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206 ÜBER DIE VEGETATIONSLINIEN
westlichen Vegetationslinie, als die specielle Beobachtung derselben an
der Wasserscheide des Eichsfeldes. .
Hier ist es dieselbe Muschelkalkformation, welche sich von der
Werra und Leine bis zur Saale in den einförmigsten Bodenverhältnissen
ausdehnt: überall dieselbe Erdkrume und Lage der Schichten, dieselbe
flache Gestaltung der Oberflcäche, auf der einen Seite felsig in das Thal
abgestürzt, auf der andern abdachungslos in hoch gelegene Ebenen
übergehend. Und doch bemerken wir stets jenen vollständig ausgesprochenen
Gegensatz in den Pflanzenformen am Boden des Waldes,
an den rasigen Rainen, selbst auf dem Getraideacker, wenn wir z. R!
die Gegend von Frankenhausen mit der bei Göttingen vergleichen.
Nicht unbestimmte geologische Bedingungen, wie die ursprüngliche
Bildung der beiden Stromgebiete, liegen dieser Verschiedenheit zu
Grunde: denn, genau gesagt, ist die Wasserscheide die Vegetationsgrenze
Thüringens nicht, sondern die oberen Thalwege der Unstruth
und Wipper gehören in dieser Rücksicht schon zum Vegetationsgebiete
der Weserterrasse. Vielmehr liegt die Pflanzengrenze eben da, wo die
Muschelkalkebene von jener nordwestlichen Vegetationslinie durchschnitten
wird, mit welcher wir im ersten Abschnitt uns beschäftigten
und deren mittlere Richtung, durch die Städte Neuhaidensieben,
Halberstadt, Nordhausen und Eisenach bestimmt, zum Rheine sich
fortsetzt.
Jetzt erheischt noch eine besondere Eigenthümlichkeit dieser Linie,
die auf dem Eichsfelde zu beobachten ist, unsere Aufmerksamkeit!
Wenn anderswo auch die am schärfsten klimatisch ausgeprägten Pflanzengrenzen
es nicht leicht an sporadischen Fundorten fehlen lassen,
die, ausserhalb ihres Bereichs gelegen, uns als Ausnahmen von ihrer
Gesetzmässigkeit entgegentreten: so finden wir hier das Gegentheil.
Uber das Eichsfeld ist fast keine thüringische Pflanze in die nahen
Thäler des Wesergebiets eingewandert. So viele Arten auch beide
Terrassen gemeinsam besitzen, so sind diese doch gleichmässig über
sie vertheilt. Das charakteristische Merkmal eines sporadischen Fundorts
besteht darin, dass von ihm aus die Pflanze nach dem Centralgebiet
hin an Häufigkeit zunimmt. Nun giebt es aber unter den Kalkpflanzen
der Höhenzüge am Werra- und Leinethal, in der Umgegend
von Göttingen, kaum irgend welche, die hier sporadisch wären und
sodann im Elbgebiet allgemein verbreitet. Selbst die Gobert bei Allendorf,_
wo die Kalkpflanzen des Eichsfeldes in höchster Mannigfaltigkeit
und Üppigkeit vegetiren, besitzt keine thüringische Charakterpflanzen. —
Andere Verbreitungsgesetze finden nördlich vom Harze statt, wo z. B.
die Fallsteine und die Asse bei Wolfenbüttel sich dem Elbeebiete
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DES NORDWESTLICHEN DEUTSCHLANDS. 207
gegenüber als sporadische Fundorte verhalten z .B. für Adonis verna-
Ssl'Dictamnus albus, Tetragonolobus siliquosus, Potentilla alba,^Seseli
annuum, Campanula bononiensis. — Erst in grösserer E:ntfernung vom
Eichsfelde liegen einige vereinzelte Berge des Wesergebiets, auf denen
unerwarteter Weise wieder mehrere thüringische Pflanzen sporadisch
vorkommen, die in grösserer Nachbarschaft • des Flauptareals fehlen.
Dahin gehören verschiedene Höhenpuncte des Habichtswaldes mit Dictamnus
albus und Galium glaucum, der Holzberg unweit Holzminden
mit Inula hirta, der Hohenstein bei Hameln mit Sisymbrium austriacum.
Biscutella laevigata und Asperula cynanchica.
Stellen wir uns, nicht als wohlbegründete Hypothese, sondern
zum Zweck übersichtlicherer Darstellung des folgenden Erklärungsversuchs
einen Augenblick vor, dass die sporadischen Fundorte ihre
Pflanzen nicht erzeugt, sondern von dem Centraigebiet durch Wanderung
entlehnt haben, wie man von der Sparsamkeit der Natur bei der
ersten Schöpfung der Organismen erwarten möchte: so würde die
Frage lauten, weshalb einige entlegene Berge vom Elbgebiete aus besamt
wurden, nicht aber die Thäler, die unmittelbar den Fuss des
Eichsfeldes berühren, noch diese Hochfläche selbst, welche die Wasserscheide
bildet? Gelangen wir hiebei zu einer kHmatischen Lösung, so
bedarf es jener Voraussetzung nicht weiter, so können wir mit gleichem
Rechte sagen, dass diese Gegenden die Pflanzen nicht erzeugten, weil
ihre klimatische Lage ein Hinderniss war. — In ihrer Erhebung über
das Meer giebt die rauhe Hochfläche zwischen Mühlhausen und
Heiligenstadt der des Harzes nur wenig nach: diese Muschelkalkebene
besitzt eine mittlere Höhe von 1300' bis 1400'1 und kann also die Gewächse
der warmen, durch Neigung des Bodens und tieferes Niveau
geschützten Bergzüge an der goldenen Aue nicht hervorbringen. Ferner
zieht das hohe Eichsfeld in ununterbrochenem Zusammenhange von
der Mühlhäuser Keupermulde bis zum Harz, an den es sich durch eine
Fortsetzung der über 1500' hohen Ohmberge bei Bockelhagen anschliesst.
Nun ist nach der geographischen Lage klar, dass die westwärts
folgenden Thäler der Werra, Leine und Ruhme den Nordostwind
vom Harze, den Ostwind von jener Hochfläche zugeführt erhalten, also
diejenigen Luftströmungen, von denen die Temperaturextreme abhängen,
im Winter wie im Sommer abgekühlt empfangen. Leider sind
die meteorologischen Beobachtungen über das Klima von Göttingen,
wiewohl vorhanden, doch noch immer nicht genügend bearbeitet, um
I Credner, Übersicht der geognoslischen Verlrältnisse Thüringens und des Harzes.
(Gotha 1843)", S. 25.
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