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io6 UBER DIE BILDUNG DES TORFS
obachtetc, überall anwachsen, wo salziges und süsses Wasser sich vermischen.
Was dieser sorgfältige Beobachter erkannte und auf dem
damaligen Standpunkte für ein chemisches Präcipitat des Seewassers
halten musste^ und was sich doch mit chemischen Grundsätzen nicht
reimen lässt, das hat Ehrenberg als die Anhäufung unsichtbarer, durch
die Mischung mit dem Flusswasser getödteter Organismen gedeutet
und so den Blick geöffnet auf die geheime Werkstatt, wo die Flüsse
wieder aufbauen, was die Woge des Meeres verschlingt. Unter dem
Wachsthum des Rheindeltas hat die Entwässerung Südhollands leiden
müssen, weil die Schleusen, welche das Binnenwasser dieser Provinz
zu entleeren bestimmt sind, bei der wachsenden Mittelhöhe des Flusses
seltener geöffnet werden können. Die geänderte Vertheilung des
Wassers nach der Entwässerung der Moore kann ähnliche Wirkungen
hervorbringen. Allein diese Verhältnisse erklären nur einen geringen
Theil der oben bezeichneten Erscheinungen: die Anschwellungen der
Flüsse und Binnengewässer beziehen sich nicht auf die Senkung des
Festlandes unter das Niveau des Meeres.
Indessen ist auch die Zunahme des süssen Wassers nicht überall
von der Verschlammung der Ströme abzuleiten. Das Haarlemer Meer,
eine Süsswasserlagune des Rheindeltas, hat sich von 1531—1740 fast
um das Dreifache des Flächeninhalts 1 vergrössert, und doch sind die
Zw^aanenburger Schleusen, welche dessen Wasser in das Y entleeren,
seit der Mitte des 16. Jahrhunderts nicht erneuert oder verlegt worden
in Verbindung mit der Thatsache, dass das höchste Niveau des Haarlemer
Meeres im Winter noch ungefähr i' tief unter der Fluthhöhe und
über der gewöhnlichen Ebbe des Y nur I l i e g t e i n klarer Beweis,
dass hier keine Anschwellung des Binnenwassers während dieser
drei Jahrhunderte statt gefunden hat. Denn bei noch tieferem Niveau
hätten die Schleusen gar nicht zur Entleerung des Beckens, wozu sie
bestimmt waren , dienen können. Die Ursache der ausserordentlichen
Vergrösserung des Haarlemer Meeres, auf örtlichen Bodenverhältnissen
beruhend, hat klar vor Augen gelegen und ist mit Recht auf anderweitige,
scheinbare Senkungen des Festlandes übertragen worden. Der
See hat eine geringe Tiefe und wird von —10' tief steil unter das
Wasser abfallenden Ufern rings umschlossen. Die Ufer bestehen aus
lockerer Erdkrume und Torflagern: wo sie nicht durch Vegetation oder
1 Tegenw. Staat der vereen. Nedeii. V. 6, p. 163, Karte. Das Areal des Plaarlemer
Meeres betrug im Jahre 1531 = 6585 holL Morgen, im Jahre 1740 = 19500 h. M. und
seitdem hat es sich nicht mehr vergrössert.
IN DEN EMSMOOREN. 107
künstliche Mittel geschützt waren, wurden sie von den Strömungen des
Wassers unterwaschen und abgespült. Lediglich durch die Beschaffenheit
des Bodens bedingt, hat das Haarlemer Meer sich ungleich und
nur in bestimmten Richtungen, namentlich nach Osten, erweitert, da,
wo das feste Land den geringsten Widerstand leistete. An gewissen
Orten betrug der jährliche Landverlust im Durchschnitt 36' S die schmale
Landzunge zwischen Amsterdam und Haarlem blieb hingegen unverändert.
D u r c h solche Abspülungen vergrössert, hat die Lagune nach
und nach weite Feldmarken nebst verschiedenen Dörfern binnen zwei
Jahrhunderten verschlungen. Diese langsamen Eingriffe, in horizontaler
Richtung von einem stillen Binnensee ausgehend, haben nach demselben
Gesetze das Festland verwüstet, wie die weit gewaltsamer sturmenden
Wogen des Meeres, wodurch die grossen Meerbusen der mederländischen
und deutschen Küste entrissen sind, wodurch 1218 die Jahde,
1219 die Zuydersee, 1277 der Dollart entstanden, sodann 1421 imBiesbosch
72 Kirchspiele untergingen und noch im Jahre 1634 die Insel
Nordstrand an Schleswigs Gestade den grössten Theil ihrer Bodenflache
einbüsste. S o r ü c k e n noch jetzt die holländischen Dünen, vom Winde
getrieben, landeinwärts und überlassen oft den Strand, den sie geschützt
hatten, dem Gebiete des Meeres.
Solche Unterwaschungen und Abspülungen des Festlandes, mögen
sie nun vom Meere oder von Binnengewässern ausgehen, können dieselben
Wirkungen hervorbringen, wie eine wahre Senkung des Bodens.
Städte, Dörfer, alle Merkzeichen eines festen Niveaus werden m die
Tiefe herabgestürzt und vom Wasser überdeckt. So lagen die Trümmer
der Stadt Torum in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts noch sichtbar
auf dem Seeboden des Dollarts, so kennen die Schiffer an der
holländischen Küste den Kallas-Turm, wie der überlieferte Name andeuten
soll, eine römische Baute, 5 - 6 Faden tief im Meere, westwärts
von Katwyk op Zee^. Ständen diese Ruinen noch aufrecht in ihrer ursprünghchen
Lage, so würde eine wahre Senkung der Küste daraus
folgen. Aber die Nachrichten, die wir besitzen, sind nicht so genau auf
das Wesentliche der vorliegenden Frage gerichtet: sie lassen die Annahme
frei, dass die Trümmer nur deswegen am Grunde des Meeres
liegen, weil der Boden unter ihnen fortgeschwemmt worden war.
Jetzt erst können wir, um nicht verschiedenartige Ursachen geänderten
Niveaus zu vermischen, auf die wirklichen Erscheinungen der
2 Ebenda, Ebenda, p. 180^ Tabelle.
1 Ebenda, p. 165.
2 Arends,j ip-h'^y-sji sche Gescliichte', Bd. 1, S. zi7- Nach den Nachrichten, welche sich
theils bei Emmius, theils bei Pars und anderen Niederländern finden.
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