über das Vorkommen der Pflanzen den indirecten Einfluss
IN DER GEOGRAPHIE DER PFLANZEN. 369
von Klima und Boden nachweisen zu können. Dieser bestehe darin,
dass die durch innere Ursachen umgeformten Individuen unter bestimmten
äusseren Verhältnissen sich leichter vermehren und durch
ihre Ausbreitung die ursprüngliche Form zu verdrängen im Stande sind.
Aus der Vergleichung vikariirender Formen folgert er, dass die unterscheidenden
Merkmale verschiedener Arten desselben Gebietes auch
demselben Typus folgen, fordert aber zugleich, dass dessen Adaptation
an das Klima oder den Boden nachgewiesen werde, und hält sich, wenn
dieses gelänge, berechtigt, den Ursprung der Form von jenem indirecten
Einflüsse der äusseren Lebensbedingungen abzuleiten. Ich zweifle indessen,
dass eine solche Nachweisung bei wirklich constanten Arten in
irgend einem Falle möglich sei, und zwar aus dem Grunde, weil solche
Einflüsse nur bei Abänderungen der Vegetationsorgane und der individuellen
Lebensphasen, nicht aber bei denjenigen Einrichtungen der
Organisation zu erkennen sind, welche sich auf die Fortpflanzung und
Erhaltung der Art beziehen. Die Succulenz der Blätter bei den Halophyten,
die Behaarung, die Entfaltung der Stengelglieder sind Erscheinungen,
die den Individuen auf bestimmten Bodenarten oder einer
Änderung des Klimas gegenüber gewisse Vortheile verschaffen können,
in dem Bau der Blüthe und Frucht ist ein solcher Zusammenhang der
Forschung so sehr entzogen, dass wir ihn nicht einmal in der Variation
der Blumenfarben nachzuweisen im Stande sind. In der That beziehen
sich fast alle Fälle von klimatischer Adaptation, welche Kerner zur
Unterstützung seiner Ansichten anführt und auf die ich bei der Alpenflora
zurückkomme, auf die Form und Entwicklung der Vegetationsorgane.
Nur die Zeit, in welcher die Samen reifen, nicht aber deren
Bau ist von äusseren Bedingungen abhängig und die Gestalt der Blüthen
steht zwar mit ihrer Befruchtung durch Insecten in Beziehung, ohne
jedoch den Einflüssen der unorganischen Natur unterworfen zu sein.
M. Wagner hat einem bedeutenden Gedanken Ausdruck und Ausführung
gegeben, der ihm geeignet scheint, die Lehre Darwin's fester
zu begründen und sie dadurch zu erweitern, dass er die Erscheinungen
des Endemismus von Metamorphosen eingewanderter Pflanzen ableitet
(Die Lehre Darwin's und das Migrationsgesetz, 1868). Er hält die
heutige Anordnung der Vegetation nur durch die Vorstellungen Darwiris
für erklärbar, aber diese, wie übrigens Wallace längst ausgesprochen
hatte, nur dadurch gerechtfertigt, dass die neuen, durch
Variation entstandenen Formen von ihrem Stamm räumlich abgesondert
werden. Auf dem ursprünglichen Wohnort schlagen die Varietäten
durch Kreuzung der Individuen zurück, nicht aber, wenn sie, für sich
bestehend und fremdartigen Einflüssen hingegeben, sich diesen anpassen
A. G r i s e b a c h , Gesammelte Schriften. 24