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2 UBER DEN EINFLUSS DES KLIMAS
Die erste Methode, deren Anwendung schon eine sehr oberflächliche
Kenntniss einer Gegend gestattet, geht von der Physiognomie
ihrer Vegetation, von der Gruppirung ihrer Individuen im Grossen aus,
sei es, dass sie durch grosse Verbreitung hervortreten, oder durch ihre
Gestaltung auffallen. Ich möchte eine Gruppe von Pflanzen, die einen
abgeschlossenen physiognomischen Charakter trägt, wie eine Wiese,
ein Wald u. s. w., eine pflanzengeographische Formation
nennen. Sie wird bald durch eine einzige gesellige Art, bald durch
einen Complex von vorherrschenden Arten derselben Familie charakterisirt,
bald zeigt sie ein Aggregat von Arten, die, mannigfaltig in ihrer
Organisation, doch eine gemeinsame Eigenthümlichkeit haben, wie die
Alpentriften fast nur aus perennirenden Kräutern bestehen. Bei einer
übersichtlichen Darstellung der Formationen einer Flora würde es darauf
ankommen, die Char akt e r p f l anz e n derselben nachzuweisen, die
Arten zu bestimmen, denen sie ihre physiognomischen Eigenthümlichkeiten
verdanken, die keineswegs subjectiv sind: eine Aufgabe, die
Reisenden um so mehr empfohlen werden muss, als sie leicht und
gründlich auszuführen ist. Diese Formationen nun wiederholen sich
überall nach lokalen Einflüssen, aber sie finden mit der natürlichen
Flora, die sie constituiren, ihre absolute, ihre klimatische Grenze. So
weit Wälder von Pinns sylvestris, oder mit Calluna vulgaris bedeckte
Ebenen reichen, findet man sich im Gebiete der mitteleuropäischen
Flora. Mag die einzelne Art aus einer Flora in die andere übergreifen,
die in ihrer Gruppirung charakterisirende Art kommt nicht
zugleich in zwei Floren vor: eine jede Formation, deren Charakter und
deren Glieder mit Schärfe dargestellt sind, eignet sich daher zur Grenzbestimmung
ihrer natürlichen Flora. Entgegenstehende Erfahrungen
sind mir noch nicht bekannt geworden: es braucht indessen kaum erinnert
zu werden, dass in dieser Wissenschaft jede Thatsache nur mit
grösster Vorsicht verallgemeinert werden darf, und jeder ausgesprochene
Grundsatz stillschweigend berichtigende Thatsachen voraussieht. In
diesem Sinne nur mag dasjenige mitgetheilt werden, worauf die vergleichende
Untersuchung leitete.
Hr. Browfi ^ bemerkte, dass die Flora von Congo 9 Familien enthalte,
die über die Hälfte A^x vow Smith daselbst gesammelten Arten
einschlössen. Dies ist eine Thatsache , die für alle Floren gilt, und es
liegt in dieser Hinsicht ein bestimmter Begriff' zum Grunde, wenn man
von den 8 — 15 vorherrschenden Familien einer Flora spricht.
Da man indessen hier eine willküriiche Grenze feststellen muss, so
1 In Tuckey Narrative p. 425.
AUF DIE BEGRENZUNG DER NATÜRLICHEN FLOREN. 3
schlage ich vor, dazu die Familien zu rechnen, welche über 4 Procente
der ganzen phanerogamischen Vegetation enthalten: sie werden dann
in den meisten Fällen zusammen 2/3 der Gesammtvegetation bilden.
Nur von diesen vorherrschenden Familien gilt nach meinen Untersuchungen
das HumboldfsdxQ Gesetz, dass die Summe der Arten einer
jeden derselben dividirt in die Summe aller Phanerogamen gleiche Quotienten
an jedem Orte innerhalb derselben natürlichen Flora giebt. Man
kann vielleicht mit Grund behaupten, dass, da jene vorherrschenden
Familien grösstentheils die natürlichsten sind, diese Verschiedenheit
zwischen kleineren und grösseren Familien auf der Ungleichförmigkeit
des Begriffs beruhe, den die systematische Pflanzenkunde bei der Aufstellung
jener natürHchen Gruppen befolgt hat, dass, wenn alle Pflanzen
der Erde nach einem einfachen natürlichen Princip in gleichförmige
Familien getheilt werden könnten, alle Pflanzenarten einer Flora ein
bestimmtes statistisches Verhältniss zeigen würden. Da wir aber das
natüriiche System als eine unvollendete Bemühung ansehen müssen,
die Typen der vegetabiHschen Organisation aufzustellen und sie nach
dem Plane, der ihnen zu Grunde hegt, zu ordnen, so wird es nicht auffallend
erscheinen, dass jene Verhältnisse nur bis zu einem Grade
gelten, der unserer Erkenntniss entsprechen mag. Wenn man nach
dem Reichthume an Arten für jede einzelne Flora eine Reihe ihrer vorherrschenden
Familien bildet, so findet man, dass zwischen je zwei
natürlichen Floren sowohl die Gheder der Reihe, als die Folge derselben
verschieden sind, dass aber in verschiedenen Bezirken derselben
Flora sich diese Reihenfolge nie ändere. Man hatte Anfangs eine solche
Congruenz der Familien-Quotienten für ganze Zonen angenommen,
später, als diese Annahme sich unhaltbar zeigte, dieselbe in derselben
Flora für alle Familien nachweisen zu können geglaubt: die Abweichungen
in den kleineren Familien, die sich aus vervielfältigten Berechnungen
ergaben, Beilschmied zu dem irrigen Schlüsse, dass
man nur gleich grosse Gebiete vergleichen dürfe, während es sich leicht
darthun lässt, dass z. B. jene Reihefolge für ganz Deutschland diesseits
der Alpen dieselbe ist, wie für eine deutsche Ortsflora, oder bei Moskau
dieselbe, wie von ganz England. So gültig die Beweise waren, die
Humboldt für einige der grossen Famihen geltend gemacht hatte, so
glaubte man doch jene Abweichungen damit nicht vereinigen zuköfmen,
und meinte nur noch von allmählicher Zunahme und Abnahme der
Familien in gewissen Richtungen der Erdoberfläche sprechen zu dürfen,
was jede Begrenzung der natürlichen Floren von dieser Seite aufhebt.
Eine Nachweisung über specielle Untersuchungen, die zu den Httmboldf
Sätzen zurückgeführt haben, ist von mir an einem anderen
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