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496 BERICHTE ÜBER DIE FORTSCHRITTE
fügt^ um die Oberfläche der Erde mit neueiij aus der Tiefe geschöpften
Bestandtheilen zu versorgen, so knüpft sich daran die aUgemeinere Betrachtung,
dass nach Beendigung der die Nahrungsstoffe aufschliessenden
Verwitterung und Verwesung zuletzt jeder Boden völhg unfruchtbar
und jeder Vegetation beraubt werden müsste.
A r k t i s c h e Flora. Die im voYigen Berichte (IV, S. 442f.) angeführten
Angaben über die auf Hall's arktischer Reise an der Polaris-Bai
gefundenen Treibhölzer haben sich nicht bestätigt, sondern sind durch
Kraus widerlegt worden (Sitzungsberichte der naturforschenden Gesellschaft
zu Halle 1875. December). Die mikroskopische Untersuchung
einer durch Bcssels übersandten Probe von der Newman-Bai, welche
die reisenden Seefahrer für Juglandeenholz gehalten hatten, ergab, dass
dieses Treibholz gleich dem ostgrönländischen von Coniferenstämmen,
von Lärchen oder Tannen, abstammt. Kraus bemerkt, dass das Holz
wegen seiner tiefbraunen Färbung zwar dem Hickory ähnlich sei und
auch ein'etwas aromatischer Geruch sich erhalten habe, dass es aber
gcfässlos und mit den Holztüpfeln der, Coniferen versehen sei: an der
Probe konnte er 45 Jahresringe unterscheiden. Gleichzeitig hat auch
Bcsscls selbst, nach angestellten, genaueren Berechnungen, seine
frühere Meinung, dass die F'luthwelle des stillen Meeres in den Kennedy
Channel eindringe, zurückgenommen (Lithograph. Manuscript
nebst Fluthkarte: Smithsonian Institution, 1876. Febr.). Nach dieser
Karte ist die Fluthwelle an der Nordwestküste von Grönland dieselbe
wie die, welche vom atlantischen Meere zwischen Spitzbergen und Ostgrönland
in die unbekannten Polargegenden vorrückt Hiermit fallen
die Folgerungen, welche aus den irrigen Angaben der Reisenden geschöpft
waren, und die Frage, wie weit Grönland sich nach Norden
erstreckt, bleibt unerledigt.
Heer hat seine wichtigen Untersuchungen über die fossilen Pflanzen
der arktischen Zone fortgesetzt und aufs Neue gezeigt, dass die
hierdurch gewonnenen Thatsachen nicht bloss für die Geschichte der
organischen Schöpfungen vom grössten Interesse sind, sondern auch
auf den Ursprung der heutigen Vegetation wenigstens indirect ein Licht
werfen, welches geeignet ist, Hypothesen zu begegnen, wie sie weiter
unten in Bezug auf die norwegische Flora zu erwähnen sind (Beiträge
zur Steinkohlenflora der arktischen Zone und Kreideflora der arktischen
Zone: Svenska Vetensk. Akadem Handlingar, Vol. 12. 1874;-Nachträge
zur miocenen Flora Grönlands ; das. Vol. 13). Schon zu Anfang
der Kohlenperiode, an der Grenze zwischen Devon und Steinkohle
war Spitzbergen (Klaas Billenbai unter 78" 80') und die Bäreninsel
(74^30') mit einer Vegetation bekleidet, welche „in fast allen Arten"
IN DER GEOGRAPHIE DER PFLANZEN.
mit derjenigen übereinstimmt, die man aus der damaligen Zeit in Irland
und Deutschland kennt. Es hat also damals noch keine klimatische
Absonderung zwischen der arktischen Flora und der der Waldgebiete der
gemässigten Zone bestanden, vielmehr dürfte es nach Heer zweifellos
sein, dass vom 46. bis zum 79. Breitengrade dasselbe Klima geherrscht
habe. Das Vorkommen von Lepidodendren und grossblätterigen Farnkräutern
scheint auf ein feuchtes und heisses Khma hinzuweisen, aber
die aus jener Periode erhaltenen Gewächse sind von den lebenden zu
sehr verschieden , als dass dieser Schluss völlig gesichert wäre. Dagegen
sind in der eigentlichen Steinkohle (das mittlere Carbon) sowohl
in Spitzbergen (77''3o') als auf der Insel Disko in Grönland (70^) mit
der europäischen Steinkohlenflora übereinstimmende Pflanzenreste aufgefunden,
die jener Ansicht zur Stütze dienen. Namenthch gilt dies
von einem grossen Farnbaum aus Disko (Protopteris punctata), der
schon aus Böhmen bekannt war. Die Vegetation von Farnbäumen ist
auch bei grosser Luftfeuchtigkeit mit einer arktischen Temperatur gewiss
als unvereinbar anzusehen, und diese Thatsache ebensowohl wie
die Verbreitung derselben Art vom 50. bis zum 78. Parallelkreise sind
kaum anders zu erklären als durch die Annahme, dass damals in Folge
der höheren eigenen Temperatur des Erdkörpers die durch den ungleichen
Stand der Sonne bedingten Unterschiede des solaren Klimas
noch nicht eingetreten waren. Auch in der Jurazeit haben diese Verhältnisse
noch fortgedauert, da auf der letzten schwedischen Expedition
am Eisfjord Spitzbergens Farne, Coniferen und Cycadeen entdeckt
worden sind, die zum Theil mit fossilen Arten derselben Periode aus
England, Russland und Südfrankreich übereinstimmen.
Eine reichere Flora hat besonders in Grönland die Kreideperiode
zurückgelassen. Die untere Kreide Westgrönlands, die nach ihren Einschlüssen
mit der Wealdformation zu vergleichen ist, zeigt in ihrem
Reichthum an Farnen, sowie in den Cycadeen, Coniferen und einigen
Equisetiten, ähnliche Lebensbedingungen, wie zur Zeit der Jurabildungen,
noch fortbestehend: doch wurde die erste Spur eines dikotyledonischen
Gewächses, ein Pappelblatt (Populus primaeva H. , der
lebenden P. euphratica ähnlich) als grösste Seltenheit nachgewiesen.
Erst in der oberen Kreide Grönlands, aus welcher Heer 34 dikotyledonische
Pflanzen beschrieben hat, beginnt der Charakter der Flora sich
der Vegetation der heutigen Waldgebiete anzuschliessen, womit eine
Ausscheidung der Klimate nach der geographischen Breite zugleich
zum ersten Male angedeutet ist. Von der Mehrzahl der Gattungen (12),
die damals den Holzbestand Grönlands bildeten, hat Heer die Identität
mit lebenden Typen angenommen und von fünf derselben ist dies durch
A. Gr i s eb a c h . Gesammelte Schriften. 32
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