
318 DER GEGENWÄRTIGE STANDPUNKT DER GEOGRAPHIE DER PFLANZEN.
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Waldgrenze ihr Gedeihen findet; die Coniferen sind mehr als die meisten
Laubhölzer durch die Dauer und Organisation ihrer Nadeln den kälteren
Regionen angepasst,aber nach Süden ist ihre Verbreitungszone auf unserer
Hemisphäre klimatisch unbegrenzt.
Die aus der Systematik der Pflanzen abgeleitete Vergleichung der
natürlichen Floren ist mit grösserer Vorliebe bearbeitet worden afs die
Charakteristik der Formationen und Pflanzenformen. Die Statistik der
Familien, die Verhältnisszahlen der Arten aus einzelnen Gruppen mit
der Gesammtsumme der Gefässpflanzen hat man vielfach benutzt, um
Florengebiete zu charakterisiren, und die Arealgrenzen einzelner natürlicher
Familien und grösserer Gattungen monographisch bearbeitet,
deren geographische Verbreitung fast immer einem eigenthümlichen
Typus folgt. In den meisten Fällen lassen sich indessen diese Forschungen
weniger auf klimatische Werthe als auf den verschiedenen
Charakter der Schöpfungscentren zurückftihren, wie die Beschränkuncx
der Cacteen und Bromeliaceen auf Amerika, der Eriken auf die cisatlantischen
Küstengebiete, wobei die wenigen Ausnahmen, die bekannt
geworden', nur scheinbar sind und offenbar auf Migrationen beruhen
die eben die verhältnissmässige Unabhängigkeit von klimatischen Bednigungen
beweisen. • Die Familien, welche man eigentlich tropische
nennen kann, sind zwar besonders geeignet, die klimatische Gliederung
der Vegetation nachzuweisen, sie enthalten jedoch, wie die Palmen die
Melastomaceen oder die Malpighiaceen, gewöhnlich einzelne Bestandtheile,
die den Wendekreis überschreiten. Bei den statistischen Vergleichungen
der Floren hat sich auch die Beschaffenheit des Bodens
von Einfluss gezeigt. /^r^u^;, suchte die Verhältnisszahl der Dikotyledonen
und Monokotyledonen für jede Zone zu bestimmen, später ergaben
sich erhebliche Unterschiede je nach der Grösse des verglichenen
Areals, theils weil der wasserreichere Boden die Mannigfaltigkeit der
Monokotyledonen vermehrt, theils in Folge der ungleichen Wanderungsahigkeit
der Arten, von denen einige auf enge Wohnorte beschränkt
bleiben, andere auf grosse Areale sich ausgebreitet haben. Die grosse
Verhaltnisszahl der Gramineen im tropischen Afrika, gleichsam ein Reflex
von dem Artenreichthum seiner weidenden Säugethiere, steht wohl
ebenfalls mit der die Savanenbildungen begünstigenden Oberflächenaestaltung
dieses Continents in Beziehung oder ist vielmehr ein Beispiel
wie die Bildungsweise der Organismen den physischen Lebenbedingungen
angepasst erscheint. Dieselbe statistische Gesetzlichkeit, welche
J Opuntia im Mediterrangebiet, Rhipsalis in Afrika und Ceylon, Calluna in Neutoundland
und Massachusetts.
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hier eine übemiegeiid entwickelte Pflanzenformation zu erkennen giebt,
knüpft sich in einem anderen ^ erst in neuester Zeit nachgewiesenen
Fallet aber auch an Himatische Bedingungen^ denn die fast identische
Reihe der Verhältnisszahlen von 36 grösseren Familien auf Jamaika und
Ceylon beruht augenscheinlich auf der Analogie des Klimas und ist
bei der Entlegenheit beider Inseln einer der klarsten Beweise ^ dass die
gesonderten und vor Vermischung gesicherten Schöpfungscentren der
Erde unter ähnlichen äusseren Lebensbedingungen Organismen von
ähnlichem, aber,nicht von gleichem Bau erzeugt haben, indem die
Familien dieselben sind^ nicht aber die Arten, und seltener als die
Famihen die Gattungen.
Diese Erscheinungen im Gebiete der Tropenzone, zu deren geobotanischen
Gliederungen die Wärme weniger als die Feuchtigkeit beiträgt,
führen uns nun zu der zweiten Hauptklasse von khmatischen
Bedingungen des Bestehens abgesonderter natürlicher Floren, zu der
Bedeutung der atmosphärischen Niederschläge. Die Pflanze bedarf
während ihres Wachsthums stetigen Wasserzuflusses aus dem Boden,
sie welkt, wenn die Niederschläge, welche ihn feucht erhalten, sich verzögern,
oder sie tritt in einen Winterschlaf ein, wenn sie längere Zeit
ganz ausbleiben. Nach diesem einfachen physiologischen Grundgesetz
der Vegetation gUedern sich die Klimate in die entscheidenden Gegensätze
der über das ganze Jahr vertheilten oder auf bestimmte Jahreszeiten
beschränkten atmosphärischen Niederschläge. Im ersteren Falle,
der in den höheren Breiten der gewöhnliche ist, aber auch einige wenige
tropische Landschaften auszeichnet, ist der Winterschlaf nur von der
Temperatur abhängig oder die Vegetation kann Jahr aus Jahr ein ungehemmt
sich fortentwickeln, wenn die Wärme es zulässt; in denjenigen
Klimaten hingegen, wo trockene und nasse Jahreszeiten wechseln, umfasst
die vegetative Entwickelung je nach ihrer Dauer ein grösseres oder
geringeres Zeitmaass. Da nun diese klimatischen Gegensätze theils von
den herrschenden Winden, theils von der plastischen Gestaltung der
Erdoberfläche abhängen, so sind die durch sie charakterisirten Gebiete
weit schärfer umgrenzt und abgesondert, als wo die Gliederungen auf
den unmerklich steigenden oder sinkenden Temperatureinflüssen beruhen;
so ist ja auch auf dem Meere der Eintritt in die Passatzone ein
plötzhcher und so treten auch die Gebirge meist schroff aus den Ebenen
hervor. Ferner ist die Dauer der Vegetationszeit unter allen den Charakter
tropischer Landschaften bestimmenden Einflüssen der mächtigste,
durch sie werden ihre beiden wichtigsten Formationen, die Wälder und
ij Göttinger Gelehrte Anzeigen, 1865, S. 325.
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