
Ii I
4
i I M
11 f •
« : < , • 1 'T-s
l i Jl M • I » • ; • I
]
^''K , 's
.1
\
3
icKi«
I V
2 1 2 ÜBER DIE VEGETATIONSLINIEN
ohne dass er in der dazu nöthigen Zeit seine Keimfähigkeit eingebüsst
hätte. So natürHch also alle diese Verhältnisse auf ein einfaches Centraigebiet
zurückweisen, wohin man sich die Thätigkeit des ersten Schöpfungsaktes
einer Pflanzenart verlegen kann, so erhebt sich weiter die
Frage, wie es mit denjenigen zu halten sei ^ die gar kein Centraigebiet
besitzen, sondern nur auf wenigen sporadischen und weit entlegenen
Standorten vorkommen. In unserem Gebiete finden wir an Artemisia
rupestris und A. Mertensiana die denkwürdigsten Beispiele eines solchen
Verbreitungsgesetzes. Hier kann man entweder meinen, die Insel
Oland oder einer der drei oder vier übrigen Fundorte sei derursprünghche,
die übrigen secundäre und deshalb die einzigen geblieben, weil
das Gewächs eine sehr enge klimatische Sphäre habe und selten vorkommende
Bodeneinflüsse voraussetze, oder man kann mit gleichem
Rechte behaupten^ dass die Art an mehreren Orten unter gleichen Bedingungen
erzeugt sei und dass wenigstens bei diesen Artemisien keine
Wanderung von einem ursprünglichen Bildungspunkte aus stattgefunden.
Diese Alternative, so wie sie vorliegt, durch allgemeine Betrachtungen
nicht entscheidbar, hat für die Wissenschaft die wichtigsten
praktischen Consequenzen. Nehmen wir mit Hirids an, dass dieselbe
Pflanze überall, wo sie zu gedeihen vermochte, auch wirklich entstanden
ist, so kann die Pflanzengeographie der Geologie nie einen Anhaltspunkt
gewähren und wird in ihren eigenen Untersuchungen an
Gehalt nothwendig einbüssen, indem dann ihre Probleme auf die Abhängigkeit
von Klima und Boden sich beschränken. Ich glaube, dass
man als eine der fundamentalen Voraussetzungen der Pflanzengeographie
vorläufig annehmen muss, dass die Pflanzenwelt von einer bestimmten
Anzahl von Schöpfungspunkten aus durch Wanderung' bis zu
gewissen klimatischen Grenzen oder terrestrischen Schranken sich allmähhch
ausgebreitet habe. Durch solche Hypothesen geleitet, wird
man zu fruchtbareren Untersuchungen gelangen und vielleicht einstmals,
nachdem zahlreiche Wanderungen unter verwickelten Bedingungen
als wirklich geschehene, aufgefasst worden, die Voraussetzung auch zu
beweisen im Stande sein. Um in dieser Richtung einen ersten Versuch
zu unternehmen, wird die folgende Specialuntersuchung mitgetheilt.
Zu Beobachtungen über die Gestaltung der Pflanzenareale eignen
sich besonders solche Gewächse, die, wie die einheimischen Euphorbien,
überall wo sie vorkommen, in so grosser Massenentwickelung auftreten,
dass oft viele Meilen weit auf jedem Schritt Individuen zu bemerken
sind: so Euphorbia Cyparissias an den Wegen und Rainen
Thüringens und des Harzes, E. amygdaloides in allen Gehölzen zwischen
Göttingen und Bleicherode, E. palustris in den Marschniederungen des
DES NORDWESTLICHEN DEUTSCHLANDS, 213
Elbthals, E. Esula in Hoya und bei Magdeburg. Diese Euphorbien
zeichnen sich ferner aus durch eben so scharfe als unregelmässige Arealgrenzen
, so dass, wo sie nicht in dieser Allgemeinheit wachsen, auch
sporadische Fundorte derselben zu den grössten Seltenheiten gehören.
So endet E. Cyparissias auf dem Wege von Eisenach nach Göttingen,
wo sie zu beiden Seiten der Werra sowohl auf dem Muschelkalk als
buntem Sandstein ^ allgemein verbreitet ist, plötzlich an der mannigfaltig
gewundenen Grenze, an welcher zwischen Witzenhausen und
Heiligenstadt der Keuper des Leinethals sich über den Muschelkalk des
Eichsfeldes legt, z.B. an den Kalkhöhen, die zwischen Gross-Schneeen
und Niedergandern in das Thal vorspringen. Die Vegetationslinie lässt
sich hier schrittweise verfolgen, ohne dass sporadische Standorte sie
zweifelhaft machen. Zu beiden Seiten des Leinethals folgen sodann die
Muschelkalke des Göttinger Waldes und der Gegend von Dransfeld,
entweder mit den ersteren zusammenhängend oder durch schmale Niederungen
von ihnen abgesondert. Ungeachtet identischer Bodenverhältnisse
habe ich hier E. Cyparissias nirgends wiedergesehen, mit
Ausnahme eines einzigen sporadischen Fundortes bei Neu-Waake , wo
die Pflanze nur in einzelnen Individuen zu bemerken ist. Klimatische
Einflüsse beschränken das Areal hier schwerlich auf jene Linie, da die
Pflanze jenseits des SoUings auf dem ganz ähnlichen Muschelkalkplateau
zwischen Beverungen und Brakel allgemein wieder auftritt. Oder giebt
es wirklich so feine klimatische Einflüsse, dass die complicirten Arealgrenzen
einer weit verbreiteten und von der Bodenmischung anscheinend
ziemlich unabhängigen Pflanze davon bedingt wären?
Wohl ist die Vegetation ein die physikalische Messung an Genauigkeit
weit übertreffendes, heliographisches Bild vieler dauernder
klimatischer Verhältnisse, das heisst mittlerer Werthe der Meteorologie,
gleichwie die unregelmässiger begrenzten Wolken uns ein topographisches
Spiegelbild vorübergehender Gegensätze der ungleichen Erwärmung
und Strahlung des Bodens darstellen. Aber bei aller Wahrheit
solcher Anschauungen entspricht doch das Areal der Euphorbia
Cyparissias, im weiteren Umriss betrachtet, der Voraussetzung klimatischer
Einschränkungen keineswegs. Auf den Höhen des Harzes, wie
im Einschnitte des Weserthals, in allen Himmelsrichtungen rings um
die Gegenden, wo sie nicht anzutreffen, kommt sie auf dieselbe Weise
vor. Noch weniger liegt im Boden die Ursache, oder doch gewiss nicht
die alleinige Bedingung einer so örtlichen Begrenzung , weil Muschelkalk,
bunter Sandstein, Zechstein, Thonschiefer, kurz fast alle Gebirgs-
• 1 Vergl. Schleiden, Beiträge zur Botanik, Bd. i, S. 3.
1
1 ,
iji^i O li} 1
r L
ti > 1 ^
T l 8