
268 DIE GEOGRAPHISCHE VERBREITUNG
aus der Vergleichung von Jamaika und Cuba mit einer gewissen Wahrscheuihchkeit
abgeleitet werden. Cuba, dessen Areal fast achtmal so
gross .st wie das von Jamaika, hat bis jetzt wenig mehr als die dreifache
Zahl eigenthümlicher Pflanzen geliefert. So gewiss es nun auch
•st, dass Jamaika weit genauer erforscht ist, und dass die meisten endem^
chen Gewächse Cubas erst durch die unerwartet formenreichen,
j edoch nur von einzelnen Gegenden der Insel herrührenden Sammlungen
der neueren Zeit, durch Ramon de la Sagra, Luhden und besonders
durch 6. ]\rtght bekannt geworden sind, so kann man doch nicht wohl
annehmen, dass gegenwärtig noch eine so grosse Menge von Arten
unbekannt sein sollte, wie vorhanden sein miisste, um die Verhältnisszahl
Jamaikas zu erreichen. Freilich wächst auch mit der Grösse des
Areals wie oben gezeigt wurde, die Leichtigkeit des Austausches, und
es.wn-d daher von denjenigen Pflanzen, welche über mehrere Inseln
oder Uber ganz VVestindien verbreitet sind, eine ungleich grössere Zahl
von Cuba ausgegangen sein, als von anderen Orten und in anderen
Richtungen. Cuba ist den anderen Inseln gegenüber gleichsam ein kleiner
Continent, dessen Areal beinahe halb so gross ist wie das aller
übrigen zusammengenommen. Allein selbst wenn man annehmen wollte
dass alle mehreren Inseln gemeinsame, endemische Pflanzen Westindiens
von hier aus verbreitet wären, würde man für die Schöpfungscentren
Cubas bei Weitem nicht das Verhältniss einer Art auf die Quadratmeile
wie m Jamaika, erreicht sehen. Ich halte es daher flir wahrscheinlich
dass Cuba an Ergiebigkeit der Pflanzenschöpfungen Jamaika nachsteht
Auch würde es, dies als sicher vorausgesetzt, leicht sein, den
Grund aus der physischen Beschaffenheit und plastischen Gestaltung
beider Inseln abzuleiten. Jamaika hat ausgedehntere und höhere Gebirge
eine complicirte Gliederung in Bezug auf Thalbildungen, Gipfelund
Kammgestaltungen, steile oder sanftere Böschungswinkel; es besitzt
eme mannigfaltige, geognostische Constitution, und vor Allem sind hier
die durch den Einfluss der westöstlich streichenden Bergkette bedingten
klimatischen Gegensätze der feuchten Nordgehänge und der trockenLn'
durch Cacteen charakterisirten Südküste für die Anordnung der Pflanzen
von entscloeidendem Einflüsse. Cuba ist gleichmässiger gebaut und die
Hochgebirge sind auf engen Räumen zusammengedrängt. Alle diese
Verhaltnisse wirken zusammen, die Pflanzen Jamaikas in ihrer Verbreitung
zu_ beschränken, und, wenn die Schöpfungscentren unter dem
allgemeinsten Gesetze der organischen Natur, dem Gesetze der Adaptation
stehen, so war ihnen hier ein weiterer Spielraum zu ihren B 1-
dungen gegeben, als in Cuba.
Wendet man sich von den Erzeugnissen einzelner Inseln zu den-
DER PFLANZEN WESTINDIENS.
jenigen, welche innerhalb des Gebietes über einen grösseren Raum sich
ausgebreitet haben, so zeigt sich die Gestalt der Areale grösstentheils
nur durch die geographischen Entfernungen geregelt, und, ob Strömungen
oder andere Hülfsmittel die Wanderungen unterstützt haben, ist
nicht mit Sicherheit festzustellen. Dagegen lässt sich die grössere Hälfte
der Areale nach Polhöhe und Bodengestaltung zu fünf klimatischen
Gruppen ordnen, die bei der Untersuchung der Pflanzenformationen
sich ohne Zweifel .auch durch den allgemeinen Charakter der Vegetation
rechtfertigen würden. Die kleinere Hälfte umfasst diejenigen Pflanzen
Westindiens, die durch den grössten Theil des Gebiets, also von
den grossen Antillen oder den Bahamas bis zu den Karaiben oder Trinidad
verbreitet sind (294 Arten).
1. Die erste Gruppe wird durch die Bahamas und Turk-Inseln gebildet;
sie erstreckt sich vom 28sten bis zum 2isten Breitengrade, ist
gebirgslos und hat trocknes Passatklima mit kurzer Reg'enzeit. Mein
kennt bis jetzt nur Pflanzen einzelner Inseln.
2. Die vier grossen Antillen^ vom Wendekreise bis zum i8ten
Breitengrade reichend^ haben sämmtlich ausgedehnte Ketten von Hochund
Mittelgebirgenj Regenzeiten vor und nach dem Sommersolstitium
und zeigen ausserdem örtliche Verschiedenheiten in den Feuchtigkeitsverhältnissen,
indem die Niederschläge bald mit ungleicher Intensität
fallen, bald über fast alle Monate des Jahrs in wechselnder Proportion
vertheilt sind oder auf kürzere Zeiträume sich einschränken. Diese
Gruppe lieferte unter den verglichenen Pflanzenformen 307 gemeinsame,
oder doch wenigstens auf zwei Inseln nachgewiesene Arten, von denen
32 bis auf die Bahamas sich verbreitet haben.
3. Die westlichen, vulkanischen Karaiben, vonS. Kitts (17® N.B. )
bis Grenada (12® N.B. ) reichend, sind Kegelberge mit Krateren, zum
Theil von beträchtlicher Höhe (über 5000' ansteigend). Ihr Klima ist
dem der grossen Antillen ähnlich, von denen sie aber durch eine nicht
unbeträchtliche Meeresbreite und zwischenliegende Inseln der folgenden
Gruppe getrennt sind. Sie haben 104, auf mehrere Inseln verbreitete
Arten geliefert, von denen 21 auch die folgende Gruppe, 32 Trinidad
erreichen.
4. Die östhchen oder äusseren gebirgslosen Karaiben umfassen
die Inselreihe von S. Thomas (19^ N.B. ) bis Tabago (12^ N. B.). Die
physischen Verhältnisse sind denen der Bahamas ähnlich, mit denen
sie weniger als mit den übrigen Gruppen geographisch verbunden sind.
Gemeinsame Pflanzen haben sie nicht geHefert, die nicht auch auf den
inneren Karaiben vorkämen: aber ihre Vegetation ward auch durch
die Kultur des Bodens bedeutend beeinträchtiet.
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