
22 ÜBIÍR DEN EINFLUSS DES KLIMAS AUF DIE BEGRENZUNG DER NATÜRLICHEN FLOREN, 23 P'ISHf
der Provence beginnt die Weinernte einen Monat früher, als am Rhein,
aber das Ausschlagen des Weinstocks tritt dort gleichfalls früher ein.
Dadurch wird eine mehrfache Ernte mancher Kulturpflanzen unter den
Tropen möglich.
3) Die Polargrenze einer Pflanze tritt mit dem Maximum der Zeit
ein, in der sie sich bei einem Minimum der Temperatur entwickeln
kann. Sie wird auf eine doppelte Weise bestimmt werden können, indem
sich entweder die Constante (das Produkt aus Entwickelungszeit
und mittlerer Temperatur derselben) in der ganzen Kurve nicht mehr
hervorbringen lässt, oder wenn die Faktoren der Constante nicht mehr
in die Temperatur- und Entwicklungssphäre der Ar t fallen.
Welche Anwendung können wir aus diesem Gesetze, das eine von
der Temperatur abhängige Veränderlichkeit der Vegetationszeit derselben
Pflanzenart nachweist, für die klimatischen Grenzbestimmungen
der natürlichen Floren machen? Man erkennt leicht, dass dasselbe für
diese letztere nicht gilt, und dass diese Nichtgültigkeit desselben eben
die klimatische Ursache der möglichen Verbreitung einzelner Arten
durch verschiedene Floren ist. Der Beweis dafür liegt in dem Umstände,
dass der Winterschlaf der mitteleuropäischen Flora von Süden
nach Norden allmählich länger wird, ohne dass die Sommerwärme in
gleichem Sinne zunimmt. Dies ist näher nachzuweisen, und man muss
dabei zuerst die Methode, nach der man die Dauer des Winterschlafs
bestimmen kann, erörtern.
Zeitbestimmungen dieser Art sind wohl hauptsächlich deswegen
nicht versucht, weil man glaubte, nur das Erwachen bestimmter Arten
beobachten zu können, nicht das gleichzeitige Erwachen des grössten
Theils der ganzen Flora, und weil man dazu oft Frühlingspflanzen
wählte, die eben als Ausnahmen keine allgemeinen Schlüsse gestatten.
Wenn man in landwirtschaftlichen Journalen die Saat- und Erntezeiten
verschiedener Jahre vergleicht 1, so findet man eine höchst auffallende
Übereinstimmung unter den dazwischen verflossenen Zeiträumen
, eine Übereinstimmung, viel grösser als unter irgend welchen
meteorologischen Beobachtungen, aus denen man mit Erfolg arithmetische
Mittel zieht. Hätte man also für die ganze Flora ein solches
zeitbestimmendes Kriterium, wie die Saatzeit der Kornarten ist, so
würde man dadurch für jeden Ort die mittlere Dauer des Winterschlafs
im Gegensatz zu der Vegetationszeit bestimmen können, alsdann aber
1 Vgl. einige Angaben hierüber in meinen Genera et species Gentianearum pag. 32,
in denen auch ein Beweis für die Unabhängigkeit des Pflanzenlebens von der Temperatur
während des Winterschlafs enthalten ist.
in der mittleren Temperatur dieser letzteren die Temperatursphare der
aanzen Flora erhalten. Solche Momente des Pflanzenlebens nun hegen
ohne Zweifel im Aufsteigen des Frühlingssaftes durch die dicotyledonischen
S tammbi ldungen, da das Wa chs thum dieser letzteren (im Gegensatze
zu den Knospen, d.h. krautartigen Organen) eine abgeschlosserie,
von früheren Bildungen unabhängige Periodicität zeigt; zweitens in der
herbstlichen Blattentfärbung, das das Aufhören des Assimilationsprocesses
im Zellensafte und wahrscheinlich seiner Cyclose bezeichnet.
Da mir über diese beiden Perioden des vegetabihschen Lebens, die
w e - e n ihrer grösseren Gleichzeitigkeit für die ganze Flora einen wesentlichen
Vor zug vor anderen Objekten der Beobachtung behaupten, kerne
vero-leichbare Zeitbestimmungen bekannt geworden sind, so sah ich
mich genöthigt, auf eine Genauigkeit in den Resultaten zu verzichten,
die die Natur in diesen Verhältnissen zu beobachten scheint. Eine
schätzenswerthe Zusammenstellung von Beobachtungen über die Zeiten
des Ausschlagens und Blühens verschiedener Gewächse an mehreren
Orten in Europa findet sich in der Regensburger botanischen Zeitung
für 1836, aber ich habe sie nur wenig benutzen können, da, wie oben
erwähnt wurde, die Zeit des Ausschlagens von dem Entwicklungsgrade
der Knospe mit abhängt, das denselben bedingende Klima des verflossenen
Jahres aber nicht mit in Rechnung gebracht werden kann, da
der Zeitpunkt des ersten Entstehens der Knospe zwischen Holz- und
Rindensystem unbekannt bleiben muss. Da sich ferner verschiedene
Arten in Hinsicht auf die Ausbildung ihrer Knospen im Herbste sehr
verschieden verhalten , so erklären sich hieraus die bedeutenden Zeitunterschiede,
die die Beobachtung der Zeit des Ausschlagens verschiedener
Holzgewächse an demselben Orte Hefert, z. B. in Neapel für
Sambucus nigra der mittlere Werth = 14. Januar, für die Eiche -
31 März Besser schien mir hingegen die Blüthezeit von Pflanzen
benutzt werden zu können, deren Blüthen zu der Zeit sich entfalten,
wenn der Frühlingssaft in den Bäumen anfängt sich zu zeigen, und zugleich
die Ordinaten der Jahreskurve am stärksten wachsen. Keine
Pflanze dürfte sich hierzu mehr eignen, als Primula elatior Jacq. und
so wie es sich hier nur um angenäherte Werthe handeln kaiin, so sind
den nachfolgenden Angaben über die Anfangsperiode der Vegetationszeit
Beobachtungen über die Blüthezeit jener Pflanze zu Grunde gelegt.
D a für den Anfang des Winterschlafes solche Beobachtungen nicht zu
benutzen waren, so habe ich statt dessen nach folgendem Raisonnement
die Jahreskurven selbst benutzt: der Eintritt, wie das Aufhören des
Winterschlafes hängt von der Temperatur ab; die Ordinaten der Jahreskurven
nehmen zu beiden Seiten der Jahreskurve nahezu gleichförmi g ab;
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