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314 DER GEGENWÄRTIGE STANDPUNKT
der Thatsache, dass die Pflanze während ihres Wachsthums weit empfindhcher
gegen die Wärme ist als zur Zeit ihres Winterschlafs. Hierdurch
werden m der gemässigten Zone die Gegensätze des See- und
Contnientalkhmas für viele Gewächse aufgehoben, die fähig sind ihre
Kntwickcluagsphasen über einen grösseren oder kleineren Zeitraum zu
vertheilen. Weil Russland mit seiner kurzen und Frankreich mit seiner
langen Vegetationsperiode angenähert gleiche Phytoisothermen besitzen
, so smd ganze Formationen der Vegetation in beiden Ländern
Identisch. Ebenso lässt sich die Ähnlichkeit der alpinen Vegetation
in den Alpen und in Lappland in so fern klimatisch erklären als die
mittlere Wärme der wenigen Monate, auf welche hier der Saftumtrieb
der 1 flanzen beschränkt ist, in beiden Gebieten übereinstimmt Die
Einwurfe, welche gegen die Benutzung der Isothermen gemacht wurden
sind weniger bedeutend, wenn die Zeit der Passivität des Pflanzenlebens
ausgeschlossen wird.
Diejenigen Gewächse der gemässigten Zonen, welche den Unterschied
des See- und Continentalklimas nicht ertragen, indem sie bald
einer höheren Sommerwärme bedürfen, als ihnen das erstere, bald einer
längeren Vegetationszeit, als das letztere gewährt, oder auch gegen
dessen Kälte empfindlich sind, werden oft mit Sicherheit an ihren geographischen
Grenzlinien erkannt, insofern dieselben den Monats-Isothermen
der wärmsten oder der kältesten Jahreszeit entsprechen. In Europa
sind die bekannten Polargrenzen der Buchenwälder und des Weinbaues
Beispiele für diese Verhältnisse, die ersteren für den Einfluss des See-
Idimas , die Zone des letzteren für die Abhängigkeit von continentaler
boniinerwärme.
Die flache Jahreskurve des Seeklimas steigert sich endlich unter
den Tropen bis zu dem Grade, dass die Dauer der Vegetationszeit von
der 1 emperatur ganz unabhängig wird. Die Isothermen bieten daher
einen Maassstab für die vertikale Gliederung der tropischen Gebir^jsvegetation
und die Thatsache, dass zwar einige arktische Gewächse Lif
den alpinen Höhen des Himalaya bis in die Nähe des Wendekreises sich
verbreiten, aber fast niemals alpine Pflanzenarten diesen überschreiten
und in äquatorialen Gebirgen wiedergefunden werden, findet ihre Erläu
terung in dem Einfluss der Jahreszeiten auf ihre Entwickelungsphasen
Die bisherigen Bemerkungen beziehen sich sowohl auf die klimatischen
Gliederungen innerhalb eines natürlichen Florengebiets als auf
die Grenzen der natürhchen Floren selbst. Dort bewegen sich die klimatischen
Gegensätze innerhalb einer engeren und stetig sich ändernden
Skale, hier treten sie schrofl-er auf und überschreiten eine physiologische
Lebensbedingung, die vielen Gewächsen und besonderen Pflanzenfor-
DER GEOGRAPHIE DEI^ PFLANZEN. 315
men gemeinsam ist. Die Bäume, welche wegen der grösseren Mannigfaltigkeit
ihrer Bildungsprocesse einer längeren Zeit zu ihrer Vegetationsperiode
bedürfen ^ ertragen im nördlichen Europa eine Verkürzung
derselben bis zur Grenze von 3 Monaten; wo die sinkende Temperatur
der Jahreskurve diese überschreitet, genügt der kurze Sommer nicht
mehr, die Zeitigung des Holzes, der überwinternden Knospen, der
organischen Nährstoffe zu vollenden, und die geographische Grenzlinie
der waldlosen, arktischen Flora ist erreicht.
So zeigen sich beim Übergang eines Florengebiets in ein anderes
die Vegetationsgrenzen in um so schärferen Linien, je rascher der entscheidende
Wechsel des Klimas eintritt. Diese Vegetationslinien sind
daher früher in den Gebirgen erkannt als in den Ebenen, in so fern,
wie Hiimdold^ bemerktey die vertikale Gliederung des Klimas auf engerem
Räume dieselben Wirkungen hervorbringt wie die Polhöhe in
weiten Entfernungen, ein Satz, der freilich in der tropischen Zone einer
gewissen , oben angedeuteten Einschränkung unterliegt. Dem Reisenden,
der die Grenzen einer natürlichen Flora überschreitet, ist indessen
das Auftreten neuer Pflanzenformen, der Wechsel ganzer Formationen
nicht weniger auffallend als der Gegensatz der den Florengebieten entsprechenden
Gebirgsregionen, während die feineren klimatischen Linien,
welche die Areale einzelner Gewächse bestimmen, nur von dem topographischen
Botaniker erkannt werden können. Auf diese letzteren
wurde daher erst viel später in meiner Schrift über die Vegetationshnien
des nordwestlichen Deutschlands ^ aufmerksam gemacht, die d^nnSendtner
in seinen Arbeiten über die Pflanzentopographie Bayerns zu einer
irrthümlichen Auffassung verleitet hat. Wiewohl ich nämlich auf das
Bestimmteste dem Begriff einer VegetationsHnie nur klimatische Werthe
zu Grunde gelegt hatte, dehnte dieser Botaniker denselben Ausdruck
auf die Grenzlinien der Pflanzenareale überhaupt aus, was zu Missverständnissen
führen musste und in der That Andere dahin gebracht hat,
die khmatische Bedeutung der Vegetationslinien, die in den Gebirgsregionen
so allgemein anerkannt wird, für die Ebenen anzuzweifeln.
Ich bin in der That in der Beziehung mancher Pflanzengrenze auf klimatische
Einflüsse damals zu weit gegangen, ich überzeugte mich hiervon
später, als ich mich mit der geographischen Verbreitung der Gattung
Hieracium beschäftigte, und habe diese Arbeit unvollendet gelassen,
weil ich sah, dass die in den Alpen vorkommenden Arten in vertikaler
Richtung eine grössere khmatische Sphäre umfassen als von Westen
nach Osten, In allen Fällen also, wo eine Arealgrenze sich nicht durch
Götlinger Studien. GÖtüngen 1847.
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