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auf diesen niedrigen Inseln und in dieser Breite Niederschläge tropischen
Charakters nicht zu gestatten scheint. Ihr trockenes Klima ist
offenbar vielen tropischen, auf stärkere Befeuchtung angewiesenen Gewächsen
weniger günstige als das des benachbarten Continents mit
seinen intensiven Sommerregen wenn auch durch die oceanische Lage
die Temperaturunterschiede vermindert werden und dadurch die Aufnahme
gewisser Pflanzen wiederum begünstigt ist. Noch weniger lässt
sich der Gegensatz beider Vegetationsgebiete aus Bodenverhältnissen
erklären: denn wie die Küste von Florida durch Korallenbänke umsäumt
wird, so ist auch der weite Archipel der Bahamas nichts weiter
als ein grosses Bauwerk von Korallenkalk. Wie kommt es nun, dass
die westindische Pflanzenschöpfung sich dieses Archipels bemächtigt
hat und der ebenso nahe gelegenen und gleichgebauten Keys von
Florida nicht? Selbst die wenigen gemeinsamen Gewächse sind grossentheils
auch an den Continentalküsten des mexicanischen Meerbusens
nacho-ewiesen und können also ebensowohl von d o ort, als von Cuba, zu
den Keys gelangt sein. Die Ursache ist offenbar, dass die Bahamas
mit den grossen Antillen durch zahllose Inseln und Untiefen verbunden
sind, Florida hingegen mit seinen Keys von diesem Gebiete durch den
Golfstrom getrennt wird, der hier eng zusammengepresst am stärksten
sich entwickelt und die Früchte der Küstenpflanzen nicht von Ufer zu
Ufer gelangen lässt, sondern in das atlantische Meer hinaustreibt: ein
Beweis, dass nicht immer die Meeresströmungen Florengebiete verknüpfen,
sondern dass sie auch zur Erhaltung der Grenzen ursprünglich
gesonderter Schöpfungen beitragen können.
Vergleicht man die Organisation der durch das ganze Tropengebiet
Amerikas verbreiteten Gewächse, so geben sich manche Andeutungen
von dem höheren Grade ihrer Wanderungsfähigkeit zu erkennen. Die
Zahl der Holzgewächse ist geringer, als bei den endemischen Arten:
dieselbe beträgt ungefähr den vierten Theil der Gesammtzahl, und dabei
ist noch zu erinnern, dass unter den Bäumen etwa die Hälfte wegen
ihrer Producte auch durch die Kultur verbreitet worden ist. Ferner
finden sich unter den artenreichsten Familien wiederum diejenigen, bei
denen die Lebensdauer des Keims gross ist 2. EndHch ist die Artenzahl
im Verhältniss zu den Gattungen viel kleiner, als bei den ende-
1 Blodget^ Mineralogy of the United States, p. 328.
2 Leguminosen mit 55 Arten (Vg der Gesammtzahl westindischer Formen dieser
Familie), Convolvulaceen 22 (1/4), Solaneen 15 (Ve); Malvaceen 12 (V7), Gramineen 71
(V3); Cyperaceen 45 (V3); die übrigen Familien mit mehr als 12 Arten sind: Synanthereen
39 (Yy), Rubiaceen i (Vl5 Euphorbiaceen 17 ('/uì , Urticeen 16 (l/e) , Piperaceen 16
1/4); Melastomaceen i6 (V9); Boragineen 13
mischen Pflanzen Westindiens, indem in vielen Fällen einzelne Arten
einer Gattung weithin sich ausbreiteten, während die übrigen lokal
blieben
Unter den amerikanischen Tropenpflanzen, welche die Grenzen
des tropischen Klimas überschreiten, finden sich nur wenige Holzgewächse
; die grosse Mehrzahl besteht auch hier wiederum aus Productionen
des kultivirten Bodens, und auch diese sind im Allgemeinen
nicht so weit als die transoceanischen in die gemässigten Zonen vorgedrungen,
sondern finden ihre Polargrenzen oft schon in den südlichsten
Staaten Nordamerikas, auf den Bermudas oder im Süden in Uruguay.
Diese Erscheinung beruht offenbar auf der rascheren Abnahme der
Wärme in Nordamerika im Verhältnisse zu Europa, sowie auf dem Einflüsse
der Pampas von Buenos Ayres. Alle diese Gewächse stelle ich
in einem besonderen Verzeichnisse zusammen, um die weit auffallendere
liigenthümlichkeit deutlicher zu machen, welche sich aus ihrer
Verbreitung ergiebt. Sie zerfallen nämlich in drei Klassen, je nachdem
sie in beiden Richtungen die Tropen überschreiten, oder nur in einer
der beiden gemässigten Zonen nachgewiesen sind. Diesen Unterschied,
der wohl in manchen Fällen nur auf unvollständiger Kenntniss des
Areals beruht, aber zweifellos in anderen wesentlich ist, glaube ich nicht
auf Einflüsse des Klimas oder des Bodens beziehen zu können. Stellen
wir zwei Gewächse zusammen, von denen das eine in Florida, das andere
in Uruguay angetroffen wird, während das erstere zugleich bis
zum südhchen Brasilien, das andere bis zu den grossen Antillen sich
verbreitet hat, so scheint es durchaus an klimatischen Thatsachen zu
fehlen, welche diesen Gegensatz veranlassen konnten. Die Wärme von
Uruguay entspricht der der südlichen Staaten Nordamerikas. Von den
Niederschlägen Uruguays bemerkt Darzvin, dass viele und starke Regengüsse
während des Winters fallen, dass aber auch der Sommer nicht
übermässig trocken sei: auch hierin liegt w^ohl kein hinlänglicher Erklärungsgrund.
In beiden Gebieten endlich ist der Boden mannigfaltig
und fruchtbar. In einigen Fällen sind es vikariirende Arten von ähnlicher
Organisation, welche diese entgegengesetzte Verbreitungsweise
zeigen (z. B. Cuphea viscosissima und hyssopifolia, Myrsine laeta und
floribunda, Lantana odorata und Camara) : man darf hier also wohl
vermuthen, dass in der Natur dieser Pflanzen kein Hinderniss ihrer
Wanderung in beiden Richtungen liege. Aus diesen Verhältnissen
wage ich den Schluss zu ziehen, dass die Ursache der verschiedenen
i Ausnahmen von dieser Regel ergeben sich bei Peperomia , Solanum , Ipomoea,
Tournefortia, Panicum und bei den Cyperaceen.