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550 BERICHTE ÜBER DIE FORTSCHRITTE
der Wüste Atakama ausgehend, den Zusammenhang der bolivischen
und chilenischen Andenketten unterbricht ^ liegt in einem mittleren
Niveau von 13,000', die Schneelinie wird hier zu 14,500' angenommen
und vier einzelne Berggipfel erheben sich zu 18,000' und mehr (zwischen
26^40' und 28" s. Br.). Am Wendekreise, in der Provinz Oran,
liegt das Quellgebiet des Rio Vermejo, welcher Gran Chaco durchströmt,
und hier in diesem abgelegenen, nordwesthchen Winkel Argentiniens,
werden Kaffee, Pisang und Zuckerrohr gebaut. Unter dem
26'. Breitengrade löst sich von der Ostseite der Anden die über 16,000'
hohe Sierra Aconquija, die sich durch die Provinz Tucuman nach Süden
erstreckt. An dieser Kette und ihren Verzweigungen schlägt sich
der Wasserdampf des atlantischen Südostpassats nieder, so dass die
Ostgehänge reich bewässert sind und in ihre Waldbestände tropische
Gewächsformen aufnehmen. Abgesondert erhebt sich dann noch einmal
aus der Pampasebene bis zu 7000' die Sierra de Cordoba, welche
aus derselben Ursache zum Theil bewaldet ist.
Aus diesen Gegenden stammt die Pflanzensammlung, welche Lomitz
auf seiner Reise von Cordoba bis zu den Hochflächen der Anden
von Catamarca in den Jahren 1871 und 1872 zusammenbrachte, und
über die ich im vorigen Berichte (s. oben IV, S. 482) einige Nachrichten
mittheilte. Seitdem habe ich die systematische Bearbeitung
der Gefässpflanzen (928 Arten) herausgegeben und allgemeinere Bemerkungen
über die pflanzengeographische Bedeutung dieser Sammlung
vorausgeschickt (Plantae Lorentzianae, 1874. 231 S. in den
Abhandlungen der Göttinger Gesellschaft der Wissenschaft. Bd. 19).
So einförmig die argentinische Flora im Gegensatz zu Brasilien und
Chile erscheint, so ist doch ihr Endemismus sehr bedeutend: die Anzahl
der Arten, die in keinem anderen Lande aufgefunden sind, belief
sich in Lorcntz' Sammlung auf etwa 42 Procent, zur grösseren Hälfte
aus den Gebirgen, aber auch in den Pampas selbst auf 20 Procent. Der
Austausch mit Chile beschränkt sich auf 3 Procent, die Gemeinschaft
mit Brasilien ist bei Weitem grösser. Der Wald der Sierra de Cordoba
besteht aus einer Mischung von Bäumen, die zu fünf Gattungen aus
ebenso viel verschiedenen Familien gehören und ebenso, wie die Bestandtheile
der Gehölze in den westlichen Pampas sämmtlich endemisch
sind. An der Sierra de Aconquija wiederholen sich in Tucuman (27°
s. Br.) noch einmal die Regionen der Montaña von Peru und Bolivien.
Den unteren Waldgürtel hat Lorentz daher als subtropisch bezeichnet,
das üppige Wachsthum der Bäume mit ihren Lianen und Epiphyten
dem brasilianischen Urwalde gleichstehend erachtet, obgleich auch
hier die Einförmigkeit und Armuth an Arten als allgemeiner Character-
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zug der argentinischen Flora in Geltung bleibt und die Palmen von
Tucuman ausgeschlossen sind. Die Übereinstimmung mit der peruanisch
bolivischen Montaña ist in den beiden oberen Waldregionen noch
bestimmter ausgesprochen, indem sie aus dort gleichfalls einheimischen
Bäumen gebildet werden, aus Alnus ferruginea (Aliso), deren Bestand
von Sambucus peruviana und Podocarpus angustifolia begleitet wird,
und in dem höchsten Abschnitt (7000—9000') bis zur Baumgrenze aus
der Rosacee Polylepis racemosa (Queñua). Auch die alpine Region
der Sierra de Aconquija zeigt viel Übereinstimmendes mit der des tropischen
Boliviens, namentlich durch die Gesträuche von Baccharis densiflora
und durch das Ichugras (Stipa Ichu), welches durch die Cordilleren
von Mexico bis Mendoza verbreitet ist.
In Catamarca beginnt mit der wasserlosen Travesía des Campo
del Arenal die den Kettenverband der Anden unterbrechende Hochebene,
deren Vegetation der Puna-Region des peruanischen Hochlandes
entspricht. Hier fehlen daher auch der Ostseite die Waldregionen
von Tucuman. Und doch ist in Catamarca der Endemismus Argentiniens
der Wüste Atacama gegenüber ebenso bestimmt ausgesprochen
wie weiter im Süden zwischen Mendoza und Chile. Unter 120 Gefässpflanzen
aus der von Lorentz zum ersten Mal untersuchten alpinen Region
dieser Ostseite des Hochlandes waren mehr als 50 Arten unbeschrieben.
Hier hegt nämlich, von Schneebergen umschlossen, im
Niveau von gegen 10,000', das weite salzige Seebecken der Laguna
blanca, welches vorzugsweise eine so eigenthümliche Vegetation hervorgerufen
und dieselbe von der jenseitigen Wüste am stillen Meere
abgesondert hat.
In den beiden folgenden Jahren hat Lorentz in Begleitung von
Hieronyimts das nordwestliche Argentinien aufs Neue bereist und ist
über den Wendekreis hinaus-bis zu den Grenzen Boliviens nach Oran
gelangt, auch am Rio Vermejo in das früher von Naturforschern nie
betretene Gebiet von Gran Chaco vorgedrungen. Mit der Bearbeitung
der Ausbeute von dieser Reise bin ich gegenwärtig beschäftigt. Inzwischen
hat Hieronyimts^ der dabei meine Bestimmungen der früher
gesammelten Pflanzen bereits benutzen konnte, eine ausführlichere
Darstellung der Vegetationsformationen von Tucuman herausgegeben
iBoletin de la Academia de Cordova. Buenos-Aires, 1874, S. 183 bis
234 und 299 — 423). Er geht dabei von meiner Eintheilung des Pampasgebietes
in die drei grossen Abschnitte der Grasebenen, der Chañarsteppe
und der patagonischen Geröllflächen aus, und, indem er diese
Gliederung für naturgemäss erklärt, bemerkt er nur, dass, wie es an
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